Über Unfruchtbarkeit bei Männern wird meist hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Welche Rolle die mentale Gesundheit für das Vaterwerden spielt – und warum es einen Tabubruch braucht.
Das Thema Unfruchtbarkeit ist ein immer größer werdendes Problem. Darüber gesprochen wird aber meist nur mit vorgehaltener Hand – insbesondere dann, wenn die Potenz des Mannes infrage gestellt wird. Dabei hat etwa jeder sechste Mann im reproduktivem Alter Probleme mit der eigenen Fruchtbarkeit. Auch in Deutschland sinkt die Geburtenrate in den letzten Jahren wieder stetig. Liegt’s an der Gesundheit unserer Männer?
Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit gibt es etliche – Mikroplastik, Luftverschmutzung, genetische Marker oder etwa ein ungesunder Lebensstil. Kurz gesagt: Alles, was unserer allgemeinen Gesundheit nicht guttut, kann auch der Fruchtbarkeit schaden und die Qualität der Spermien negativ beeinflussen.
Doch nicht nur Umwelteinflüsse und die physische Gesundheit spielen eine Rolle. Verschiedene Studien geben Hinweise darauf, dass Kinderlosigkeit maßgeblich auch durch die mentale Gesundheit von Männern beeinflusst werden kann (hier und hier). Daher sollten speziell Verhaltensweisen, die aus einer schlechten mentalen Gesundheit hervorgehen, größere Beachtung finden.
Mit Depressionen oder anderen psychischen Störungen geht häufig auch ein ungesunder Lebensstil einher, wie etwa übermäßiger Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch oder eine ungesunde Ernährung. Diese Verhaltensweisen können sich direkt auf die Qualität der Spermien auswirken. Zusätzlich können sie aber auch das reproduktive Verhalten beeinflussen, etwa durch eine verminderte Libido oder indem sie Erektionsprobleme hervorrufen.
Insbesondere Erektionsprobleme sind immer noch ein Tabuthema. Durch den zusätzlichen gesellschaftlichen Druck, der Maskulinität an der Potenz von Männern misst und das Image, dass Männer keine Schwäche zeigen dürfen, können sich Potenzprobleme noch weiter verhärten. Hinzu kommt die Erwartung von Partnern, die zusätzlichen Druck ausüben – und der Teufelskreis geht weiter.
Neben der Potenz können Depressionen und andere psychische Erkrankungen möglicherweise sogar direkt die Fruchtbarkeit beeinflussen. Dies konnte zumindest bereits in Mausstudien gezeigt werden: Waren die Mäuse Stress ausgesetzt, so war die Qualität ihrer Spermien messbar schlechter. Ob das auch für den Mensch gilt, muss jedoch zunächst noch erforscht werden.
Was hingegen die Qualität von Spermien und damit den Erfolg zum Vaterwerden ganz sicher beeinflusst, ist das Alter. Viele Männer fühlen sich erst später im Leben der Verantwortung des Vaterwerdens gewachsen und beginnen entsprechend spät mit der Familienplanung. Doch je älter Mann ist, desto niedriger auch sein Testosteronspiegel. Das beeinflusst wiederum auch Potenz und Fruchtbarkeit.
Auch wenn in diesem Bereich noch viel Forschung notwendig ist, um klare Zusammenhänge zu identifizieren, so wird dennoch deutlich, dass die mentale Gesundheit der Familienplanung zumindest indirekt Steine in den Weg legen kann. Daher ist ein offenerer Umgang mit dem Thema Fruchtbarkeit und mentale Gesundheit des Mannes unerlässlich, da dies für Betroffene dabei helfen kann, den verspürten Druck zu reduzieren.
Außerdem ist auch eine gute Aufklärung wichtig – insbesondere dann, wenn der Wunsch erst später im Leben auftritt. Zusätzlich sollte das Augenmerk bei unerfülltem Kinderwunsch neben Spermiogramm und anderen körperlichen Untersuchung auch auf die mentale Gesundheit gelegt werden.
Straub, V. J. et al. The interplay between male fertility, mental health and sexual function. Nature Reviews Urology, 2024. doi: 10.1038/s41585-024-00936-1
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