Menschen mit schlechtem Geschmackssinn – insbesondere für Salziges und Saures – haben ein deutlich erhöhtes Sterberisiko. Warum ist das so?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Der Geschmackssinn warnt uns vor Bitterem und zieht uns zu Süßem hin. Auf der Zunge sitzen Tausende von Geschmacksknospen, die fünf Grundgeschmäcker – süß, sauer, salzig, bitter und umami – wahrnehmen und die Informationen ans Gehirn weiterleiten.
Ein gestörter Geschmackssinn kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben. Er kann zu Appetitlosigkeit, Ernährungsstörungen, Mangelernährung und einer schlechteren Lebensqualität führen.
Studien zeigen, dass etwa 17 bis 19 % aller Erwachsenen über 40 Jahren von Geschmacksstörungen betroffen sind. Besonders im höheren Alter kann eine Verschlechterung des Geschmackssinns mit neurodegenerativen und kardiovaskulären Erkrankungen in Verbindung stehen. Auch der Ernährungszustand verschlechtert sich mitunter, weil das Essen nicht mehr schmeckt. Das klingt plausibel. Nur wie verändert sich das Sterberisiko tatsächlich?
Das wollten chinesische Forscher um Ruixin Zhu wissen. Grundlage ihrer bevölkerungsbasierte Kohortenstudie waren Daten der US National Health and Nutrition Examination Survey (2011 bis 2014) und Sterblichkeitsdaten des National Death Index (NDI).
Bei der Auswertung hat Zhus Team Daten von 7.340 Erwachsenen ab 40 Jahren eingeschlossen. Alle Probanden mussten angeben, ob sie süß, sauer, salzig und bitter wahrnehmen – oder nicht.
Insgesamt gaben 662 Studienteilnehmer (8,9 %) an, ihre Geschmackssinne hätten sich subjektiv verschlechtert. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 6,67 Jahren kam es in der Kohorte zu 1.011 Todesfällen. Demografische, sozioökonomische, Lebensstil-bezogene und medizinische Faktoren wurden statistisch berücksichtigt.
Nach dieser Korrektur fanden Wissenschaftler ein um 47 % erhöhtes Sterberisiko aus allen Gründen bei Personen mit Geschmacksverlust im Vergleich zu Kontrollen. Wer Salziges nicht schmecken konnte, hatte ein 65 % erhöhten Sterberisiko. Beim Verlust des Geschmackssinns für Saures war das Mortalitätsrisiko um 69 % erhöht. Ein erhaltener Geruchssinn konnte den Effekt auf die Sterblichkeit nicht ausgleichen.
In allen Fällen handelt es sich um Assoziationen – aber nicht um Kausalitäten. Zhu und Kollegen haben dennoch Vermutungen, warum ein Kausalzusammenhang möglich erscheint.
Zum Hintergrund: Ein beeinträchtigter Geschmackssinn kann das Essverhalten und die Gesundheit massiv beeinflussen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Fähigkeit, Geschmäcker wahrzunehmen, spürbar ab. So verringert sich die Anzahl und Empfindlichkeit der Geschmacksknospen auf der Zunge – und ihre Regeneration dauert länger.
Die Folge ist oft ein verändertes Essverhalten: Ohne Genuss essen ältere Menschen weniger; ihnen droht eine Mangelversorgung. Und wer Salziges schlechter schmeckt, neigt zu höherem Salzkonsum – ein Risikofaktor für Hypertonie und für kardiovaskuläre Folgen. Ohne die Wahrnehmung von Süßem wiederum laufen Menschen Gefahr, mehr Zucker zu sich zu nehmen als Personen mit intakten Sinnen. Ihnen drohen Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas, Typ-2-Diabetes oder ein metabolisches Syndrom. Ihr Mortalitätsrisiko steigt.
Stärken der Arbeit sind die große Kohorte und die solide Statistik, um mögliche Verzerrungen des Mortalitätsrisikos zu berücksichtigen. Dem stehen einige Limitationen gegenüber: So basiert die Arbeit auf subjektiven Einschätzungen durch Fragebögen, jedoch nicht auf Messungen des Geschmacks. Außerdem mussten Teilnehmer ab 40 Jahren rückblickend Veränderungen ihres Geschmacks- und Geruchssinns seit der frühen Erwachsenenzeit einschätzen, was zu möglichen Fehlern führen kann. Veränderungen wurden erst ab dem 25. Lebensjahr erfasst. Unklar bleibt, ob schon zuvor Veränderungen aufgetreten sind.
Trotz offener Fragen geben die Autoren Ärzten eine Botschaft an die Hand: „Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass ein subjektiver Geschmacksverlust, insbesondere von Salzigem und von Saurem, ein einfacher, aber wertvoller Indikator zur Identifikation von Personen mit erhöhtem Sterberisiko […] sein könnte.“ Sprich: Zusätzliche Untersuchungen oder engmaschigere Kontrollen machen bei diesen Patienten Sinn.
Zusammenfassung für Eilige
Ruixin Zhu et al. Perceived Taste Loss From Early Adulthood to Mid to Late Adulthood and Mortality. JAMA Otolaryngol, 2025. doi: 10.1001/jamaoto.2024.5072
Bildquelle: Sara Cervera, Unsplash