Snus gilt als gesunde Alternative zu Zigaretten. Laut Globalem Forum für Nikotin ist es zu „95 % sicherer als Zigaretten“. Kritiker warnen, das Risiko werde unterschätzt, es enthalte 28 krebserregende Stoffe. Bei Schwangeren kann der Gebrauch zu Fehlgeburten führen.
Sie sehen aus wie winzige Teebeutel, doch die kleinen Säckchen enthalten nicht Tee, sondern eine Mischung aus fein gemahlenen Tabak, Wasser, Salz und Aromen. Snus wird unter die Ober- oder Unterlippe geschoben und verbleibt dort bis zu einer Stunde, manchmal auch länger. Der Speichel löst das Nikotin heraus, das anschließend über die Mundschleimhaut in die Blutbahn aufgenommen wird. Das enthaltene Salz begünstigt die Aufnahme des Nikotins. Die Wirkung ist ähnlich einer Zigarette: Snus erhöht den Puls, entspannt und macht wach.
Snus hat in Schweden und Norwegen eine lange Tradition. Die älteste Sorte wurde von Jacob Fredrik Ljunglöf erstmals im Jahre 1822 hergestellt. Besonders beliebt ist das aromatische Tabakprodukt bei den schwedischen und norwegischen Jugendlichen. Im restlichen Europa dagegen ist der Handel mit Snus verboten. Geregelt wird dies in der „Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (2001/37/EG )“. Ziel dieser Richtlinie ist es, den Gesundheitsschutz zu fördern. In Deutschland heißt es im § 11 des Tabakerzeugnis-Gesetzes ausdrücklich. „Es ist verboten, Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch in den Verkehr zu bringen“ .
Snus wird für bis zu eine Stunde unter die Oberlippe geschoben/ Christian Jensen, flickr Im Gegensatz dazu ist der Konsum von Snus in Deutschland jedoch erlaubt, wenn die Person mindestens 18 Jahre alt ist. Wer seinen Urlaub in Schweden verbringt, darf sich somit etwa 1 kg Snus zum Privatgebrauch mitzubringen. Bei einem Gewicht von 34 Gramm pro Dose entspricht dies etwa 29 Snus-Dosen. Der Weiterverkauf an Freunde und Bekannte oder das Versenden sind dagegen verboten.
Die britische Verbrauchergruppe „Neue Nikotin Allianz“ (NNA) hält Snus für eine gesunde Alternative zur Zigarette. Sie hat deswegen Klage gegen das Verbot eingereicht, welches nun am Europäischen Gerichtshof geprüft wird. Gerry Stimson, Vorsitzender der NNA, sagt: „Ein Verbot gibt Rauchern weniger Möglichkeiten für gesündere Alternativen und wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung aus“. Teilnehmer des Globalen Forums für Nikotin, einer internationalen Konferenz zum Thema Nikotinprodukte, halten Snus ebenfalls für eine gesunde Alternative zu Zigaretten. Doch worum handelt es sich bei dem sogenannten Globalen Forum für Nikotin? „Diese Konferenz verfolgt meiner Einschätzung nach eindeutig das Ziel, das Prinzip der Harm Reduction zu fördern, das im Übrigen auch von der Tabakindustrie vertreten wird“, sagt Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „Hauptthema dieser Konferenzen sind E-Zigaretten, meist wurde aber außerdem Snus thematisiert. Insbesondere hinsichtlich der E-Zigarette fällt auf, dass als Redner viele Wissenschaftler vertreten sind, die starke Fürsprecher von E-Zigaretten sind, darunter auch solche mit Interessenkonflikt. Als Sponsoren der Veranstaltung werden im Jahr 2017 Interessenverbände für E-Zigaretten angegeben. In den Jahren 2015, 2016 und 2017 sprachen im Rahmen des Konferenzprogramms auch Vertreter der Tabakindustrie und in den letzten Jahren sprach auch der Erfinder der modernen E-Zigarette.“ Laut Peter Lee, Epidemiologe und medizinischer Statistiker, ist Snus im Hinblick auf das Krebsrisiko zu 95 % sicherer als die Zigarette. Der schwedische Forscher Lars Ramstäm ist überzeugt, dass – wenn Snus in Europa erhältlich wäre und ähnliche Konsumentenzahlen angenommen werden würden – jedes Jahr bis zu 320.000 vorzeitige Todesfälle bei Männern vermieden werden könnten. Grund hierfür sei, dass der Konsum von Snus das Risiko für Lungenerkrankungen, Schlaganfall oder Herz-Erkrankungen nicht erhöhen würde.
Doch die aromatischen Tabakbeutelchen sind nicht so unbedenklich, wie man aufgrund dieser Aussagen annehmen könnte. Denn auch wenn die Hersteller die krebserregenden Substanzen durch einen anderen Produktionsprozess reduzieren konnten, enthält Snus immer noch 28 krebserregende Stoffe, darunter auch das giftige N-Nitrosamin.
