Sport ist gut für Körper und Geist. Doch wie viel Bewegung braucht es, um unser Gehirn vor Demenz zu schützen? Neue Studienergebnisse legen nahe, dass es weniger sein könnte als bisher gedacht.
Sport und Bewegung sind gesund – wer sich ausreichend bewegt, lebt nicht nur länger, sondern auch gesünder. Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten körperliche Aktivität pro Woche. Dabei sollten aerobe Aktivitäten, also Ausdauersportarten, mit mittlerer bis hoher Intensität ausgeübt werden. Alternativ kann man sich auch weniger bewegen: Bei Aktivitäten mit hoher Intensität reichen 75 bis 150 Minuten aus. Zusätzlich zum Ausdauersport wird mindestens zweimal pro Woche ein Krafttraining empfohlen. Wer die Empfehlungen umsetzen will, ist also eine ganze Weile beschäftigt. Unter anderem deshalb fällt es vielen Menschen schwer, sich in diesem Umfang zu bewegen.
Neben dem positiven Einfluss von Bewegung auf alle möglichen Gesundheitsrisiken von Krebs bis Herzinfarkt senkt vor allem regelmäßiger Ausdauersport auch das Risiko, an Demenz zu erkranken. Bei sportlich aktiven Menschen ist der Hippocampus größer als bei Bewegungsmuffeln. Der Hippocampus wiederum ist an der Speicherung von Informationen, also an der Gedächtnisfunktion, beteiligt.
Folglich haben Menschen, die Sport treiben, auch ein besseres Gedächtnis, wie verschiedene randomisierte kontrollierte Studien gezeigt haben. Aus Tierversuchen weiß man, dass Sport die Neuroplastizität fördert, also die Bildung neuer Verbindungen zwischen Nervenzellen. Indirekt schützt Sport das Gehirn auch über einen positiven Einfluss auf die Gefäßgesundheit. Eine Erkrankung der kleinen Blutgefäße im Gehirn, auch Mikroangiopathie genannt, ist häufig an der Entstehung von Demenz beteiligt. Sport beugt der Verkalkung dieser wichtigen Blutversorger vor und belohnt den Sportler so mit einem gesunden Gehirn und einem besseren Gedächtnis.
Wie es geht, ist also bekannt, die Schwierigkeit liegt in der Umsetzung. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass jede Bewegung besser ist als keine. So steht es auch in der WHO-Empfehlung. Auch für das Demenzrisiko gibt es Hinweise auf einen dosisabhängigen Effekt von körperlicher Aktivität: Je mehr Bewegung, desto weniger Demenz.
Die Mindestdosis an körperlicher Aktivität, die das Demenzrisiko signifikant senken kann, war bisher jedoch nicht bekannt. Mit der Frage, wie wenig Sport ausreicht, um das Risiko zu senken, beschäftigte sich eine Studie, deren Ergebnisse kürzlich veröffentlicht wurden.
Um diese Frage zu beantworten, untersuchten die Forscher Teilnehmer der großen UK Biobank Studienkohorte. In diese Kohorte wurden mehr als eine halbe Million Personen aufgenommen. Ziel war es, nach Risikofaktoren für die großen Volkskrankheiten zu suchen. Von allen Studienteilnehmern wurden umfangreiche Informationen durch Fragebögen und Messungen erhoben und zusätzlich Blutproben entnommen. Eine Untergruppe erhielt zusätzlich einen Bewegungssensor am Handgelenk, um objektiv messen und dokumentieren zu können, wie aktiv die Studienteilnehmer sind. Für die Studie konnten die Daten von knapp 100.000 Personen mit Bewegungsdaten ausgewertet und mit dem Risiko einer späteren Demenzerkrankung korreliert werden.
Die eingeschlossenen Personen waren zum Zeitpunkt der Bewegungsmessung im Durchschnitt 63 Jahre alt. Die durchschnittliche Dauer der körperlichen Aktivität mit mittlerer bis hoher Intensität betrug knapp 90 Minuten pro Woche. Während der Nachbeobachtungszeit traten 700 Fälle von Demenz auf. Die Ergebnisse wurden für verschiedene mögliche Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten korrigiert.
Es zeigte sich erneut ein dosisabhängiger Effekt von Ausdauersport auf das spätere Demenzrisiko: Pro 30 Minuten körperlicher Aktivität sank das Risiko um 4 %. Auch in der Gruppe, die nur 1 bis 35 Minuten pro Woche körperlich aktiv war, sank das Demenzrisiko signifikant. Bei 35 bis 70 Minuten pro Woche war der Effekt noch deutlich größer. Und auch in den Gruppen mit 70 bis 140 und mehr als 140 Minuten Sport pro Woche sank das Risiko weiter, allerdings war der Unterschied nicht mehr so groß.
Risiko für die Entwicklung einer Demenz in Abhängigkeit der körperlichen Aktivität. Die obere Kurve stellt das kumulative Auftreten von Demenz bei Personen, die sich überhaupt nicht körperlich betätigten, dar. Darunter folgen die Kurven für 1-35, 35-70, 70-140 und mehr als 140 Minuten Sport pro Woche. Credits: Wanigatunga et al, JAMDA, 2024.
Die Ergebnisse der Studie bestätigen das Motto „Alles ist besser als nichts“ in Bezug auf Bewegung und Sport. Die absolute Risikoreduktion ist deutlich größer, wenn mit regelmäßigem Ausdauersport begonnen wird, als wenn gar keine Aktivität stattfindet. Im Vergleich dazu ist der Effekt geringer, wenn eine bereits in geringem Umfang aktive Person ihr Trainingspensum weiter erhöht. Besonders interessant ist, dass die Ergebnisse auch für Menschen gelten, die bereits viele gesundheitliche Einschränkungen haben. Unabhängig von Alter und Einschränkungen ist körperliche Aktivität immer empfehlenswert.
Eine Stärke der Studie ist die objektive Messung mit dem Bewegungssensor. Viele andere Beobachtungsstudien basieren auf Angaben der Studienteilnehmer, die oft ungenau sind. Zudem lieferte die UK Biobank Kohorte eine breite Datenbasis von fast 100.000 Studienteilnehmern. Andererseits ist es bei Beobachtungsstudien immer möglich, dass bestimmte unbekannte Faktoren die Ergebnisse verzerren, auch wenn möglichst viele Parameter wie Alter und Komorbiditäten berücksichtigt wurden.
So wäre es theoretisch auch denkbar, dass die Kausalkette in die entgegengesetzte Richtung verläuft. Vielleicht führt nicht der Sport zu weniger Demenz, sondern die Demenz im Prodromalstadium, die von den Betroffenen noch nicht bemerkt wird, aber dennoch zu subtilen Verhaltensänderungen führen kann, zu weniger Sport. Auch mit diesen möglichen Einschränkungen sind die Ergebnisse ein starkes Argument dafür, in Zukunft verstärkt auf Sport als Prävention bei Demenz zu setzen.
Quellen:
Wanigatunga AA et al. Moderate-to-Vigorous Physical Activity at any Dose Reduces All-Cause Dementia Risk Regardless of Frailty Status. J Am Med Dir Assoc. 2025. doi: 10.1016/j.jamda.2024.105456
Collins R.: What makes UK Biobank special? Lancet, 2012. doi: 10.1016/S0140-6736(12)60404-8
Ahlskog JE et al. Physical exercise as a preventive or disease-modifying treatment of dementia and brain aging. Mayo Clin Proc, 2011. doi: 10.4065/mcp.2011.0252
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