Bisher sind Arzneimittel von den Strafzöllen des US-Präsidenten ausgenommen. Das könnte sich bald ändern – welche Folgen das für die europäische Pharmabranche hätte.
Seit Amtsantritt verfolgt Donald Trump eine protektionistische Handelspolitik, die bis heute weitreichende Auswirkungen auf den internationalen Handel zeigt. Zwar sind pharmazeutische Produkte bislang von den US-amerikanischen Strafzöllen ausgenommen, doch das könnte sich bald ändern.
Trump hat mehrfach die Möglichkeit angesprochen, Strafzölle für pharmazeutische Produkte zu verhängen. Im Gespräch mit Nayib Bukele, Präsident von El Salvador, verdeutlichte Trump, dass die USA inzwischen kaum noch selbst Medikamente produzieren. Große Pharmakonzerne hätten sich in Ländern wie Irland, Indien oder China angesiedelt, um Produktionskosten zu sparen. Trump sieht in der Einführung von Importzöllen ein wirksames Instrument, um Pharmaunternehmen zur Rückkehr in die USA zu bewegen: „Je höher der Zoll, desto schneller kommen sie zurück“, so wohl sein Plan. Darüber hinaus hat die Trump-Regierung eine Untersuchung gemäß Section 232 des Trade Expansion Act von 1962 eingeleitet, um die Auswirkungen von Arzneimittelimporten auf die nationale Sicherheit zu bewerten. Diese Untersuchung könnte den Weg für die Einführung von Zöllen auf pharmazeutische Produkte ebnen.
Die Ankündigung solcher Maßnahmen hat bereits Besorgnis in der Pharmaindustrie ausgelöst. Insbesondere Hersteller von Generika warnen vor möglichen Lieferengpässen und Preissteigerungen, da etwa 80 % der generischen Medikamente in den USA aus dem Ausland importiert werden. Diese Entwicklungen könnten erhebliche Auswirkungen auf die globale Arzneimittelversorgung haben, insbesondere für europäische Hersteller, die in großem Umfang Medikamente in die USA exportieren.
Laut dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) könnten Strafzölle die Medikamentenpreise erheblich verteuern und somit direkt zulasten der Patienten gehen. Denn europäische Hersteller würden versuchen, die zusätzlichen Kosten weiterzugeben, was sich letztendlich auch auf den europäischen Markt auswirken könnte. Vor allem bei Medikamenten, die nicht kurzfristig durch Alternativen ersetzt werden können – wie beispielsweise Insulin, Onkologika oder spezielle Antibiotika – wird von Experten befürchtet, dass uns Lieferengpässe drohen. Die Einführung von Zöllen würde umgekehrt zu unmittelbaren Verteuerungen von Arzneimittelimporten in die USA führen. Dies könnte dazu führen, dass US-Großhändler und Apotheken ihre Einkäufe reduzieren oder auf günstigere Alternativen ausweichen, sofern verfügbar.
Zudem könnte die erhöhte Unsicherheit natürlich dazu führen, dass pharmazeutische Unternehmen ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung reduzieren, um die finanziellen Risiken abzufedern. Gerade im sensiblen Bereich innovativer Therapien hätte dies erhebliche negative Folgen.
Ein weiteres Problem – auch hierzulande – ist die zunehmende Abhängigkeit Europas von Arzneimittelimporten. Im Zuge der Globalisierung haben viele Pharmakonzerne ihre Produktionsstandorte in Länder mit niedrigeren Kosten ausgelagert, insbesondere nach Asien. Dies hat zwar kurzfristig die Preise reduziert, aber langfristig zu massiven Abhängigkeiten und Versorgungsrisiken geführt. Die Corona-Pandemie offenbarte die Verwundbarkeit dieser globalisierten Lieferketten deutlich: Lieferengpässe, Produktionsausfälle und Preissteigerungen sind inzwischen keine Seltenheit mehr.
Die Rückverlagerung der Arzneimittelproduktion nach Europa ist jedoch kein einfacher Schritt. Neben höheren Produktionskosten sind es vor allem langwierige regulatorische und logistische Prozesse, die eine schnelle Umsetzung erschweren. Europa hat über die letzten Jahrzehnte zunehmend Kompetenzen in der Wirkstoffherstellung und der pharmazeutischen Produktion verloren, sodass kurzfristige Anpassungen kaum realisierbar sind.
Gerade für Deutschland, einen der größten Arzneimittelexporteure in die USA, wären Strafzölle also ein schwerer Schlag. Die vfa-Experten befürchten, dass eine Zollerhebung zu deutlichen Marktverschiebungen und finanziellen Verlusten führen könnte. Zudem könnten langfristige Handelskonflikte die Innovationsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie schwächen und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.
Die Branchenverbände appellieren deshalb, diplomatische Lösungen zu finden und eine Eskalation im Handelsstreit zu verhindern. Gleichzeitig wird auf europäischer Ebene verstärkt diskutiert, wie eine eigenständige und krisenfeste Arzneimittelproduktion gesichert werden kann. Gerade vor dem Hintergrund der globalen Arzneimittelabhängigkeiten und den vielen Problemen bei der zuverlässigen Versorgung der letzten Jahre sollte diese Diskussion jetzt ernsthaft geführt werden.
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