Bei Vorhofflimmern schützt eine Antikoagulation vor Schlaganfällen. Aber was tun, wenn der Patient bereits eine Hirnblutung hatte? Eine Studie versucht jetzt, die richtige Balance zu finden.
Intrazerebrale Blutungen (ICB) sind eine schwere Form des Schlaganfalls, die im Vergleich zu anderen Formen des Schlaganfalls mit einem höheren Risiko für eine bleibende Beeinträchtigung oder ein Rezidiv verbunden sind. Bei ICB-Patienten, die gleichzeitig unter einem Vorhofflimmern leiden, besteht zudem ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines ischämischen Schlaganfalls. Die Nutzen-Risiko-Abwägung einer oralen Antikoagulation bei diesen Patienten ist entsprechend komplex. Auf der internationalen Stroke Conference in Los Angeles im Februar 2025 wurden nun die Ergebnisse der PRESTIGE-AF-Studie (PREvention of STroke in Intracerebral haemorrhaGE survivors with Atrial Fibrillation) präsentiert.
Bei der PRESTIGE-AF Studie handelt es sich um eine multizentrische prospektive randomisierte klinische Studie unter der Leitung von Professor Dr. med. Roland Veltkamp vom Imperial College in London. Ein Ziel der Studie war zu untersuchen, ob direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) eine effektive und sichere Option zur Schlaganfallprävention von Patienten nach ICB mit begleitendem Vorhofflimmern sind.
An der Studie nahmen Erwachsene teil, bei denen Vorhofflimmern diagnostiziert wurde und die innerhalb der letzten 12 Monate vor Studieneinschluss eine spontane ICB erlitten hatten. Bis Ende November 2023 wurden 319 Patienten mit stattgehabter ICB und Vorhofflimmern in die Studie eingeschlossen. Die Teilnehmer wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder ein DOAK in Standarddosis oder wurden der Kontrollgruppe ohne orale Antikoagulation zugeteilt. Die Wahl des DOAK wurde jedem Standort überlassen. Letztendlich erhielten die Patienten in der Studie hauptsächlich Apixaban (53,8 %), gefolgt von Dabigatran (20,9 %) und Edoxaban (18,4 %). Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer lag bei 78–79 Jahren. Es wurden zu 35 % Frauen eingeschlossen. Fast alle Teilnehmer waren weiß. Der mittlere CHA2DS2-VASc-Score lag bei 4 und der mittlere HAS-BLED-Score bei 3. Die Studienteilnehmer wurden zunächst nach 1, 6 und 12 Monate und danach in jährlichen Abständen für eine Dauer von insgesamt 36 Monaten nachbeobachtet.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 1,43 Jahren war das Risiko für einen ersten ischämischen Schlaganfall in der Gruppe mit DOAK-Therapie deutlich geringer als in der Kontrollgruppe (angepasste HR: 0,05 (0,01–0,38)).
Unter DOAK-Therapie traten ischämische Schlaganfälle mit einer Häufigkeit von 0,83 pro 100 Patientenjahren auf. In der Kontrollgruppe ohne orale Antikoagulation waren die ischämischen Schlaganfälle mit 8,60 per 100 Patientenjahren deutlich häufiger. Die Zahl der zu behandelnden Patienten zur Verhinderung eines ischämischen Schlaganfalls pro Jahr betrug allerdings nur 13.
Allerdings bestand im Zusammenhang mit der DOAK-Therapie auch ein großes Risiko für das Wiederkehren einer ICB (bereinigte HR: 11,2 (2,01–62,86)). Die Inzidenz aller ICB-Ereignisse lag in der DOAK-Gruppe bei 5 pro 100 Patientenjahre, gegenüber 0,82 pro 100 Patientenjahre in der Kontrollgruppe.
Hinsichtlich der sekundären Endpunkte wie Mortalität und schwerwiegenden kardialen Ereignisse deuteten die Ergebnisse der PRESTIGE-AF-Studie nicht darauf hin, dass eine der beiden Strategien besser war.
Professor Veltkamp sagte auf dem Kongress in Los Angeles, das langfristige Ziel bestehe darin, Bildgebungs- und andere Marker zu finden, die dazu beitragen, die Versorgung jedes ICB-Überlebenden zu personalisieren, da einige möglicherweise besser für DOAK und andere für weitere Interventionen geeignet seien. Inzwischen bestehe auch Interesse an alternativen Therapien, wie z. B. dem Verschluss des linken Vorhofohrs – eine Maßnahme, die zu den Ausschlusskriterien der PRESTIGE-AF-Studie zählte.
Die Abwägung einer Antikoagulation bei Patienten mit einer stattgehabten ICB und Vorhofflimmern bleibt auch nach der Auswertung der PRESTIGE-AF-Daten weiterhin eine individuelle Entscheidung. In der Literatur ist eine Reihe von Risikofaktoren für eine erneute intrazerebrale Blutung zu finden. Diese können in die Entscheidung miteinfließen, ob eine orale Antikoagulation möglich ist. Als wichtigste Prädiktoren sind große intrazerebrale Blutungen, lobäre Blutungen, ausgeprägte zerebrale Mikroangiopathien, zahlreiche Mikroblutungen in der Kernspintomografie, eine Amyloidangiopathie, fortgeschrittene Lebererkrankungen und ein erhöhter Konsum von Alkohol genannt.
Erwartet werden zudem die Daten aus weiteren laufenden Phase-III-Studien, um die Handlungsempfehlung zukünftig präzisieren zu können. Als Beispiel ist die ENRICH-AF zu nennen. Das Hauptziel dieser Studie besteht darin herauszufinden, ob Edoxaban (60/30 mg 1x täglich) im Vergleich zu einer medizinischen Therapie ohne orale Antikoagulation (entweder keine antithrombotische Therapie oder Thrombozytenaggregationshemmung als Monotherapie) das Schlaganfallrisiko bei Hochrisiko-Vorhofflimmern bei Patienten mit vorheriger ICB verringern kann.
Bildquelle: Fellipe Ditadi, Unsplash