Gelder streichen, Wissenschaftler entlassen, Maulkörbe verpassen – die Liste an trumpschen Eingriffen in die Forschung ist enorm. Jetzt reagiert die Bundesregierung und lockt die hellsten Köpfe nach Deutschland.
Wer war schon Hiob – wird man sich derzeit als US-amerikanischer Gastwissenschaftler fragen und dabei vermutlich gar nicht so viel zu lachen haben. Die Regierung Trump macht aktuell wahr, was sie in ihrem Project 2025 bereits ankündigte: den kompletten Staats- und Wissenschaftsapparat umzubauen. Was viele für eine zu radikale Denkschrift zum Stimmenfang bei bestimmten Wählerkreisen hielten, entpuppt sich nun als ernstgemeintes Programm, das im Eiltempo voranschreitet. Eine Plattform der sanktionierten Columbia University hat die Geschwindigkeit in Zahlen gegossen. Insgesamt wurden seit Amtsantritt 619 Dekrete, Drohungen und Kürzungen ausgegeben. Das sind mehr als 7 Verordnungen pro Tag.
Der neueste Angriff galt der Vorzeige-Uni Harvard. Ganz im muskschen Sinne zwackte man kurzerhand 2,2 von rund 9 Milliarden US-Dollar an Zuschüssen für Forschung und Lehre ab. Die Begründung: Man tue nicht genug gegen Antisemitismus. Was wirklich dahintersteckte: Trump forderte die Uni auf, Änderungen im Lehrplan vorzunehmen, ausländische Studierende bei Verhaltensverstößen den Bundesbehörden zu melden, die Meinungsvielfalt bei Angestellten zu prüfen und Diversitätskriterien bei Neuanstellung zu streichen. Die Antwort von Uni-Präsident Alan Garber: „Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen.“ Dass Trump nicht mit selbstbestimmten Personen mit starker Meinung umgehen kann, zeigt seine Reaktion. Kurz vor Ostern lässt er prüfen, ob die Universität als „politische Organisation“ eingestuft werden kann und ihr damit alle Steuervorteile und das Recht zur Immatrikulation ausländischer Studenten entzogen werden können.
Immerhin befindet sich die Harvard Univsersity in Sachen Kürzungen nun in guter Gesellschaft. Vorher büßte bereits die Universität von Pennsylvania bis zu 150 Millionen Dollar wegen Trans-Personen in ihren Sportmannschaften ein. Der Columbia University in New York wurden 400 Millionen Dollar verwehrt, der Brown University 500 Millionen und der Princeton University 250 Millionen Dollar.
Parallel dazu sprechen die Beschäftigten diverser Einrichtungen von verschiedenen Vorgehen. Sie wurden vor eine Wahl gestellt – Entlassung oder Versetzung nach Alaska – mussten Regierungstreue durch Loyalitätstests beweisen oder wurden – wie eine ausländische Doktorandin – auf offener Straße verhaftet und ausgewiesen. Es ist dramatisch, aber Trumps Problem mit Aufklärung, Bildung und Weltoffenheit ist kein unbekanntes.
Starten wir mit einem Beispiel, das auch den ideologischen Hintergrund offenlegt. Vor 2 Monaten bereits legte Trump die Krebs- und Diabetes-Forschung lahm – mit einer fadenscheinigen bis lachhaften Begründung, für die er in den Medien bereits mit Häme überzogen wurde.
Dass Trumps Aversion gegen geschlechterspezifische Forschung und Medizin Programm ist, bestätigt auch die US-amerikanische Gesundheitsökonomin Ariel Dora Stern. Projekte zu Tele-Monitoring oder Gendermedizin seien de facto nicht mehr möglich.
Aber keine Angst, auch die anderen Fachdisziplinen bekommen ihr Fett weg. Ein Blick in die Infektiologie zeigt die Auswirkungen der trumpschen Politik. Prof. Claudia Denkinger, Leiterin der Abteilung Infektions- und Tropenmedizin des Uni-Klinikums Heidelberg sagt dazu: „[Wir haben] zum Beispiel vergangenes Jahr im Februar einen Workshop mit der WHO hier in Heidelberg mit Teilnehmern von FDA und den CDC organisiert, die jetzt im Nachgang in der Bearbeitung von den Protokollen und Dokumenten nichts mehr beitragen dürfen, da sie eine sogenannte ,Gag Order‘ haben, die ihnen jegliche Kommunikation in Projekten mit internationalen Organisationen wie der WHO verbietet. Wie stark sie dies auch selbst einschränkt – ,Wir wissen gar nicht mehr, was international vor sich geht‘ – haben uns Personen vom NIH und FDA vertraulich kommuniziert.“
Dr. Sebastian Noe, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Gesellschaft ergänzt: „Am Rande der Conference for Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) in Los Angeles im März dieses Jahren konnte ich an einer Veranstaltung mit Stakeholdern der pharmazeutischen Industrie sprechen. Was dort ganz klar wurde ist, dass es durch die Vorgaben der Trump-Administration quasi unmöglich wird, besondere Studienpopulationen (wie Transgender-Menschen) überhaupt auch nur in einem Studienprotokoll adäquat zu beschreiben, was de facto bedeutet, dass diese in den Studien nicht mehr abgebildet sein werden.“
Die Angst, die in dem Forschungsgebiet aufkommt, beschreibt ein Forscher, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte: „Dass an US-Bundesbehörden angestellte Kollegen – offensichtlich aus Sorge vor Repressalien – zuletzt um ausschließlich telefonische Kommunikation baten, hat meinen Enthusiasmus gebremst. Sprich, ich kann mich hier nur anonym äußern.“
