Zunehmende antimikrobielle Resistenzen sind ein weltweites Problem. Wie dramatisch ist die Lage wirklich – und was muss sich ändern?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) stellen weltweit eine wachsende Herausforderung für die Gesundheitsversorgung dar. Das steigende Bewusstsein im Gesundheitssystem für die zunehmende Entwicklung von Resistenzen sowie Strategien wie „Antibiotic Stewardship (ABS)“ sind entscheidende Maßnahmen, um dem fortschreitenden Anstieg von Resistenzen entgegenzuwirken. Doch um auf globaler Ebene wirksame Interventionen umzusetzen, ist eine gründliche Analyse der aktuellen AMR-Situation sowie der sich verändernden Trends in der AMR-Mortalität über Zeit und Regionen hinweg unerlässlich.
Eine frühere Studie quantifizierte die globale und regionale AMR-Belastung für das Jahr 2019, weitere Studien lieferten detaillierte Schätzungen für verschiedene WHO-Regionen und Länder. Kürzlich wurde im Lancet eine umfassende Studie veröffentlicht, die sich mit der Analyse der globalen AMR-Belastung an unterschiedlichen Standorten beschäftigte und auf Grundlage historischer Trends auch zukünftige Prognosen berechnete.
Das Studienteam schätzte für alle Altersgruppen Todesfälle sowie behinderungsadjustierte Lebensjahre (DALY), die auf bakterielle antimikrobielle Resistenzen (AMR) zurückzuführen sind oder mit ihnen in Verbindung stehen. Dies wurde für 22 Erreger, 84 Erreger-Wirkstoff-Kombinationen und 11 infektiöse Syndrome in 204 Ländern und Gebieten im Zeitraum von 1990 bis 2021 durchgeführt. Dabei wurde ein umfangreicher Datenpool verwendet, der folgende Informationen enthielt:
Zusätzlich flossen bereits veröffentlichte Daten ein, die insgesamt 520 Millionen Datensätze oder Isolate und 19.513 Studien-Orts-Jahre abdeckten. Die Autoren verwendeten statistische Modellierungen, um Schätzungen der AMR-Belastung für alle Standorte zu erzeugen – auch für jene ohne Daten.
Für das Jahr 2021 wurde geschätzt, dass weltweit 4,71 Millionen Todesfälle mit bakteriellen AMR in Verbindung standen; davon waren 1,14 Millionen direkt auf bakterielle AMR zurückzuführen. Die Trends in der Mortalität zeigten jedoch in den letzten 31 Jahren deutliche Unterschiede je nach Alter und Region. Während die Zahl der Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren um mehr als 50 % zurückging, stieg sie bei Erwachsenen ab 70 Jahren um über 80 %. Betrachtet man einzelne Erreger, so war der Anstieg der Todesfälle durch Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus weltweit am stärksten. Bei den gramnegativen Erregern nahm die Resistenz gegen Carbapeneme stärker zu als bei jeder anderen Antibiotikaklasse.
Die berechnete Prognose zeigt einen erwarteten weiteren Anstieg der mit AMR in Verbindung stehenden Mortalität: Bis zum Jahr 2050 könnten weltweit etwa 1,91 Millionen Todesfälle direkt auf AMR zurückzuführen sein, und 8,22 Millionen Todesfälle könnten mit AMR in Zusammenhang stehen. Der Trend, dass die Zunahme der Todesfälle besonders bei den über 70-Jährigen am stärksten ausfällt, wird sich voraussichtlich fortsetzen.
Die Ergebnisse dieser Studie sind alarmierend: Die mit AMR in Verbindung stehenden Todesfälle nehmen weiterhin zu. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind dringend Maßnahmen wie die verstärkte Infektionsprävention, Impfungen, die Reduktion des unangemessenen Antibiotikaeinsatzes in der Landwirtschaft und im menschlichen Bereich sowie intensivere Forschung an neuen Antibiotika erforderlich.
Die abschließenden Szenarien der Studie verdeutlichen, welch entscheidenden Einfluss Infektionsprävention und die Entwicklung neuer Arzneimittel im Kampf gegen die Ausbreitung von AMR haben könnten: Durch eine verbesserte Behandlung schwerer Infektionen und einen besseren Zugang zu Antibiotika ließen sich bis 2050 voraussichtlich insgesamt 92 Millionen Todesfälle verhindern. Darüber hinaus könnte die Entwicklung eines gezielten Arzneimittelportfolios gegen gramnegative Erreger zusätzlich 11,1 Millionen AMR-bedingte Todesfälle verhindern.
Zusammenfassung für Eilige:
Globale Bedrohung: Antimikrobielle Resistenzen (AMR) sind eine weltweit zunehmende Gesundheitskrise, die 2021 rund 4,71 Millionen Todesfälle verursachte, davon 1,14 Millionen direkt durch AMR.
Demografischer Wandel: Die AMR-bedingte Sterblichkeit nimmt besonders bei älteren Menschen zu, mit einem Anstieg um über 80 % bei Personen über 70 Jahren seit 1990, während die Sterblichkeit bei Kindern unter 5 Jahren um mehr als 50 % zurückging.
Dringender Handlungsbedarf: Maßnahmen wie bessere Infektionsprävention, Impfungen, Einschränkungen im Antibiotikaeinsatz und die Entwicklung neuer Arzneimittel sind entscheidend, um bis 2050 bis zu 92 Millionen Todesfälle zu verhindern.
Bildquelle: Tasha Kostyuk, Unsplash