Ob Softdrink, Mayo oder Tütensuppe: Zusatzstoffe wie Aspartam oder Pektin sind oft unbewusst Teil unseres Speiseplans. Wie der regelmäßige Konsum verarbeiteter Lebensmittel mit dem Diabetes-Risiko zusammenhängt, lest ihr hier.
Der regelmäßige Verzehr von stark verarbeiteten Lebensmitteln, die bestimmte Mixturen von Zusatzstoffen enthalten, könnte mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden sein. Dies geht aus der Studie eines französischen Forscherteams hervor.
Lebensmittelzusatzstoffe sind aus industriell stark verarbeiteten Fertigprodukten nicht mehr wegzudenken. Sie verbessern Textur, Konsistenz, Haltbarkeit, Aussehen, Geschmack und Mundgefühl. Für die Lebensmittelindustrie sind die kleinen Helfer unverzichtbar, um ihre Erzeugnisse fit fürs Supermarktregal zu machen. Bisher beschränkten sich die Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Zusatzstoffen (E-Nummern) auf einzelne Substanzen. In der vorliegenden Studie wurden nun erstmals Kombinationen gängiger Lebensmittelzusatzstoffe mit dem Auftreten von Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht.
Einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen zwei häufig vorkommenden Mixturen gängiger Lebensmittelzusatzstoffe und einem moderaten Anstieg der Inzidenz von Typ-2-Diabetes fand das Team um Marie Payen de la Garanderie von der Université Sorbonne in Paris.
Die erste Mischung enthielt modifizierte Stärken, Pektin, Guarkernmehl, Carrageen, Polyphosphate, Kaliumsorbat, Curcumin und Xanthan. Solche Mixturen zielen primär auf die Optimierung von Textur, Konsistenz, Emulsionserhalt, Farbe und Haltbarkeit stark verarbeiteter Fertigprodukte. Sie werden deshalb vorzugsweise in halbfesten oder viskosen Lebensmittel-Zubereitungen eingesetzt.
Typische Fertigprodukte mit dieser Mischung von E-Nummern sind z. B. Backwaren, Pudding- und Fruchtzubereitungen, Cremespeisen, Milchdesserts, Mayonnaise, Dressings, Käse-Dips, Suppen, pflanzliche Milchalternativen, Frischkäse, Kochschinken, Geflügelaufschnitt, Feinkostsalate und vegane Aufstriche. Das Risiko, einen Diabetes mellitus vom Typ 2 zu entwickeln, war unter diesem Gemisch um 8 % erhöht (Hazard Ratio = 1,08, 95 % KI 1,02–1,15, p = 0,006).
Die zweite Mischung umfasste Zitronensäure, Natriumcitrat, Phosphorsäure, Ammoniumsulfit-Zuckerkulör, Acesulfam-K, Aspartam, Sucralose, Gummi arabicum, Apfelsäure, Carnaubawachs, Paprikaextrakt, Anthocyane, Guarkernmehl und Pektin. Diese Zutatenmischung wird bevorzugt in funktionalen Getränken wie z. B. Soft- und Energydrinks, Light- und Zero-Produkten, Erfrischungsgetränken, aromatisierten Wässern oder isotonischen Sportgetränken eingesetzt. Dieses Gemisch erhöhte das Typ-2-Diabetesrisiko um 13 % (HR = 1,13, 95 % 95 % KI 1,08–1,18, p < 0,001). Für drei andere untersuchte Mischungen wurde kein statistischer Zusammenhang mit dem Auftreten von Typ-2-Diabetes festgestellt.
Die Ergebnisse wurden im Rahmen der bevölkerungsbasierten prospektiven NutriNet-Santé Kohortenstudie gewonnen. Die französische Studie ging bereits im Mai 2009 an den Start und ermöglicht seither eine fortlaufende offene Einschreibung von freiwilligen Probanden. Ihr Hauptziel ist es, Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit zu untersuchen. Für alle Teilnehmer liegen umfangreiche Daten zum Lebensstil, den Ernährungsgewohnheiten, dem Bewegungsverhalten, dem Gesundheitszustand sowie zu zahlreichen soziodemographischen und anthropometrischen Merkmalen vor.