Bisher konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen Snus-Konsum und dem Auftreten eines Mundhöhlenkarzinom gefunden werden. Dass das nicht für alle Tabakprodukte für den oralen Gebrauch gilt, zeigt eine aktuelle Studie, die sich mit Naswar beschäftigt hat. Naswar ist ein Gemisch aus Tabakblättern, Asche, Löschkalk und verschiedenen Aromastoffen, das in die Wangentasche des Mundes gelegt wird. Laut der Studie dieser erkranken Menschen, die das grüne Pulver bzw. die Paste verwenden, etwa zwanzigmal so oft an einem Mundhöhlenkarzinom als Nicht-Konsumenten. Bei einer Fall-Kontroll-Studie bestätigte sich der Verdacht, dass der Konsum von Naswar das Risiko für Mundhöhlenkrebs erhöht. Grund sei laut Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation des Leibniz-Institutes für Präventionsforschung und Epidemiologie, dass Naswar einen relativ hohen Anteil schädlicher, tabakspezifischer Nitrosamine verbunden mit einem hohen Nikotingehalt aufweist. „Viel suchtförderndes Nikotin lässt Konsumenten also häufiger zu einem schädlichen Produkt greifen. Zum anderen bewirkt der hinzugesetzte Löschkalk einen Anstieg des pH-Wertes ins alkalische Milieu, was Freisetzung und Aufnahme des Nikotins fördert. Der alkalische pH-Wert schädigt aber auch die Schleimhaut, bewirkt also Läsionen im Gewebe, die immer auch ein Risikofaktor für Krebs sind. In Snus ist Kalk nicht enthalten.“ Die im Naswar enthaltene Asche enthält zudem Schwermetalle, welche die Toxizität weiter erhöhen.
Bereits vor 10 Jahren fanden Wissenschaftler des Karolinska-Institut[Paywall] heraus, dass Snus-Konsumenten etwa doppelt so häufig an einem Pankreastumor erkranken als Menschen, die auf den Konsum verzichten. Zudem erkranken Snuser häufiger an Diabetes mellitus. Wissenschaftler der Umeå University in Umeå und der Karolinska Instituts [Paywall] hatten hierfür fünf verschiedene Studien mit insgesamt knapp 55.000 Teilnehmern analysiert. Das Ergebnis: Bei Personen mit einem sehr hohen Konsum von sieben Snus-Dosen mit jeweils 20 Beutelchen oder mehr pro Woche, erhöhte sich das Diabetesrisiko um 70 %. Bei einem Konsum von fünf bis sechs Boxen à 20 Beutelchen pro Woche stieg die Erkrankungswahrscheinlichkeit um 40 %. Schuld daran sei laut den Autoren das Nikotin, welches die Insulinempfindlichkeit hemme und die Freisetzung von Cortisol fördere, was zu einer Insulinresistenz führen könne. Sogar auf die Lunge soll sich der Gebrauch von Snus negativ auswirken. Laut einer Studie im BMJ Open ist das Risiko für Snus-Liebhaber an Asthma zu erkranken 50 % höher als für Nicht-Konsumenten. Für dieses Ergebnis hatten Wissenschaftler aus Schweden und Island Fragebögen von 16.000 Menschen ausgewertet, die noch nie geraucht hatten, jedoch Snus konsumierten. Eine Schwäche der Studie: Wie viele Beutelchen sie pro Tag verbrauchten, wird nicht angegeben. Die Vermutung der Wissenschaftler ist, dass die Verwendung von Snus eine Entzündung im oberen Respirationstrakt verursacht, die anschließend in den unteren Bereich wandert – ähnlich einer Rhinitis oder einer Infektion.
Die Befürworter auf dem Globalen Forum für Nikotin sind überzeugt, dass Snus Menschen dabei helfen könnte, mit dem Rauchen aufzuhören. Das Deutsche Krebsforschungszentrum betont jedoch: Snus ist in Deutschland verboten und nicht zur Tabakentwöhnung zugelassen. Bislang gibt es auch keinen überzeugenden Nachweis, dass rauchlose Tabakprodukte beim Rauchstopp hilfreich sein könnten. Den oralen Tabak in der Raucherentwöhnung einzusetzen, würde den aufhörwilligen Rauchern fälschlicherweise das Gefühl vermitteln, Snus wäre gesundheitlich unbedenklich. Außerdem hat Snusen Suchtpotenzial, weswegen das Aufhören sehr schwer werden kann. Rauchlose Tabakprodukte können daher bestenfalls Raucher von Zigaretten auf rauchlose Tabakprodukte umgewöhnen, nicht aber bei einer Tabakentwöhnung helfen Zudem bieten sich die aromatischen Tabakbeutelchen als Einstiegsdroge für Jugendliche an. In den USA und Schweden ist der Konsum am stärksten bei den jungen Männern gestiegen. Laut Maja-Lisa Løchen, Professorin für Präventivmedizin im Institut für öffentliche Gesundheit am Norges Arktiske Universitet (UiT) in Tromsø, „snusen“ in Norwegen 10 % der jungen Frauen und 25 % der jungen Männer. Viele Unternehmen hätten inzwischen das Potenzial von Snus erkannt und nun spezielle Marketingstrategien für junge Leute gestartet, insbesondere für junge Frauen.