Daria S. ist sportlich und gesund. Plötzlich kann die 44-Jährige aber ihren rechten Arm nicht mehr heben. In der Notaufnahme sind sich die Ärzte einig: Sie soll unters Messer. Doch Daria wählt einen anderen Weg.
Ein Leben ohne Rücken- und Nackenschmerzen konnte sich die 44-Jährige Daria S. schon lange nicht mehr vorstellen. Nach einer steilen Karriere im Tischtennis auf Leistungssportebene hatte sie seit ihrem 26. Lebensjahr mit mehreren leichten Bandscheibenvorfällen und chronischen Schmerzen zu kämpfen. Da es glücklicherweise bis dahin nicht zu schwerwiegenden neurologischen Ausfallerscheinungen kam, verblieb die Behandlung weitestgehend konservativ. Daria S. kehrte dem Leistungssport den Rücken zu, nahm einige Zeit verschiedene Schmerzmittel und bekam mithilfe einer stationären Rehabilitationsbehandlung und einer physiotherapeutischen ambulanten Nachbehandlung ihre Beschwerden halbwegs in den Griff.
Fast zwei Jahrzehnte später meldeten sich ihre Bandscheiben aber dann mit einem Hammerschlag zurück. Sie hatte schon mehrere Tage leichte Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule – und konnte auf einmal ihren rechten Arm nicht mehr heben. Vor Schmerzen war sie zu nichts mehr fähig und legte sich erst einmal verzweifelt auf den Boden. Mithilfe ihres Mannes und ihrer beiden Töchter stellte sie sich noch am selben Tag in der Notaufnahme eines städtischen Krankenhauses vor. Die folgende Bildgebung war relativ eindeutig: Mehrere schwere Bandscheibenvorfälle im Bereich der Halswirbelsäule.
Der Neurologe zeichnete schnell eine düstere Prognose und wollte die körperlich insgesamt noch ziemlich fitte Patientin schnell an die Neurochirurgen weiterleiten. Doch diese wollte eine OP unbedingt verhindern. Zu eindrücklich waren ihre Erinnerungen an die Zeit in der Rehaklinik, als sie auf Patienten traf, die nach einer Rücken-OP im Rollstuhl saßen.
Daher einigte sie sich nach Rücksprache mit ihrer Familie und den Ärzten auf ein zunächst konservatives Vorgehen und wurde auf der neurologischen Station mit verschiedenen Schmerzmitteln behandelt. Zur Freude der Patientin schien sie mit ihrem Bauchgefühl richtig gelegen zu haben: Die schweren Ausfallerscheinungen bildeten sich relativ rasch zurück und mithilfe der Schmerzmittel konnte sie sich fast wieder normal bewegen.
Auch physiotherapeutische Übungen waren schrittweise wieder möglich und verschafften weitere Linderung. Da sich aber dieses intensive Programm nicht wirklich in den Alltag nach der Entlassung integrieren ließ, brauchte Daria S. eine verträgliche und wirksame Langzeittherapie. Und genau an dieser Stelle kam die minimalinvasive Schmerztherapie ins Spiel.
Was bedeutet eine minimal-invasive Schmerztherapie in Zusammenhang mit der Volkskrankheit Bandscheibenvorfall? Wie die Kasuistik von Daria S. zeigt, zählen neurochirurgische Interventionen – also Operationen – im Falle schwerer Bandscheibenvorfälle mit erheblicher Nervenkompression und Ausfallerscheinungen zum Goldstandard. Entsprechende Empfehlungen sind beispielsweise den aktuellen S2k-Leitlinien zur konservativen, operativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik zu entnehmen.
Stehen neben einer OP immer noch konservative Optionen im Raum, wird zunehmend auf eine gezielte Schmerztherapie der Wirbelsäule gesetzt. So können Analgetika und Lokalanästhetika mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren gezielt an Schmerzpunkten appliziert werden. Darüber hinaus ermöglicht die minimalinvasive intradiskale Schmerztherapie im Falle therapieresistenter Rückenschmerzen infolge einer Bandscheibenläsion die laserbasierte Vaporisierung zur Reduktion des interdiskalen Druckes.
Bei dieser Therapie – auch als perkutane Laserdekompression des Diskus bezeichnet – führt die Bestrahlung zu einer Schrumpfung der Kollagenstrukturen und einer Druckentlastung, die sich positiv auf die Schmerzbelastung ausführen kann. Obgleich entsprechende Verfahren noch in den Kinderschuhen stecken, konnten erste Studien die Erfolge belegen: So untersuchten Erstautor S. Haufe und sein Forschungsteam die Wirksamkeit einer perkutanen Laser-Diskus-Dekompression im Bereich der Brustwirbelsäule an zehn Fällen.
Bei einer guten Verträglichkeit der Therapie verbesserte sich der Wert auf einer visuellen Analogskala (VAS) von mittleren 8,5 Punkten vor der jeweiligen Behandlung auf nur noch 3,8 Punkte nach der Therapie. Aufgrund der ziemlich kleinen Stichprobengröße hält das Forscherteam selbstverständlich weitere Studien für angebracht, bezeichnet die Methode allerdings jetzt schon als mögliche Option zur Behandlung therapieresistenter Rückenschmerzen mit niedrigem Komplikationsrisiko.
Für Daria S. hieß es: Obgleich bei ihrem Befund gängige Leitlinien zunächst eine andere Therapie empfohlen hätten, ist sie mit einer konservativen Behandlung nach dem Schema der zur analgetischen Therapie, Rehabilitationsbehandlung und Physiotherapie sehr gut gefahren. Darüber hinaus nahm sie in einem speziellen Zentrum die minimalinvasive Schmerztherapie in Anspruch und konnte im Anschluss die alltägliche Schmerzbelastung erneut reduzieren und ihre Funktionsfähigkeit steigern.
Nachdem für die sportliche Frau also zunächst eine Welt zusammenbrach und sie eine OP fürchtete, brachten die Suche nach Alternativen und eine interdisziplinäre Therapie schließlich den Durchbruch. Zwar ist die Studienlage zur minimalinvasiven Schmerztherapie bei Bandscheibenvorfällen teilweise noch recht lückenhaft – da aber viele Patienten profitieren könnten, wird diese Behandlungsalternative bald sicher auch Einzug in entsprechende Leitlinien erhalten.
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