Eine Urethritis ist nicht nur körperlich unangenehm, Patienten müssen oft auch schambehaftete Gespräche führen. Eine neue Leitlinie macht die Diagnostik aber zumindest für Ärzte leichter.
Brennen, Jucken, Schmerzen – wirklich Spaß macht eine Harnröhrenentzündung nicht. Was hilft, sind Antibiotika und (vorübergehende) Enthaltsamkeit. Für Ärzte interessant: Zu dem Thema gibt es jetzt eine neue Leitlinie.
Dass der Geschlechtsakt zum Arterhalt unverzichtbar ist, nutzt eine Reihe von Keimen schamlos aus. So haben sich manche Bakterien, Viren, Pilze und Einzeller darauf spezialisiert, beim intimen Körperkontakt von einem Wirt zum anderen zu gelangen. Berüchtigt und gefürchtet ist von Alters her etwa die Gonorrhoe. Trotz Antibiotika erkranken am Tripper weltweit 87 Millionen Menschen jährlich. Was bei der Diagnose und Therapie der Urethritis zu beachten ist, hat jetzt die S3-Leitlinie Management der Urethritis bei männlichen* Jugendlichen und Erwachsenen zusammengefasst.
Die Federführung hatten dabei die Deutsche Dermatologische Gesellschaft und die Deutsche STI-Gesellschaft – Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit. Das Sternchen hinter „männlichen“ ist ein Gendermarker der besonderen Art. Fern aller ideologischen Diskurse definiert die Leitlinie das männliche Geschlecht ganz medizinisch-pragmatisch: Die Empfehlungen „beziehen sich auf Personen mit genital männlichem Phänotyp, unabhängig vom bei Geburt zugewiesenen Geschlecht und der geschlechtlichen Identität. Dies umfasst in der Mehrheit cis Männer, schließt jedoch auch trans Frauen und trans Männer mit genital männlichem Phänotyp ein.“ Oder einfacher ausgedrückt: Die Leitlinie gilt für alle Jugendlichen und Erwachsenen mit einem Penis.
Zum eigentlichen Inhalt der Leitlinie: Die häufigsten Erreger der Urethritis sind die Bakterien Chlamydia trachomatis (18 %), Neisseria gonorrhoeae (14 %) und Mycoplasma genitalium (13 %). Auch andere Bakterien wie Ureaplasma urealyticum (15 %) finden sich häufig, doch ist man bei ihnen unschlüssig, inwiefern sie die Krankheit wirklich verursachen. Bei der Diagnose geht es in erster Linie darum, schnell zu entscheiden, ob vermutlich Neisseria gonorrhoeae oder andere Bakterien die Übeltäter sind.
Für eine erste Beurteilung soll der urethrale Ausfluss inspiziert werden. Ist er gelblich-grünlich (purulent), sollte man von einer Infektion mit Neisseria gonorrhoeae ausgehen, ist er weißlich-undurchsichtig (mukopurulent) oder wässrig-klar (mukoid), von einer anderen Ursache. Eine zusätzliche mikroskopische Beurteilung gilt eigentlich als treffsicher und kostengünstig. Sie wird trotzdem nur fakultativ empfohlen – einzig deshalb, weil viele Arztpraxen nicht über das nötige Knowhow verfügen.
Nach der Klassifizierung Tripper oder Nicht-Tripper richtet sich dann die initiale empirisch antibiotische Therapie: Grob gesagt sollen Bakterien der Spezies Neisseria gonorrhoeae einmalig mit einer Ceftriaxon-Injektion, andere Spezies zweimal täglich für sieben Tage mit Doxycyclin bekämpft werden. Die schnelle Therapie dient dazu, die Symptome rasch zu lindern, Komplikationen zu vermeiden und eine Ausbreitung einzudämmen. Sie ist aber nicht obligatorisch, weil etwa bei Menschen ohne großen Leidensdruck und mit der Bereitschaft zur vorübergehenden Enthaltsamkeit kein Grund zur Eile besteht.
Auch die teilweise galoppierenden Resistenzbildungen sprechen grundsätzlich eher gegen eine ins Ungefähre zielende Antibiotikatherapie. Deshalb kann es unter Umständen besser sein, den konkreten Erregernachweis abzuwarten, zumal der ohnehin immer gemacht werden soll, um genauer zu wissen, mit welchem Pathogen man es zu tun hat. Knifflig ist die Behandlung einer Mycoplasma genitalium-Infektion. Das „kontrovers diskutierte Pathogen“ ist weit verbreitet, macht oft keine Beschwerden, heilt auch von alleine ab und die Resistenzlage ist besonders schwierig. Wichtig ist auch die Empfehlung, die Patienten darüber zu informieren, mindestens eine Woche nach Abschluss der Behandlung enthaltsam zu leben, und – vielleicht noch unangenehmer – allen Sex-Partnerinnen und -Partnern der letzten Zeit von der eigenen Infektion zu berichten.
Die Leitlinie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Jon Tyson, Unsplash