Exzessiver Sport in jungen Jahren, Genetik oder eine schlechte Haltung – ein Buckel kann verschiedene Ursachen haben. Wie man den Morbus Scheuermann richtig diagnostiziert und behandelt, lest ihr hier.
„Gerade sitzen!“ Die Ermahnung zur aufrechten Körperhaltung, die aus der pädagogischen Mottenkiste zu stammen scheint, ist hochaktuell. Wenn Kinder und Jugendliche stundenlang gebeugt sitzen, die Brustmuskulatur schwächelt oder das Material der Wirbelsäule genetisch bedingt von minderer Qualität ist, können sich am Ende Bandscheiben und Wirbelkörper so verformen, dass dauerhaft ein Buckel entsteht. Ursache eines Buckels kann aber auch eine brachiale Beanspruchung der Wirbelsäule durch frühen Leistungssport wie Gewichtheben und Skifahren sein.
Alles Wissenswerte zum runden Rücken fasst die eben veröffentlichte S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Adoleszentenkyphose (Morbus Scheuermann) bei Kindern und Jugendlichen“ unter Federführung der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft zusammen. Sie trägt zwar die Bezeichnung Version 2.0, aber da die S1-Vorläuferversion von 2009 nicht verlängert wurde, gilt sie als neue Leitlinie.
Eine Kyphose der Brustwirbel und eine Lordose der Lendenwirbel sind für die Statik der Wirbelsäule wichtig und gesund, aber ein Zuviel an Biegung ist nicht nur unschön, sondern kann auch zu Schmerzen und im Extremfall zu Atemproblemen und stark verminderter Lebensqualität führen. Aber Achtung: „Diese Verminderung ist erstaunlicherweise meist gering und korreliert nicht mit dem Grad der Kyphose.“ Selbst bei starken Verkrümmungen sind die Schmerzen zwar heftiger, aber weder das Selbstbewusstsein noch die Alltagsgestaltung scheinen einer Studie zufolge groß darunter zu leiden.
Um Morbus Scheuermann von anderen Krankheiten sowie einer lediglich „schlechten Haltung“ abzugrenzen, bieten sich unter anderem der Rutschhaltetest an: Vergleicht man die Biegung der Wirbelsäule im Stehen und Liegen, bleibt eine krankhafte Krümmung in Bauchlage bestehen. Zur Bestätigung des klinischen Verdachts soll der Patient im Stehen geröntgt werden. Ab einem Winkel von mehr als 45 Grad zwischen Deckplatte T4 und der Grundplatte des kaudalen Endwirbels spricht man von Morbus Scheuermann.
Es gibt auch selten genutzte, aber hilfreiche nicht-radiologische Messmethoden. Ein alleiniges MRT ist nicht sinnvoll, da Patienten bei der Aufnahme liegen. Weil Schmerzen oft erst spät auftreten und eine frühe Verkrümmung durch Physiotherapie behandelbar ist, beklagen die Autoren der Leitlinie, dass in den Standard-Jugenduntersuchungen Morbus Scheuermann keine Rolle spielt.
Zur Therapie gibt es drei Möglichkeiten: Während noch in der Wachstumsphase mit Physiotherapie und dem Tragen eines maßangefertigten Korsetts ein Fortschreiten verhindert werden soll, kommt eine Operation der Wirbelsäule erst in Frage, wenn der Patient ausgewachsen ist. Weil dabei gebohrt, gefräst und gesägt wird, einige Wirbel versteift werden, und man nicht selten nachoperieren muss, ist eine OP erst angezeigt, wenn die konservativen Maßnahmen versagt haben und der Leidensdruck groß ist. Erstaunlicherweise gibt es offenbar kaum gute Evidenz für den Nutzen der Maßnahmen – lediglich eine Kohortenstudie konnte zeigen, dass ein Korsett die Wirbelsäule wieder aufrichten kann. Ziel sind eine Begradigung um 25 % des ursprünglichen Kyphosewinkels, also ungefähr um 15 Grad.
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