Die Fahndung nach der Parkinson-Ursache spitzt sich zu. Nachdem zuletzt der Darm im Zentrum der Ermittlungen stand, gibt es jetzt einen neuen Verdächtigen. Woher kommt die Theorie – und was ist dran?
Die Parkinson-Krankheit ist eine chronische neurodegenerative Erkrankung. Die bekanntesten Symptome sind Bewegungsstörungen. Den Betroffenen fällt es schwer, flüssige und schnelle Bewegungen auszuführen. Der Gang wird kleinschrittig und stockend, auch andere Bewegungen fallen im Verlauf der Krankheit immer schwerer. Die Ursache: ein Mangel an Dopamin. Im Gehirn gehen bei der Parkinson-Krankheit verschiedene Nervenzellarten zugrunde.
Besonders betroffen sind die Nervenzellen der Substantia nigra. Die Substantia nigra ist eine Region tief im Gehirn, die eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Bewegungen spielt. Ihren Namen, der übersetzt „schwarze Substanz“ bedeutet, verdankt sie der dunklen Färbung durch einen speziellen Farbstoff in den dort lokalisierten Nervenzellen. Diese Zellen produzieren den Botenstoff Dopamin, dessen Mangel bei Parkinson-Patienten zu den typischen Bewegungsstörungen führt.
Doch warum wird die Substantia nigra neben anderen Hirnregionen bei Parkinson geschädigt? In den betroffenen Nervenzellen finden sich Ablagerungen von fehlgefalteten Eiweißmolekülen, dem α-Synuclein. α-Synuclein ist normalerweise ein kleines und gut lösliches Eiweißmolekül, das bei der Signalübertragung zwischen verschiedenen Nervenzellen eine Rolle spielt.
Bei der Parkinson-Krankheit verändert sich das α-Synuclein: Es verklumpt zu unlöslichen, fehlgefalteten Eiweißablagerungen. Die verklumpten Proteine stören die Funktion der Nervenzellen, schädigen sie und führen langfristig zu ihrem Absterben. Warum α-Synuclein verklumpt, ist eine der zentralen Fragen der Parkinson-Forschung. Es gibt Hinweise, dass genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und Störungen der Zellreinigung eine Rolle spielen.
Zu den motorischen Symptomen kommen bei Parkinson-Patienten verschiedene nicht-motorische Symptome wie Depressionen, Schlafstörungen und Darmträgheit mit Obstipationsneigung. Diese nicht-motorischen Symptome haben zum Teil ebenso wie die motorischen Symptome ihren Ursprung im Gehirn. Neben der Substantia nigra sind bei der Parkinson-Krankheit auch andere Hirnareale geschädigt, was zu unterschiedlichen Symptomen führen kann. Die häufige Obstipation zeigt jedoch, dass die Parkinson-Krankheit nicht nur das Nervensystem betrifft, sondern vielmehr als eine systemische Erkrankung angesehen werden muss.
Der Ursprung der Parkinson-Krankheit muss nicht im Gehirn liegen. Eine Hypothese besagt, dass zumindest bei einem Teil der Betroffenen der Ursprung im Darm liegt. Demnach entsteht das fehlgefaltete α-Synuclein zunächst im Darm und wird dann über den Vagusnerv, einer langen Nervenverbindung zwischen Gehirn und Magen-Darm-Trakt, ins Gehirn transportiert, wo die Krankheit dann mit den bekannten Symptomen fortschreitet.
Für diese Theorie spricht, dass das Parkinson-Risiko bei Patienten, bei denen der Nervus vagus operativ durchtrennt wurde, signifikant geringer ist als in der Durchschnittsbevölkerung. Außerdem gibt es deutliche Unterschiede in der Darmflora zwischen Parkinson-Patienten und Gesunden. Diese Überlegungen haben sogar dazu geführt, dass die Wiederherstellung eines gesunden Darmmikrobioms durch Stuhltransplantation in der Parkinson-Therapie erprobt wird (hier haben wir darüber berichtet).
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht nur der Darm, sondern auch die Nieren eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielen könnten. Schon länger ist bekannt, dass Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz ein erhöhtes Risiko haben, an Parkinson zu erkranken. Um diesem Zusammenhang auf den Grund zu gehen, untersuchten die Wissenschaftler aus dem chinesischen Wuhan Gewebe von verstorbenen Parkinson- und Niereninsuffizienz-Patienten. Und siehe da: In den Nieren von Parkinson-Patienten fanden sich Ablagerungen von α-Synuclein. Das könnte auch daran liegen, dass ein Teil des veränderten α-Synuclein bei Parkinson über die Nieren ausgeschieden wird.
Aber auch bei Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz, die nicht an Parkinson erkrankt waren, fanden sich bei pathologischen Untersuchungen in den meisten Fällen α-Synuclein-Ablagerungen in den Nieren. Bei einigen dieser Personen konnten die Ablagerungen auch im Gehirn nachgewiesen werden, ohne dass zu Lebzeiten Symptome einer Parkinson-Erkrankung vorlagen.
Die neue Hypothese lautet also wie folgt: Bei gesunden Menschen filtert die Niere krankhaftes α-Synuclein, das aus unbekannten Gründen entsteht, aus dem Blut und sorgt dafür, dass es ausgeschieden wird und keinen Schaden anrichten kann. Bei Niereninsuffizienz ist dieser Reinigungsmechanismus eingeschränkt. Die Ablagerungen sammeln sich zunächst in den Nieren und gelangen von dort über die Nervenbahnen ins Gehirn, wo sie wiederum die Nervenzellen schädigen und zu den typischen Parkinson-Symptomen führen.
Weitere Hinweise für diese Hypothese fanden die Forscher in Untersuchungen an Mäusen. Wurde gesunden Mäusen künstliches α-Synuclein intravenös gespritzt, wurde es rasch über die Nieren ausgeschieden. Bei Mäusen mit eingeschränkter Nierenfunktion sammelte es sich dagegen in den Nieren an – und war später auch im Gehirn nachweisbar. Diese Ausbreitung ins Gehirn konnte verhindert werden, indem die Nervenverbindungen zwischen Niere und Gehirn durchtrennt wurden.
Es ist bekannt, dass die Parkinson-Krankheit nicht immer vom Gehirn ausgeht. Neben dem Darm scheint der Ursprung auch in den Nieren zu liegen. Vor allem, wenn die Nieren im Rahmen einer chronischen Insuffizienz nicht richtig arbeiten, kann dies zur Entstehung von Parkinson beitragen. Neue Therapien, die die Nieren dabei unterstützen, fehlgefaltetes α-Synuclein aus dem Blut zu entfernen, sind ein interessanter Ansatz für die Therapie und Prävention der Parkinson-Krankheit.
Bildquelle: Marten Newhall, Unsplash