Die erste Fachrichtung, die Trumps Wissenschaftsfeindlichkeit zu spüren bekam, leidet bis heute unter der unreflektierten Willkür: Eine weitere anonyme Professorin in leitender Funktion berichtet: „Eine der ersten Maßnahmen der Regierung war die Erklärung, dass Aktivitäten im Zusammenhang mit Diversität, Equity (= Gleichberechtigung, Gleichstellung) und Inklusion künftig unerwünscht sein würden. Dies hat dazu geführt, dass eine einfache ,Wortsuche‘ in Drittmittelanträgen durchgeführt wurde, um zu überprüfen, welche nicht mit den Prioritäten der Regierung übereinstimmen. Einige der markierten Anträge beziehen sich auf ,diverse Pflanzen in der Landwirtschaft‘. Ein bedeutender, bereits bewilligter biomedizinischer Infrastrukturantrag über mehr als 35 Millionen Dollar wurde an unserer Universität gekündigt – wegen problematischer Worte in der Zusammenfassung.“
Welche Bedeutung dieser Politikstil für den Nachwuchs hat, beschreibt die Forscherin so: „Aufgrund der finanziellen Unsicherheit haben verschiedene Departments an unserer Universität beschlossen, in diesem Jahr gar keine oder weniger Studierende in die respektiven Studiengänge aufzunehmen. Für die jungen Menschen ist das besonders schwierig, und ich mache mir Sorgen, dass mit dieser Entwicklung der wissenschaftliche Nachwuchs bald keine Zukunft mehr in der Forschung sehen wird. Wir hoffen, dass die Lage im nächsten Jahr stabiler sein wird. […] Die Auswirkungen auf die gesamte Gesundheitsforschung in den USA werden leider bald sichtbar sein.“
Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Stern, die befürchtet, dass jungen Akademikern so eindeutig mit auf den Weg gegeben würde, „bloß nicht in die Wissenschaft zu gehen. [Man könnte dadurch] eine ganze Generation verlieren.“
Prof. Martin Schwemmle, Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg, ordnet die Lage in der Virologie ein: „Im Bereich der Infektionsforschung schränkt die US-Regierung die Wissenschaft stark ein. […] Programme von USAID zur Überwachung des HIV- und Influenza-Infektionsgeschehens wurden eingestellt, mit noch nicht absehbaren Folgen. [… A]uch etablierte amerikanische Professoren scheinen verzweifelt zu sein, da sie mit dem Wegfall von Fördergeldern ihre Forschungsprojekte auf Eis legen mussten.“
Prof. Ulf Dittmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Virologie, berichtet aus eigener Erfahrung mit amerikanischen Kollegen: „US-Wissenschaftler [dürfen] nicht mehr reisen. Das heißt, wir können uns auf Kongressen nicht mehr austauschen. Und auch Bestellungen für Forschungsmaterialien dürfen nur noch an einzelnen Tagen getätigt werden.“
Zudem nennt er ein anschauliches Beispiel: „Ein schwieriges und irritierendes Beispiel ist auch das Vogelgrippe-Virus H5N1 in den USA. Es gibt einen noch nie da gewesenen Ausbruch unter Wildvögeln, aber nun eben auch bei Geflügelnutztieren – weil die US-Regierung nicht impfen wollte, obwohl es einen Impfstoff für Geflügel gibt. Nun habe wir das Virus ja auch in Säugetieren, besonders bei Rindern. Die ersten Fälle gab es in Texas. Die dortige republikanische Regierung hat die anfänglichen Untersuchungen vor Ort massiv beeinflusst, indem sie etwa Analysen von Milchproben verhindert hat. Und spätere Ergebnisse wurden eine Weile unter Verschluss gehalten. Erst seitdem das Virus in Kalifornien angekommen ist, einem demokratischen Staat, haben wir wichtige Virussequenzen.“
Die naheliegende Folge solcher Politik – den Arbeitsplatzwechsel – sehen auch die Forscher und blicken besorgt auf die Personalsituation. Eher als den großen Braindrain nach Europa vermuten die Wissenschaftler aber, dass die Kollegen sich zunächst in der US-Pharmaindustrie umschauen. Dass es dennoch einen Exodus geben könnte, bleibt aber nicht auszuschließen und so versuchen es einige europäische Staaten mit besonderen Angeboten für Forscher – auch Deutschland. Die Koalitions-Arbeitsgruppe griff das Thema ein wenig liberaler und zukunftsorientierter auf und baut auf „die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit und eine wissenschaftsbasierte Faktenvermittlung“.
So werden Gelder bereitgehalten, um im Rahmen des sogenannten „1.000-Köpfe-Programms“ Know-how nach Deutschland zu lotsen. Einen besonderen Fokus legte die Arbeitsgruppe zudem auf Hochschulmedizin, die nicht nur über die künftigen Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung gefördert wird, sondern auch in Sachen Resilienz des Wissenschaftssystems wetterfest gemacht werden soll und Forschung zu Desinformation voranbringt. Auch hierzu könnte man sicher viel aus dem Alltag von US-Kollegen lernen.
Bildquelle: Stephen Tafra, Unsplash