Warmblutwallach Paul hat eine Wunde am Vorderbein, die einfach nicht heilen will. Ich versuche alles: antiseptische Salben, Verbände, Antibiotika, Pilz-Impfung. Was mich endlich auf die richtige Spur bringt, lest ihr hier.
Dieser Patient macht mich noch verrückt! So langsam weiß ich nicht mehr weiter – und habe fast mein ganzes Pulver verschossen: Antibiotika, Iod-Waschungen, Impfungen gegen Pilz, allerlei Salbenverbände – nichts, aber auch gar nichts will gegen diese hartnäckigen, hochgradig schmerzhaften Krusten an Pferd Pauls weißen Beinen helfen. Eines ist klar: Eine stinknormale Mauke ist das nicht!
Eigentlich hatte alles ganz harmlos angefangen:
Letzten Spätherbst hatte sich der 14 Jahre alte Warmblutwallach beim Wälzen eine kleine Wunde lateral am rechten Vorderbein zugezogen, die von der Besitzerin topisch zunächst mit Iod-PVP-Lösung und Dexpanthenolsalbe unter Verband versorgt worden war (siehe Abb.). Doch die Wunde heilte nicht gut zu.Schlimmer noch: Es bildete sich schon bald eine dicke, hartnäckige Kruste, die nur unter starken Schmerzen und entsprechend von Paul quittierten, deutlichen Abwehrbewegungen von der Haut abgelöst werden konnte. Als sich das Geschehen über das ganze Röhrbein zog und die Hinterbeine ähnliche Symptome entwickelten, wurde der Tierarzt gerufen – also ich.
Bei der Untersuchung war Pauls Allgemeinbefinden ungestört und er belastete alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Die Adspektion der Beine ergab rechts vorn lateral an der Röhre, am rechten Hinterbein in der Fesselbeuge sowie am linken Hinterbein ebenfalls lateral (siehe Abb. links), große umschriebene Bereiche mit gesträubten Haaren oder Alopezie, auf denen sich dicke borkige, kaum bis gar nicht ablösbare Krusten befanden, welche aus bernsteinfarbenen Ausschwitzungen zu bestehen schienen und bei Palpation eine deutliche Druckschmerzhaftigkeit aufwiesen. Die unpigmentierte Haut darunter war deutlich gerötet. Der Bereich in der Fesselbeuge hinten rechts war dagegen nur von minimalem Haarverlust und einer farblosen Exsudation gekennzeichnet (siehe Abb. rechts).
Anhand der klinischen Symptome wurde auf ein multikausales Infektionsgeschehen geschlossen und die Verdachtsdiagnose Mauke gestellt. Die daraufhin eingeleitete Therapie bestand aus der Verabreichung von 0,5 ml/ 500 kg Insol® Dermaphyton (Impfstoff gegen Dermatophytosen) i.m. sowie dem Anbringen von Dermamycin®-Salbenverbänden. Das linke, pigmentierte, fuchsfarbene Vorderbein war frei von Symptomen.
Wenige Tage später liefen die bandagierten Beine im Bereich der Fesselgelenke zunehmend an, sodass eine Phlegmone der betroffenen Beine befürchtet werden musste. Der Fuchswallach wurde deshalb mit Sulfadimethoxin/Trimethoprim 50 % Pulver in einer Dosierung von 1 g Pulvermischung/25 kg KGW/Tag über 7 Tage oral behandelt, wonach die Schwellung verschwand. Die Krusten jedoch blieben nach wie vor unverändert bestehen.
Nichts will helfenDie lokale Therapie wurde auf Zinklebertranverbände für 5 Tage, nach ausbleibendem Erfolg auf eine eigens in der Apotheke angemischte Salbe auf Propylenglykol-Basis, Glukose und Iod-PVP-Lösung umgestellt, was ebenso erfolglos blieb.Auch die 14 Tage nach Erstimpfung erfolgende Gabe von Insol® Dermatophyton in gleicher Dosierung verlief ohne nennenswerten Erfolg (siehe Abb.).
Es war sprichwörtlich einfach zum aus der Haut fahren! Durfte in solch einem Fall einfach und bedenkenlos auf eine Langzeitgabe von Glukokortikoiden umgestellt werden? Was, wenn ein fieser, kaum zu diagnostizierender, aber hochresistenter Keim hinter dieser ominösen Dermatitis steckte? Die systemische Gabe – auch noch über längere Zeit – von Cortisonpräparaten würde der Ausbreitung der Infektion Tür und Tor öffnen. Eines wurde mir klar: Ich kam so alleine nicht weiter. Ein kompetenter, spezialisierter Kollege musste her …
Und so fasste ich mir ein Herz und schrieb an einem Sonntagnachmittag eine E-Mail an Prof. Marianne Sloet von Oldruitenborgh-Oosterbaan von der Universität Utrecht. Die auf Hauterkrankungen beim Pferd spezialisierte Kollegin war mir aus vielen, sehr anschaulichen Vorträgen bekannt und hatte immer wieder betont, dass man sich bei Fragen in klinischen Fällen an sie wenden dürfe. Gesagt, getan – was galt es zu verlieren? In meiner Mail schilderte ich also Erscheinungen, Verlauf und Therapieversuche, hängte meine Bilder von Pauls Beinen an und wollte warten, was passiert.