Zu Studienbeginn und anschließend alle sechs Monate wurden die Teilnehmer aufgefordert, an drei nicht aufeinanderfolgenden Tagen 24-Stunden-Ernährungsprotokolle auszufüllen. Die Tage umfassten zwei Werktage und einen Wochenendtag, um die Variabilität der Ernährung im Wochenverlauf und über die Jahreszeiten hinweg zu berücksichtigen. Zur Identifizierung von hochverarbeiteten Lebensmitteln (ultra-processed foods; UPF) und zur Berechnung ihres Beitrags zur Energieaufnahme wurde die NOVA-Klassifikation angewendet.
Die Aufnahme von Lebensmittelzusatzstoffen wurde mit Hilfe der Ernährungstagebücher quantifiziert, in denen auch die Markennamen industrieller Fertigprodukte erfasst wurden. Die Exposition gegenüber Zusatzstoffen wurde anhand mehrerer Lebensmittelinhaltsstoff-Datenbanken bewertet. Diese Datenbanken enthalten Nährwertangaben und Zutaten von über 3 Millionen Lebensmitteln aus 150 Ländern. Zusatzstoff-Mischungen wurden mittels nicht-negativer Matrixfaktorisation (NMF) identifiziert. Dabei wurden fünf Gemische von Lebensmittelzusatzstoffen gefunden, die häufig von der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt werden.
Die Anzahl der Diabetes-Neuerkrankungen wurde über halbjährliche Gesundheitsfragebögen erfasst. Unabhängig davon konnten die Teilnehmer jederzeit gesundheitliche Veränderungen direkt über die Gesundheitsoberfläche ihres persönlichen Kontos melden. Darüber hinaus wurde die NutriNet-Santé-Kohorte mit der Datenbank des nationalen Krankenversicherungssystems verknüpft, um zusätzliche Informationen zu medizinischen Behandlungen und Arztbesuchen der Studienteilnehmer zu erhalten.
Zusammenhänge zwischen der Exposition von Zusatzstoffen und dem Auftreten von Diabetes-Neuerkrankungen wurden mithilfe von multivariaten Cox-Regressionsmodellen untersucht, die für potenzielle soziodemografische, anthropometrische, gesundheits- und lebensstilbezogene sowie ernährungs- und aktivitätsbedingte Störfaktoren angepasst wurden.
In die Auswertung konnten insgesamt 108.643 Erwachsene der NutriNet-Santé Kohortenstudie mit einer durchschnittlichen Beobachtungsdauer von 7,7 Jahre (SD = 4,6) eingeschlossen werden. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer betrug 42,5 Jahre (SD = 14,6), der Frauenanteil lag bei 79,2 %. Im Beobachtungszeitraum von 2009 bis 2023 wurde bei 1.131 Teilnehmern erstmals ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert.
Hochverarbeitete Lebensmittel (UPF, NOVA 4) machten im Median 33,8 % (25.–75. Perzentil: 25,2 %–43,7 %) der täglichen Energieaufnahme aus. Insgesamt wurden 75 Lebensmittelzusatzstoffe von mindestens 5 % der Studienteilnehmer konsumiert und daher in die NMF-Mischungsanalysen einbezogen. Zwei der fünf untersuchten Mischungen von Lebensmittelzusatzstoffen waren – unabhängig von der Nährstoffqualität der Ernährung und nach Anpassung an eine Vielzahl potenzieller Störfaktoren – mit einer höheren Inzidenz von Typ-2-Diabetes assoziiert. Menschen, die mehr dieser Zusatzstoff-Mixturen mit ihrer Ernährung aufnahmen, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, Typ-2-Diabetes zu entwickeln, unabhängig davon, wie gesund ihre Ernährung insgesamt war.
Lebensmittelzusatzstoffe, die charakteristisch für die beiden hier beschriebenen Mixturen waren, wurden schon früher in Einzelanalysen auf Basis der NutriNet-Santé-Kohorte mit einer höheren Inzidenz von Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht. Dazu zählen insbesondere die emulgierenden Gelier-, Verdickungs- und Stabilisierungsmittel wie z. B.:
Darüber hinaus stehen süßstoffhaltige Getränke schon lange in Verdacht, neben Typ-2-Diabetes auch Übergewicht, Adipositas, Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen zu begünstigen.
