Die Impf-Empfehlungen in der Schwangerschaft verändern sich ständig. Wir bringen euch auf den neuesten Stand.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Beim Erstgespräch in der Frühschwangerschaft sollte auch das Thema Impfungen angesprochen werden. Im Idealfall hat die Patientin ihren Impfpass dabei und man überprüft, ob alle relevanten Impfungen durchgeführt bzw. rechtzeitig aufgefrischt wurden.
Grundsätzlich können Totimpfstoffe in der Schwangerschaft verabreicht werden und gelten als sicher, Lebendimpfstoffe sind aufgrund theoretischer Überlegungen kontraindiziert. Zu letzteren zählen Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen. Eine versehentliche Gabe von Lebendimpfstoffen kurz vor oder während einer Frühschwangerschaft ist jedoch keine Indikation, die Schwangerschaft abzubrechen. Bisher gab es weltweit kein erhöhtes Risiko kongenitaler Fehlbildungen durch eine dokumentierte MMR-Impfung.
Im ersten Trimenon sollten nur dringend indizierte Impfungen durchgeführt werden, um zu vermeiden, dass die in der Frühschwangerschaft häufigeren Spontanaborte mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden.
Ein besonderes Augenmerk gilt dem Rötelschutz. Die Röteln-Embryopathie kann eine Vielzahl von Fehlbildungen verursachen, besonders betroffene Organsysteme sind das Herz und das ZNS, sowie Ohren und Augen. Die klassische Symptomtrias (Gregg-Trias) besteht aus angeborenem Herzfehler, Katarakt und Innenohrtaubheit.
Sind zwei Impfungen gegen Röteln im Impfpass dokumentiert, gilt dies als positive Immunität. Ist dies nicht der Fall oder die Situation unklar, werden die Titer im mütterlichen Blut bestimmt. Stellt sich ein unzureichender Schutz gegen Röteln heraus, wird eine Kontrolle nach 18+0 SSW bzw. nach einem vermeintlichen infektiösen Kontakt durchgeführt.
Bei fehlender Rötelimmunität sollte postpartal und unter sicherer Antikonzeption die Impfung erfolgen, um die Folgeschwangerschaften zu schützen.
Influenza ist eine durch Influenzaviren ausgelöste, saisonal begrenzte akute Erkrankung. Sie kann einen ernsten bis lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Typische Symptome sind Husten, Fieber, Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen, sowie ein plötzlich einsetzendes starkes Krankheitsgefühl. Komplikationen können von pulmonaler und kardiovaskulärer Art sein, ein schwerer Verlauf ist lebensgefährlich. Menschen mit chronischen Grunderkrankungen und deren Kontaktpersonen, in einem erhöhten Lebensalter oder in Berufsgruppen, die einer höheren Infektionslast ausgesetzt sind, wird eine saisonale Impfung empfohlen. Schwangeren wird die Influenzaimpfung ausdrücklich von der STIKO empfohlen. Aufgrund der veränderten Immunitätslage in der Schwangerschaft ist häufiger mit schweren Krankheitsverläufen zu rechnen. Weiterhin stellt mütterliches Fieber ein Risikofaktor für eine Frühgeburtlichkeit dar.
Die Impfempfehlung gilt ab 12+0 SSW, in Risikokonstellationen ist sie auch früher möglich.
Corona hat in den vergangenen Jahren die Impfberatung in der Schwangerenvorsorge komplizierter gemacht. Momentan empfiehlt die STIKO Schwangeren eine Basisimmunität, d. h. das Immunsystem sollte mindestens dreimal Kontakt mit Bestandteilen des Erregers gehabt haben, davon wenigstens einmal durch eine Impfung. Schwangeren mit vorliegender Grunderkrankung werden ergänzend zur Basisimmunität weitere jährliche Auffrischimpfungen im Herbst empfohlen. Patientinnen, die zu einer Risikogruppe zählen, aber immungesund sind und sich im Laufe des Jahres mit SARS-CoV-2 infiziert haben, können davon absehen. Insgesamt wird in diesen Fällen eine individuelle Risikoabwägung befürwortet.
Personen, die weder geimpft noch infiziert waren, sollten laut STIKO dreimal gegen COVID-19 geimpft werden. Die Impfempfehlung gilt ab 12+0 SSW und ist bei individuell erhöhter Risikolage auch früher möglich.
Pertussis ist hochansteckend und weit verbreitet, wobei gehäuft schwere Komplikationen bei Neugeborenen auftreten, die keinen Immunschutz haben. Die Impfung während der Schwangerschaft gibt dem Neugeborenen den nötigen postpartalen Nestschutz, wodurch Infektionen in den ersten drei Lebensmonaten um 90 % vermieden werden. Mütterliche Symptome sind ein heftiger, die Atmung beeinträchtigender Husten bis hin zur Pneumonie, was wiederum zu einer Frühgeburt führen kann. Beim Neugeborenen kommt es zu massiven Atemproblemen und schlimmstenfalls zu einer Pneumonie mit tödlichem Verlauf.
In Deutschland steht kein Einzelimpfstoff, sondern ein 3-facher (Pertussis/Tetanus/Diphterie) oder 4-facher (+ Polio) Impfstoff zur Verfügung, die beide in der Schwangerschaft zugelassen und von der STIKO ausdrücklich empfohlen sind.
Der effektivste Nestschutz wird durch eine Impfung im frühen 3. Trimenon (ab 28+0 SSW) erreicht. Bei erhöhter Frühgeburtsneigung sollte bereits im späten 2. Trimenon geimpft werden. Kontaktpersonen des Neugeborenen wird empfohlen, spätestens vier Wochen vor Geburt für einen ausreichenden Impfschutz zu sorgen. Schwangere sollten zum Erlangen eines effizienten Nestschutzes in jeder Schwangerschaft geimpft werden, unabhängig vom Abstand zu einer vorher verabreichten Pertussis-Impfung.
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt gemeinsam mit anderen perinatologischen Fachgesellschaften allen Schwangeren die saisonale Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Es handelt sich um eine Atemwegserkrankung, die besonders bei Säuglingen zu schweren Komplikationen wie Bronchiolitis und Pneumonie führen und letal enden kann.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur erteilte im Juli 2023 eine Zulassung für den RSV-Impfstoff Abrysvo3®. Es handelt sich um den ersten RSV-Impfstoff, der für die passive Immunisierung von Säuglingen durch Impfung der Mutter während der Schwangerschaft angezeigt ist. Die Impfung wird von den Fachgesellschaften ab 32+0 SSW ausdrücklich empfohlen.
Bisher gibt es keine STIKO-Empfehlung und keine einheitliche Kostenübernahme.
Impfberatung in der Schwangerschaft ist kein einfaches, aber ein wichtiges Thema. Es geht um den Schutz von Mutter und Kind. STIKO und DGGG empfehlen sogar explizit bestimmte Impfungen für Schwangere. Hier sind Gynäkologen, Allgemeinärzte und Pädiater gefordert, sich ausreichend Zeit für Beratung und Durchführung zu nehmen.
Zusammenfassung für Eilige:
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