Es dauerte nicht lange (genauer gesagt nur bis zum nächsten Morgen), als ich eine vergnügte, hilfsbereite Professorin aus der Fakultät für Tierheilkunde der Universität Utrecht am Telefon hatte, die mich mit den Worten: „Sie haben mir eine E-Mail geschickt, es geht um Paul!“ begrüßte. Der Fall war ihr völlig klar: Es handelte sich um eine immun-mediierte, kutane Vaskulitis. Ich war baff! Von der Erkrankung hatte ich schon mal gehört, wäre aber selbst nicht mehr draufgekommen.
Bei der immun-mediierten kutanen Vaskulitis handelt es sich um keine klassische Dermatitis, sondern um eine durch UV-Licht getriggerte Vaskulitis der Haut, vornehmlich der Fessel und des Röhrbeins. Die zugrundeliegenden Ursachen sind nicht restlos geklärt, auch die Gabe bestimmter Medikamente (genauer der darin enthaltenen Eiweißkomponenten) stehen in Verdacht, zur Entstehung beizutragen. Die Professorin führte weiter aus, dass es sich hierbei um Einzelfälle bei erwachsenen Pferden handelt, die eine erbliche Prädisposition aufweisen und die typische, ulzerierende Stellen mit Krustenbildung entwickeln, welche sehr schmerzhaft sind und eine große Tendenz haben, sich enorm auszubreiten. Hierbei sind die Veränderungen überwiegend an den lateralen wie medialen, häufig unpigmentierten Röhrbeinen ausgeprägt. In fortgeschrittenen Fällen kommen Lahmheiten mit dazu.
Therapieversuche, die auf lokalen Behandlungen beruhen, die Gabe von Antibiotika oder Pilzimpfungen bleiben erfolglos. Das oft einzige erfolgversprechende Regime stellt die Gabe von 1 mg/kg Prednisolon oral über 14 Tage dar. Zudem muss versucht werden, eine UV-Einstrahlung unbedingt zu vermeiden. Die Professorin hat mit UV-Licht-undurchlässigen, elastischen Schlauchbandagen die besten Erfahrungen gemacht. Können die Beine nicht geschützt werden, muss das Pferd an Sommertagen in den Stall gebracht werden.
Trotz der Möglichkeit einer oralen Behandlung mit Prednisolon bleiben betroffene Pferde anfällig und Rezidive sind häufig. Weidehaltung und auch die Aufnahme von Gras scheint die Erkrankung zu begünstigen und aufrecht zu halten, erklärt mir die Kollegin noch, bevor sie das Gespräch beenden will: „Good luck to you and the horse“ höre ich noch und weg ist sie … Und ich? Ich rufe – immer noch verdattert ob der schnellen Lösung des Problems – meine Kundin an und bitte darum, die Kortisontherapie starten zu dürfen.
Und das haben wir dann auch gemacht. Paul wurde über 14 Tage mit der empfohlenen Dosierung Prednisolon oral versorgt. Er reagierte nach ein bis zwei Tagen jedoch mit einer starken Müdigkeit, sodass wir die Dosierung auf zunächst dreiviertel, dann bis auf die Hälfte der Initialdosis zurückgefahren haben. Die Besitzerin hatte sich auch gleich auf die Suche nach geeigneten Schlauchbandagen gemacht – was Paul aber mit Treten beim Anlegen wegen der starken Schmerzen quittierte – und wir dann bald wieder hiervon abkamen. Als Alternative wurden UV-undurchlässige und atmungsaktive Stallgamaschen gekauft, die den gleichen Zweck erfüllten.
Nach diesen zwei Wochen ist Paul nun beschwerdefrei (siehe Abb.). Die Besitzerin achtet peinlich genau darauf, dass er nur noch mit Gamaschen den Stall verlässt und weiß um die große Rezidivneigung.
Links: Linkes Hinterbein, lateral. Einige Tage nach Beginn der oralen Kortisongabe wird es deutlich besser. Rechts: Linkes Hinterbein, lateral. Kurz vor Abschluss der oralen Kortisongabe: Fast gut.
Ich für meinen Teil bin froh, den Weg an die Uni gesucht und dort Hilfe bekommen zu haben. Dies gelang, weil man mein Schreiben aufmerksam gelesen hatte, mich dort ernst genommen hat und sich letztlich nicht zu schade war, eine Praktikerin draußen zu unterstützen. Wenn es nur immer so laufen würde.
Quelle:
Sloet von Oldruitenborgh-Oosterbaan M. et al., Onderbeenvasculitis? Tijdschrift voor Diergeneeskunde (2018), 19–21.
Bildnachweis Fotos Artikel: Rebecca Pieler, Tauberbischofsheim (2024 und 2025)
Bildquelle: Laura Roberts, Unsplash