Ein junger Mann wird bewusstlos aufgefunden, im EKG zeigt sich ein kompletter AV-Block. Die Ärzte stabilisieren ihn, aber suchen erfolglos nach der Ursache – bis sie ihm die entscheidende Frage stellen.
Ein 21-jähriger Mann wird bewusstlos aufgefunden. Er ist mit 20 Schlägen/Minute bradykard, im EKG zeigt sich ein kompletter AV-Block mit diffusen T-Wellen-Anomalien. Eine Anamneseerhebung ist nicht möglich, die Ursache der Bradykardie unklar.
Bild 1: komplette A-V-Dissoziation bei Aufnahme
Die weiteren Untersuchungen sind nicht eindeutig wegweisend. Das Troponin T ist normwertig; das NT-proBNP mit 1.623 pg/ml etwas erhöht. Das Blutbild, die Serumelektrolyte und die Nierenfunktion sind unauffällig. Die Infektwerte zeigen ein erhöhtes CRP von 17,7 mg/dl. Die Urintoxikologie ergibt keine Hinweise auf Drogenmissbrauch. Der TSH-Wert liegt im Normbereich (3,9 mIU/L). Die Echokardiographie ergibt einen gute linksventrikuläre Funktion mit einer Ejektionsfraktion von 58 % ohne regionale Wandbewegungsstörungen.
Die Herzfrequenz bessert sich erst unter Isoprenalin-Gaben, zusätzlich wird ein passagerer Schrittmacher eingeschwemmt. Nach Stabilisierung des Patienten suchen die Ärzte weiter nach der Ursache. Unter Normofrequenz klart der junge Mann auf und verneint die Fragen nach akutem Brustschmerz oder Kurzatmigkeit sowie nach Vorerkrankungen oder Drogenkonsum in letzter Zeit. Eine ausführliche Reiseanamnese ergibt schließlich den entscheidenden Hinweis: Bis vor zwei Wochen hat sich der Patient in einem Borreliose-Endemiegebiet aufgehalten.
Tatsächlich ist der Test auf Lyme-IgM-Antikörper positiv, der IgG-Test noch negativ. Nach Konsultation der zuständigen Infektiologin werden zusätzliche Tests auf durch Zecken übertragene Infektionen durchgeführt, die einen positiven Babesia-microti-IgG-Titer ergeben. Es wird umgehend eine intravenöse Ceftriaxon-Gabe von 2 g/d eingeleitet.
Auf der Intensivstation bleibt die Hämodynamik des Patienten unter transvenöser Stimulation stabil. Der atrioventrikuläre Block verbessert sich im Laufe der nächsten 7 Tage allmählich, sodass er eine 1:1-Überleitung hat, ohne dass eine externe Stimulation erforderlich ist. Angesichts der zufriedenstellenden Verbesserung seines Zustands wird er entlassen, die antibiotische Therapie soll mindestens bis 14 Tage nach Symptombeginn fortgesetzt werden.
Bild 2: AV-Block I° am 8. Tag nach Aufnahme
Abschließend beschreiben die behandelnden Ärzte diesen Fall als gutes Beispiel für den Stellenwert einer akribischen Anamneseerhebung. In Kombination mit gründlichen klinischen und labormedizinischen Untersuchungen sei dies entscheidend für die Diagnosestellung einer so ungewöhnlichen Präsentation einer Borreliose.
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