Ein Humanmediziner behandelt einen Pneumothorax. Doch die Sache wird brenzlig – nicht, weil es Komplikationen gibt, sondern weil es sich bei dem Patienten um eine Katze handelt. Warum dem Radiologen jetzt Ärger droht.
Ein Arzt für Menschen darf doch wohl auch mal ein Tier untersuchen und behandeln – oder etwa nicht? In Deutschland und vielen anderen Ländern ist die Behandlung von Tieren durch Humanmediziner streng geregelt. Wer als Humanmediziner meint, mit CT, Skalpell und Spritze die eigene Katze zu retten, muss mit Schwierigkeiten rechnen. Genau das ist in Italien passiert.
Dr. Gianluca Fanelli leitet die Radiologie am Krankenhaus Umberto Parini in Aosta. Am 27. Januar stürzt seine Katze aus dem Fenster sechs Stockwerke in die Tiefe und verletzt sich schwer. Der hinzugezogene Tierarzt findet mehrere Frakturen, einen möglichen Lungenkollaps – und vermutet innere Verletzungen. Doch eine exakte Diagnose ist nicht möglich, wohl aufgrund fehlender Möglichkeiten der Bildgebung. Was tun?
Der Radiologe Gianluca Fanelli hat seine Katze im Krankenhaus-CT untersucht und dann behandelt. Quelle: X (Twitter)Nur eine Computertomographie (CT) kann Klarheit schaffen – und Fanelli hat als leitender Radiologe Zugang zu einem Gerät. Der Arzt bringt seine Katze ins Krankenhaus, führt einen kurzen CT-Scan durch, diagnostiziert einen Pneumothorax und legt eine Thorax-Drainage an. Innerhalb weniger Minuten beginnt die Katze wieder normal zu atmen – ihr Leben ist gerettet.
Das gefiel nicht allen Beteiligten. Die Krankenhausleitung leitete disziplinarische Maßnahmen ein. Auch die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Es geht um mögliche Verstöße gegen Vorschriften zur Nutzung öffentlicher medizinischer Geräte sowie um hygienische Bedenken.
Der Radiologe bereut seine Entscheidung aber nicht und gibt sich kämpferisch: „Ich wusste, dass ich [meine Katze] retten kann. Hätte ich nichts getan und sie wäre gestorben, hätte ich mir das nie verziehen. Ich bin Arzt – mein Job ist es, Leben zu retten“, sagte er italienischen Medien. Er habe niemandem geschadet; der CT-Scanner sei auch gerade nicht in Betrieb gewesen. Kein (menschlicher) Patient hätte warten müssen.
Doch die Meinung ist gespalten: Während Behörden und Vorgesetzte Fanellis Handeln als unverantwortlich sehen, fragen sich andere, ob Bürokratie über Menschlichkeit triumphieren darf. Sollte ein Arzt dafür bestraft werden, dass er ein Leben gerettet hat – weil es sich „nur“ um eine Katze handelt?
Das Gesetz sagt klar: Humanmediziner, Hände weg vom Tier! In Deutschland darf nur ein approbierter Tierarzt medizinische Leistungen an Tieren erbringen. Das Tierschutzgesetz und die Berufsordnungen der Tierärztekammern verbieten es Humanmedizinern, einfach mal in die Rolle des Veterinärs zu schlüpfen.
Selbst wenn ein Humanmediziner genau weiß, wie eine Wunde zu nähen oder ein Bein zu schienen ist – ohne die spezielle tiermedizinische Ausbildung könnte er mehr Schaden als Nutzen anrichten. Wer trotzdem eingreift, riskiert Versicherungsprobleme, Bußgelder oder schlimmstenfalls den Entzug der ärztlichen Approbation.
Doch was passiert, wenn ein Tier in akuter Lebensgefahr schwebt und kein Tierarzt erreichbar ist? Hier kommt der rechtfertigende Notstand (§ 34 Strafgesetzbuch) zum Tragen: Nehmen Ärzte eine verbotene Handlung vor, um das geschützte Rechtsgut (z. B. das Leben des Tieres) zu retten, ist dies bedeutsamer als der Regelverstoß.
Damit sich ein Humanmediziner auf § 34 StGB berufen kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Tiere sind nach deutschem Recht zwar keine Sachen (§ 90a BGB), genießen aber nicht denselben Schutzstatus wie Menschen. Was für einen rechtfertigenden Notstand spricht, ist das Tierschutzgesetz (TSchG) mit dem Tierwohl als rotem Faden. Gerichtsurteile zur Abwägung zwischen Berufsrecht und rechtfertigendem Notstand konnte ich allerdings nicht finden.
Ansonsten bleibt es bei der Regel: Ärzte behandeln Menschen, Tierärzte behandeln Tiere – sonst drohen rechtliche Konsequenzen. Was denkt ihr darüber? Schreibt es in die Kommentare!
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