Wer sehr früh oder mit extrem niedrigem Gewicht zur Welt kommt, hat im späteren Leben seltener Kinder – aber nicht, weil es biologisch unmöglich wäre. Was einer Elternschaft noch im Weg steht, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende eine Zusammenfassung.
Dank moderner Medizin überleben heute immer mehr Kinder, die deutlich zu früh – also vor der 32. Schwangerschaftswoche – oder mit sehr geringem Geburtsgewicht auf die Welt kommen. Nur haben viele Frühgeborene ein erhöhtes Risiko für viele Erkrankungen, oft Jahre oder Jahrzehnte nach der Geburt.
Besonders häufig sind chronische Lungenerkrankungen, weil sich die Lunge in der Frühschwangerschaft noch nicht vollständig entwickelt hat. Auch das Herz-Kreislauf-System zeigt langfristige Veränderungen. Frühgeborene haben zudem ein erhöhtes Risiko für Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes und das metabolische Syndrom, vor allem, wenn sie im Kindesalter bereits übergewichtig sind. Nicht zu unterschätzen sind auch neurologische und psychische Langzeitfolgen. Viele Frühgeborene zeigen im späteren Leben leichte kognitive Einschränkungen, etwa bei der Konzentration oder beim abstrakten Denken. Im Erwachsenenalter ist zudem das Risiko für Autoimmunerkrankungen oft erhöht.
Doch beeinflusst eine frühe Geburt auch spätere Elternschaften? Dieser Frage sind Wissenschaftler jetzt nachgegangen – mit überraschenden Ergebnissen.
Die Forscher haben 414 Erwachsene bis zum Alter von 34 oder 35 Jahren begleitet. 212 von ihnen waren sehr früh oder mit sehr niedrigem Geburtsgewicht geboren worden, die übrigen 202 wurden termingerecht geboren und bildeten die Kontrollgruppe.
Das zentrale Ergebnis: Insgesamt hatten Menschen aus der Frühgeborenengruppe deutlich seltener ein leibliches Kind. Bis zum Alter von 30 Jahren unterschieden sich die Geburtenraten der beiden Gruppen kaum. Erst danach zeigte sich, dass die Frühgeborenengruppe seltener Kinder bekam. Interessanterweise hatten Teilnehmer der Frühgeborenengruppe, die Kinder bekamen, ihr erstes Kind sogar tendenziell etwas früher als die Vergleichsgruppe. Das deutet darauf hin, dass viele von ihnen durchaus eine frühe Familiengründung anstreben – es aber möglicherweise nicht realisieren können.
Ein zentraler Faktor war die Partnerschaft: Menschen, die verheiratet waren oder mit einem Partner zusammenlebten, hatten deutlich häufiger Kinder – unabhängig davon, ob sie selbst früh oder termingerecht geboren wurden.
Tatsächlich war die fehlende Partnerschaft der stärkste erklärende Faktor für die höhere Kinderlosigkeit in der Gruppe der Frühgeborenen. Weitere Einflussgrößen waren neurologische Einschränkungen aus der Kindheit sowie das Bildungsniveau. Als besonders relevant erwiesen sich neurosensorische Einschränkungen (z. B. Hörverlust, Sehbehinderung oder kognitive Beeinträchtigungen). Sie waren mit deutlich häufigerer Kinderlosigkeit assoziiert – insbesondere im späteren Erwachsenenalter.
Die geringe Kinderrate bei Menschen, die sehr früh oder mit sehr niedrigem Geburtsgewicht geboren wurden, lässt sich also nicht nur mit medizinischen Faktoren erklären. Soziale Aspekte wie Bildung, Partnerschaft und frühkindliche Entwicklung spielen eine zentrale Rolle.
Bleibt als Fazit: Menschen, die sehr früh oder mit sehr geringem Gewicht zur Welt kommen, haben im späteren Leben ein erhöhtes Risiko, kinderlos zu bleiben – vor allem, wenn sie keinen festen Partner finden oder gesundheitliche Einschränkungen aus der Kindheit haben. Frühzeitige soziale Unterstützung und individuelle Förderung könnten helfen, ihre Chancen auf ein erfülltes Familienleben zu verbessern.
Die Autoren schlagen – eher unorthodox für die Wissenschaft – vor, Menschen zu ihrem Sozial- und Liebesleben zu beraten. Als Beispiel nennen sie neue, digitale Wege der Partnersuche. Doch Interviews mit Frühgeborenen, die mittlerweile das Erwachsenenalter erreicht haben, zeigen noch einen weiteren Faktor, der bei Partnerschaften eine Rolle spielen könnte. Nämlich: Welche Bedeutung die Frühgeburt für Menschen hat. Diese hängt stark davon ab, wie die Familie im Alltag damit umgeht.
Aus dem Datenmaterial lassen sich drei unterschiedliche Ansätze herausarbeiten:
Diese Themen spiegeln unterschiedliche Erfahrungen wider – positiv, neutral oder negativ. Hier kann psychologische Unterstützung Sinn machen, damit Menschen stabile Partnerschaften aufbauen.
Das Wichtigste auf einen Blick
Bildquelle: Maroesja Kuut, Unsplash