Seit 2022 übernehmen Kassen meist den Trisomietest. Selbst bei Müttern, die nur das Geschlecht wissen wollen, wird er zunehmend durchgeführt. Doch gerade bei jüngeren Frauen ist er häufig falsch positiv – was zu Verunsicherungen führt. Ein Überblick.
Der nicht-invasive Pränataltest (NIPT), vereinfacht Trisomietest genannt, ist seit dem 1. Juli 2022 eine Kassenleistung. Die Einschlusskriterien der mütterlichen Blutuntersuchung auf fetale Trisomien 21, 13 und 18 sind uneindeutig formuliert, sodass kaum eine Untersuchung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen abgelehnt werden kann. Das führt aus verschiedenen Gründen zu Verunsicherungen und steigenden Kosten.
Durch moderne Ultraschalltechniken und neue Laboranalysen wird die Entdeckung von kindlichen Chromosomenstörungen und Fehlbildungen immer früher in der Schwangerschaft möglich. Lange Zeit galt das sogenannte Ersttrimester-Screening (ETS) im Zeitraum von 11+0 bis 13+6 SSW als Standardmethode, um kindliche Beeinträchtigungen frühzeitig zu diagnostizieren. Dies beinhaltet:
Hinzugekommen sind die Möglichkeit der zellfreien DNA-Analyse (nicht-invasiver Pränataltest, NIPT) auf Trisomie 21, 18 und 13 im mütterlichen Blut und eine Analyse für das individuelle Präeklampsierisiko.
Die Leitlinie fordert, dass jedes Ersttrimester-Screening die Suche nach Chromsomenstörungen und Fehlbildungen, das Risiko für eine Präeklampsie und bei Indikation auch die Suche nach weiteren Schwangerschaftskomplikationen beinhalten soll.
Das Ersttrimester-Screening ist prinzipiell eine Selbstzahlerleistung (IGeL). Die Indikation für den Bluttest auf Trisomien ist uneindeutig formuliert und findet daher seit Juli 2022 meist als Kassenleistung statt.
Bei der berechtigten Sorge, ob das erwartete Kind gesund ist, denkt die Mehrzahl der werdenden Eltern an eine Chromosomenstörung, insbesondere eine Trisomie 21 (Down-Syndrom).
Das Krankheitsbild der Trisomie 21 reicht von nur leichten Beeinträchtigungen bis hin zu schwereren Formen körperlicher und geistiger Behinderung. Fakultativ werden Herzfehler, Wachstumsdefizite und Intelligenzminderungen in unterschiedlicher Ausprägung diagnostiziert. Dysmorphiezeichen wie nach lateral ansteigende Lidachsen, Makroglossie und Veränderungen an Händen und Füßen sind möglich. Lebenserwartung und Selbständigkeit hängen maßgeblich vom Grad der Beeinträchtigung und der individuellen Förderung ab.
Die Trisomien 18 (Edwards-Syndrom) und 13 (Pätau-Syndrom) sind seltene, mit multiplen Fehlbildungen vergesellschaftete und stark lebensverkürzende Chromosomenstörungen.
Das individuelle Risiko für diese Trisomien ist vom mütterlichen Alter abhängig. So liegt das Risiko einer Trisomie 21 bei einer 20-Jährigen bei etwa 1:1.200 und steigt bei einer 40-Jährigen auf etwa 1:100. Die Risiken für Trisomie 18 liegen analog dazu bei etwa 1:5.000 und 1:300, für Trisomie 13 bei etwa 1:10.000 und 1:700.
Die Häufigkeit einer Trisomie 21 liegt insgesamt bei 0,24 %, einer Trisomie 18 bei 0,06 % und einer Trisomie 13 bei 0,03 %.
Das Gesamtrisiko einer Chromosomenstörung liegt bei etwa 1:120 bei einer 20-jährigen und bei 1:40 bei einer 40-jährigen Frau.
Daneben gibt es nicht-chromosomale Fehlbildungen u.a. des Herzens, der Harnwege oder des Zentralnervensystems. Weiterhin können mütterliche Erkrankungen, wie etwa eine Rötelninfektion oder ein Gestationsdiabetes, zu Fehlbildungen führen.
Die Häufigkeitsrate kindlicher Fehlbildungen liegt bei etwa 2,6 %. Das Risiko für eine strukturelle Fehlbildung liegt somit bei etwa 1:40 und ist altersunabhängig.
