Deutsche schlafen schlecht – doch Therapeuten fehlen und Medikamente haben teils heftige Nebenwirkungen. Könnten beschwerte Decken Erleichterung bringen?
Schlafstörungen sind eine Volkskrankheit. Nach Angaben der Krankenkassen leiden etwa 7% aller Deutschen an einer diagnostizierten Schlafstörung – Tendenz steigend. Entsprechend groß ist der Bedarf an wirksamen Therapien. Als Therapie der ersten Wahl wird in Leitlinien die kognitive Verhaltenstherapie der Insomnie, kurz KVT-I, empfohlen.
Die KVT-I setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen, unter anderem werden Entspannungstechniken und Methoden zur Schlaf-Wach-Strukturierung erlernt. Erst wenn die KVT-I versagt, soll nach den Empfehlungen eine pharmakologische Behandlung erwogen werden. Die Versorgungsrealität sieht jedoch so aus, dass das Angebot an Therapeuten, die eine KVT-I durchführen, bei weitem nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Daher werden medikamentöse Therapieversuche häufig auch ohne vorherigen Versuch einer KVT-I durchgeführt.
Die Probleme der medikamentösen Behandlung von Schlafstörungen sind bekannt: Abhängigkeitspotential, Schwindel mit erhöhter Sturzgefahr und rein symptomatische Behandlung ohne Bekämpfung der Ursache, um nur einige zu nennen. Andere, nicht-pharmakologische Maßnahmen erscheinen schonender und werden daher häufig versucht, zum Teil mit großem individuellem Erfolg. In der deutschen Leitlinie zu Schlafstörungen heißt es jedoch zu alternativen Verfahren wie Akupunktur, Aromatherapie oder Meditation, dass diese aufgrund unzureichender Datenlage nicht empfohlen werden können. Die Leitlinie stammt aus dem Jahr 2016 und wird derzeit überarbeitet – möglicherweise wird die Neubewertung alternativer Verfahren zu Änderungen führen.
Eine physikalische Methode, die bei Schlafproblemen helfen soll, sind so genannte Gewichtsdecken. Dabei handelt es sich um Bettdecken, die mit Kunststoffkügelchen gefüllt und dadurch schwerer als normale Bettdecken sind. Gewichtsdecken sind so beliebt und im Mainstream angekommen, dass sie sogar von einem bekannten schwedischen Möbelhändler angeboten werden. Sie werden damit beworben, dass „der tiefe Druck beruhigend wirkt und man wie in einem schützenden Kokon schläft“. Dahinter steckt das Konzept der Deep Pressure Stimulation: Sanfter, gleichmäßiger Druck soll das parasympathische Nervensystem aktivieren, Stresshormone abbauen und die Ausschüttung von Serotonin und Melatonin fördern – so weit die Theorie. Doch gibt es wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit?
In einer aktuellen Studie wurde der Einsatz von Decken bei depressiven Patienten mit zusätzlichen Schlafstörungen untersucht. Schlafstörungen sind bei Depression sehr häufig und führen zu einem hohen Leidensdruck, so dass hier ein besonderer Bedarf an wirksamen Therapien besteht. An der Studie nahmen 45 Personen teil, die nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt wurden.
Zunächst schlief die eine Gruppe zwei Wochen lang unter einer mit 7 kg Plastikkügelchen beschwerten Decke, die zweite Gruppe unter einer normalen Decke. In den folgenden zwei Wochen wurde getauscht, so dass beide Gruppen die Gewichtsdecke benutzten, jedoch in unterschiedlicher Reihenfolge. Jeder Teilnehmer fungierte somit als seine eigene Kontrolle. Dieses Crossover-Design erlaubt eine besonders aussagekräftige Auswertung bei kleinen Stichproben, da individuelle Unterschiede herausgerechnet werden. Primärer Endpunkt war die Veränderung der nächtlichen Schlafdauer.
Das Ergebnis zeigte einen Vorteil für die Gewichtsdecken: Mit ihnen schliefen die Studienteilnehmer im Durchschnitt knapp 13 Minuten länger, der Unterschied war statistisch signifikant. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Stichprobe klein und der Effekt überschaubar war. Zudem wurde die Studie zur Hälfte vom Hersteller der Gewichtsdecken finanziert.
Gewichtsdecken wurden bereits in zahlreichen weiteren, meist ebenfalls kleineren Studien untersucht. Die meisten Studien wurden bei Menschen mit verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen wie ADHS oder Autismus-Spektrum-Störungen durchgeführt. Einem aktuellen Review zufolge können die Decken bei diesen Erkrankungen helfen, die Schlafqualität zu verbessern. Darüber hinaus zeigte sich auch eine Wirkung auf Symptome der Grunderkrankung, z. B. auf die Konzentrationsfähigkeit bei ADHS.
Aber auch bei Menschen, die „nur“ unter Schlaflosigkeit leiden, zeigte sich in den meisten Studien ein (meist kleiner) positiver Effekt. Eine generelle Empfehlung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, da die meisten Studien eine geringe Teilnehmerzahl hatten und häufig nicht randomisiert-kontrolliert waren, so dass das Risiko einer Verzerrung der Ergebnisse generell als hoch eingeschätzt wurde.
Im Gegensatz zu medikamentösen Alternativen haben die Gewichtsdecken in der Regel keine Nebenwirkungen. Und da Schlafprobleme sehr heterogen sind und individuell sehr unterschiedliche Ursachen haben können, kann der Einsatz von Gewichtsdecken im Einzelfall einen Versuch wert sein – auch wenn harte wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit fehlen.
Die Leitlinie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Heidbreder A. Chronische Insomnie - alte, neue und zukünftige Therapieoptionen. InFo Neurologie, 2023. doi: 10.1007/s15005-023-3275-y.
Kristiansen ST et al. The efficacy of ball blankets on insomnia in depression in outpatient clinics: A randomised crossover multicentre trial. J Sleep Res., 2024. doi: 10.1111/jsr.14238.
Yu J et al. The effect of weighted blankets on sleep and related disorders: a brief review. Front Psychiatry, 2024. doi: 10.3389/fpsyt.2024.1333015.
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