Nicht zuletzt unterstützen zahlreiche experimentelle Studien die Assoziation zwischen der Aufnahme einzelner Lebensmittelzusatzstoffe und dem Anstieg des Diabetesrisikos. So wurde z. B. für Guarkernmehl (E412), das in beiden Gemischen enthalten ist, eine ungünstige Veränderung des Darmmikrobioms in Verbindung mit einer Erhöhung von proinflammatorischen Markern und der Entwicklung einer diabetischen Stoffwechsellage gefunden. Auch für die künstlichen Süßstoffe Acesulfam-K (E950) und Sucralose (E955) wurden Störungen der Darmmikrobiota sowie des Zuckerstoffwechsels im Tiermodell beobachtet.
Auch wenn der Einfluss von Störfaktoren sowie Fehlklassifikationen der Exposition oder des klinischen Endpunkts nicht vollständig ausgeschlossen werden können, so deuten die Ergebnisse doch darauf hin, dass Mischungen von Lebensmittelzusatzstoffen, die in einer Vielzahl von stark verarbeiteten Fertigprodukten (UPF) vorkommen, einen beeinflussbaren Risikofaktor für die Prävention von Typ-2-Diabetes darstellen. Dafür spricht vor allem die wissenschaftliche Qualität der Studiendurchführung.
Was die Forschungsarbeit so wertvoll macht, ist ihr prospektives Real-World-Design, die große Stichprobe, der lange Beobachtungszeitraum, die umfangreiche Erhebung anthropometrischer und sozio-demografischer Merkmale sowie die systematische Erfassung der Nahrungsaufnahme in Verbindung mit der einzigartigen Analyse zur Exposition der Teilnehmer gegenüber einer breiten Palette von Lebensmittelzusatzstoffen. Außerdem sind die untersuchten Mischungen praxisrelevant, da sie diejenigen Zusatzstoffe repräsentieren, denen Verbraucher am häufigsten ausgesetzt sind. Nicht zuletzt blieben die Assoziationen auch über verschiedene Sensitivitätsanalysen hinweg stabil und werden durch mechanistische Plausibilität unterstützt.
Dennoch kann ein eindeutiger kausaler Zusammenhang sowie eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf Grundlage der angewandten Studienmethode nicht abgeleitet werden. Weitere experimentelle Untersuchungen sind erforderlich, um die zugrunde liegenden ursächlichen Mechanismen, einschließlich möglicher synergistischer oder antagonistischer Effekte, abzuklären.
Jedoch wären auch Blut- und Urinanalysen mit Metaboliten der unter Verdacht stehenden Zusatzstoffe wünschenswert – nicht zuletzt sollten die zuständigen Aufsichtsbehörden bei zukünftigen Gefährdungsanalysen Zusatzstoff-Mixturen mehr Beachtung schenken.
Derzeit sind etwa 330 Lebensmittelzusatzstoffe in der Europäischen Union zugelassen. Sie werden in 28 Funktionsklassen eingeteilt. Alle Zusatzstoffe sind kennzeichnungspflichtig und müssen unter ihrem Klassennamen und anschließender Bezeichnung des Stoffes oder der E-Nummer angegeben werden, etwa „Antioxidationsmittel Ascorbinsäure“ oder „Antioxidationsmittel E 300.“ Ein Fertigprodukt enthält im Durchschnitt etwa fünf Zusatzstoffe, in Einzelfällen können es aber auch mal zwanzig sein.
Da häufig mehrere Fertigprodukte im Rahmen einer Mahlzeit zusammen verzehrt werden, kommen so schnell größere Mengen an Zusatzstoffen zusammen. So werden z. B. Burger-Pattys aus verarbeitetem Fleisch mit Schmelzkäse und Fertigsoßen auf industriell hergestellten Brötchen gerne in Verbindung mit Pommes frites und Softdrinks konsumiert. Ein Blick auf die Zutatenliste lohnt sich also.
Solange nicht alle Zweifel ausgeräumt sind, gilt die Faustregel: Je kürzer die Zutatenliste eines Fertigprodukts, desto besser für die Gesundheit. Laut EU-Öko-Verordnung sind in Bio-Lebensmitteln derzeit nur 56 Zusatzstoffe erlaubt. Die Öko-Anbauverbände Naturland und Demeter setzen davon jedoch nur 26 bzw. 21 Substanzen ein. Einige namhafte Hersteller von Fertigprodukten kommen sogar ganz ohne Zusatzstoffe aus („Reinheitsgebot“).
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