Große Hersteller nehmen ab dem nächsten Jahr schrittweise ältere Insuline vom Markt – das wird die Versorgungskrise für Ärzte und Apotheker erheblich verschärfen. Was wir tun können.
Ab 2025 wird der Insulinmarkt in Deutschland eine tiefgreifende Veränderung erfahren. Novo Nordisk, einer der größten Anbieter von Insulinen weltweit, hat angekündigt, seine älteren Insuline schrittweise vom Markt zu nehmen. Dies betrifft sowohl Basal- als auch Humaninsuline. 2023 zog sich bereits Sanofi aus dem Humaninsulin-Markt zurück, sodass Eli Lilly als letzter großer Anbieter in diesem Segment verbleibt. Was bedeutet das für Ärzte, Apotheker und Patienten? Ein Überblick über die bevorstehenden Änderungen und ihre Auswirkungen.
Novo Nordisk wird bis Ende 2026 folgende Präparate stufenweise aus dem deutschen Markt zurückziehen:
Dies geschieht explizit nicht aufgrund von Sicherheits- oder Qualitätsbedenken, sondern als Teil einer globalen Umstellung auf modernere Insulinpräparate, wie die Firma mitteilt. Für viele Patienten bedeutet dies jedoch eine notwendige Anpassung ihrer Therapie, oft mit Schulungsbedarf.
Für die Apotheke bedeutet das einen erhöhten Beratungsaufwand, um den Patienten bereits im Vorfeld die Ängste und Bedenken zu erleichtern. Gerade bei Insulinen fällt ihnen die Umstellung auf ein neues Präparat schwer, wenn sie befürchten, dass ihr Blutzuckerspiegel während der Umstellungsphase instabil wird und sie Unterzuckerungen oder Stoffwechselentgleisungen erleben. Viele sind seit Jahren auf ein bestimmtes Präparat eingestellt und haben Vertrauen in dessen Wirksamkeit und Handhabung aufgebaut, was die Unsicherheit bei einem Wechsel verstärkt. Hinzu kommt die Sorge, die Handhabung neuer Pens oder die korrekte Dosierung nicht sofort zu beherrschen.
Die Aufgabe der Ärzte und Apotheker wird sein, Alternativen aufzuzeigen. Für Humaninsuline bleiben Produkte von Eli Lilly (z. B. Huminsulin®) verfügbar. Bei Basalinsulinen oder Mischinsulinen können Insulinanaloga wie Insulin glargin (Lantus®) oder Insulin degludec (Tresiba®) infrage kommen.
Bei der technischen Umstellung, wenn die Patienten auf andere Pens oder Spritzsysteme wechseln müssen, ist es wichtig, sicherzustellen, dass Patienten die Handhabung der neuen Systeme verstehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier der Resuspension bei NPH-Insulinen, dem Spritz-Ess-Abstand bei Analoginsulinen und der Vermeidung von Dosierungsfehlern bei Umstellung auf neue Präparate.
Mit Eli Lilly als einzigem Hersteller von Humaninsulinen könnte die Verfügbarkeit zukünftig kritisch werden. Apotheken sollten frühzeitig planen, um Lieferengpässe zu vermeiden. Auch der Wechsel auf importierte Produkte könnte eine Option sein, wobei die Verfügbarkeit stets überprüft werden muss. Lieferengpässe bei Insulin können besonders kritisch sein, da die Patienten auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen sind, um gefährliche Stoffwechselentgleisungen zu vermeiden.
Die Abhängigkeit von einem einzigen Hersteller, wie bei Humaninsulinen von Eli Lilly, erhöht das Risiko für Versorgungsengpässe erheblich – ein Problem, das Apotheken aktuell bereits bei Präparaten wie Trulicity® und Ozempic® schmerzhaft erleben. Gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Insulintherapie zeigt sich, wie wichtig eine diversifizierte Marktstruktur und eine frühzeitige Lagerplanung sind, um Patienten eine lückenlose Behandlung zu garantieren.
Die Umstellung von Humaninsulinen auf Insulinanaloga oder andere Humaninsuline ist nicht trivial:
Viele Patienten, die seit Jahren auf bestimmte Insuline eingestellt sind, empfinden eine Umstellung als belastend. Apotheken können proaktiv handeln, indem sie die Patienten bereits jetzt über die anstehenden Änderungen aufklären und mögliche Alternativen aufzeigen. Eine enge Abstimmung mit den verordnenden Ärzten ist essenziell, um reibungslose Übergänge sicherzustellen. Insbesondere ältere Patienten könnten Schwierigkeiten bei der Umstellung haben. Apotheken könnten zusätzliche Beratungstermine oder Infotage einrichten, an denen sie über die bevorstehenden Änderungen informieren und Ängste abbauen.
Die systematische Erfassung von Patientenrückmeldungen zu neuen Insulinpräparaten oder Schwierigkeiten bei deren Umstellung ist von zentraler Bedeutung. Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder Handhabungsprobleme können wertvolle Hinweise auf mögliche Optimierungspotenziale liefern. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) betont in seinen regelmäßigen Informationskampagnen, wie wichtig die Meldung solcher Beobachtungen ist, um die Arzneimittelsicherheit kontinuierlich zu verbessern. Diese Meldungen können von Apotheken, Ärzten oder Patienten selbst über offizielle Plattformen wie das Nebenwirkungsmeldesystem des BfArM eingereicht werden. Jede Rückmeldung wird ausgewertet und fließt in die Sicherheitsbewertung der Präparate ein. Bei der Umstellung auf neue Insulinpräparate sollte daher darauf geachtet werden, jegliche Probleme oder unerwartete Reaktionen schriftlich zu dokumentieren. Das pharmazeutische Personal kann hier eine wichtige Rolle spielen, indem es die Patienten aktiv ermutigt, ihre Erfahrungen mitzuteilen, und diese Berichte an Hersteller oder Fachgesellschaften weiterleiten.
Durch diese Rückmeldungen können nicht nur mögliche Risiken frühzeitig erkannt, sondern auch Hilfestellungen für den Umgang mit den Präparaten entwickelt werden. So profitieren sowohl der einzelne Patient als auch die Allgemeinheit von einer verbesserten Arzneimittelsicherheit und einer angepassten Therapie.
Die Umstrukturierung des Insulinmarkts stellt sowohl die Patienten als auch das betreuende Fachpersonal vor größere und kleinere Schwierigkeiten. Mit frühzeitiger Information, intensiver Beratung und enger Zusammenarbeit mit Ärzten können die Mitarbeiter in den Apotheken dazu beitragen, den Übergang ab dem kommenden Jahr möglichst reibungslos zu gestalten. Moderne Insulinpräparate bieten definitiv Vorteile in der Handhabung und der Stoffwechselkontrolle. Es liegt an uns, unseren Patienten diese Umstellungen auch positiv zu vermitteln, um Ängste abzubauen, oder gar nicht erst aufkommen zu lassen.
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