Das Risiko für eine strukturelle Fehlbildung ist also erheblich größer als das Risiko einer Trisomie.
Der positive prädiktive Wert (PPV) spiegelt den Anteil der tatsächlich erkrankten Kinder bei positivem Testergebnis wider und ist stark von der Prävalenz der Erkrankung abhängig. Da die zu untersuchenden Trisomien vom mütterlichen Alter abhängig sind, ist auch der positive Vorhersagewert in den verschiedenen Alterskategorien unterschiedlich.
Bei einer 20-jährigen Schwangeren liegt der PPV für eine Trisomie 21 bei 70 %, bei einer 40-jährigen bei 97 %. Aufgrund der niedrigeren Prävalenz der Trisomien 18 und 13 ist der PPV hier entsprechend geringer. Dies erklärt die altersabhängig abweichende Zuverlässigkeit der Testergebnisse:
Bei jüngeren Frauen fällt der Trisomietest häufiger falsch positiv aus als bei älteren Schwangeren. Dies führt zu einer enormen Verunsicherung und hat eine invasive Diagnostik mittels Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie zur Folge.
Auch ein erhöhtes mütterliches Körpergewicht beeinflusst die Aussagekraft des Testergebnisses. Hier ist die Rate nicht auswertbarer Befunde größer als bei Schwangeren mit Normalgewicht.
Marina Mohr, Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Bremen, beschreibt Veränderungen in der psychosozialen Beratung zu Pränataldiagnostik seit der Einführung des NIPT. Bei einem auffälligen Testergebnis gerieten die Schwangeren in umfassende Krisen und Schockzustände.
„Wir erleben eine große Hoffnungslosigkeit“, so Mohr. Als erster Impuls dränge sich bei Betroffenen der Gedanke an einen Schwangerschaftsabbruch auf, um diesen Albtraum zu beenden. Ein unauffälliger NIPT sei zur Garantie für ein gesundes Kind geworden.
Über voreilige Schwangerschaftsabbrüche ohne Verifizierung des Testergebnisses wird zunehmend berichtet.
In einer Multicenter-Studie gaben knapp 20 % der Teilnehmerinnen an, dass ihr primärer Beweggrund die fetale Geschlechtsbestimmung ist. Der eigentliche Trisomietest, Kostenfaktor etwa 240 € pro Anwendung, wurde von der Krankenkasse finanziert. Experten gehen von einer jährlichen Belastung der GKV-Ausgaben durch den NIPT in Millionenhöhe aus.
Im Oktober 2024 gab es diesbezüglich eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages.
Es wurde nicht der NIPT grundsätzlich infrage gestellt, sondern die Folgen der Finanzierung durch die GKV seit 2022 diskutiert. Demnach gebe es Hinweise, dass Schwangere einen NIPT ohne medizinische Relevanz in Anspruch nehmen würden und nicht ausschließlich in begründeten Einzelfällen, wie es vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehen war. Es gäbe Anzeichen, dass seit der NIPT-Kassenzulassung die invasive Folgediagnostik, wie Amniozentesen, zur Abklärung eines positiven Befunds zugenommen hätte. Man fürchte, die Tests würden zu einem Screening ausgeweitet, was keineswegs die Intention des Gemeinsamen Bundesausschusses war.
Die Entdeckungsrate von kindlichen Beeinträchtigungen verlagert sich immer mehr in die Frühschwangerschaft. Da strukturelle Fehlbildungen weitaus häufiger sind als Chromosomenstörungen, wiegt der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) werdende Eltern in falscher Sicherheit.
Daher gehören zu einer effektiven Diagnostik in der Frühschwangerschaft insbesondere die Ultraschalldiagnostik mit fetaler Nackentransparenz, ferner die Risikoermittlung für eine Präeklampsie.
Die mütterliche Blutuntersuchung auf die drei gängigen Trisomien 21, 18 und 13 ist nicht als Screeningmethode geeignet. Bei älteren Schwangeren kann ein NIPT durchaus sinnvoll sein, bei jüngeren Frauen führt die erhöhte Falsch-positiv-Rate zu mehr invasiven Folgeeingriffen samt Komplikationen. Der zusätzliche Kostenfaktor ist nicht unerheblich, die psychosoziale Verunsicherung schwerwiegend.
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