Kinderspielzeug wird häufig kritisiert, auch in Plastikflaschen und Pullovern finden die Gesundheitsfahnder immer wieder bedenkliche Stoffe. Seit einigen Jahren erregt noch eine weitere Produktgruppe die Gemüter: Deos. Vor allem eine Wirkstoffgruppe steht zur Diskussion.
Viele Deos enthalten Aluminiumsalze wie Aluminiumchlorhydrat. Sie ziehen die Haut zusammen und verstopfen die Schweißporen wie ein Pfropfen. Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass man weniger schwitzt. Für die Kosmetikindustrie sind diese Stoffe ein Gewinn. Seit einiger Zeit geht jedoch das Gerücht um, dass Aluminium das Risiko von Brustkrebs erhöhen soll und die Entwicklung von Alzheimer befeuert. Erst kürzlich verunsicherte ein Film auf ARTE viele Verbraucher. Die Zuschauer lernten eine Krebspatientin kennen, die einen Zusammenhang zwischen ihrer Krankheit und ihrem Deo-Gebrauch vermutet. Auch die Wissenschaftlerin und Onkologin Philippa Darbre kam zu Wort. Sie will herausgefunden haben, dass Aluminium gesunde Brustzellen in der Petrischale in Krebszellen verwandelt.
Ganz so einfach ist es nicht. Schaut man sich den Film genauer an, wird klar, dass hier Ängste geschürt werden ohne echte Fakten zu liefern. Hohe Dosen Aluminium wirken wie ein Gift, dass dem Körper schweren Schaden zufügen kann. Was aber ist mit den kleinen Mengen wie sie in Deodorants vorkommen? Tatsächlich kann bislang niemand sagen, ob das enthaltene Aluminium das Risiko für Brustkrebs oder Alzheimer erhöhen. Die Studienlage ist widersprüchlich und die meisten Untersuchungen entsprechen nicht den benötigten wissenschaftlichen Standards. Richtig ist, dass Wissenschaftler in den vergangenen Jahren eine Zunahme von Tumorentwicklungen im oberen, äußeren Quadranten beobachtet haben, jenem Teil der Brust, der besonders nah an den Achseln liegt. Daraufhin wurde auch der Einfluss von Aluminium untersucht. Unter anderem wurde eine Arbeit veröffentlicht, nach der in der Brustwarzenflüssigkeit von Brustkrebspatientinnen höhere Aluminiumkonzentrationen nachgewiesen werden konnten als bei gesunden Personen. Andere Studien zeigten jedoch keine auffälligen Unterschiede zwischen den Aluminiumgehalten in gesundem und erkranktem Brustgewebe. Doch selbst wenn sich Aluminium in Krebszellen ansammeln sollte, so heißt das noch nicht, dass der Stoff auch die Ursache für die Erkrankung ist. Das Aluminium könnte sich auch als Folge der Veränderungen im Gewebe anreichern.
Um für mehr Überblick zu sorgen, setzte sich nun der wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit der Europäischen Kommission mit dem Thema auseinander. Die Experten schauten sich noch einmal alle bisherigen Untersuchungen an. Eine akute Gefahr konnten sie nicht erkennen: „Die SCCF ist der Meinung, dass die vorhandenen Informationen die Bedenken hinsichtlich einer möglichen krebsfördernden Wirkung von Aluminium nicht unterstützen“, heißt es in der vorläufigen Stellungnahme, die noch bis zum 26. Mai kommentiert werden darf. Trotzdem raten Experten dazu, aluminiumhaltige Deos zumindest nicht auf frisch rasierte Haut aufzutragen. Von außen können die Metall-Verbindungen zwar nur schwer in den Körper eindringen. Experten vermuten, dass einige Milligramm Aluminium mit dem Deo aufgetragen werden, davon aber wahrscheinlich nur winzige Mengen im Mikrogrammbereich in den Blutkreislauf gelangen. Die scharfen Klingen des Rasierers jedoch führen zu Mikroverletzungen auf der Haut. Durch sie kann weitaus mehr Aluminium aufgenommen werden als durch unverletzte Haut. Zudem kommt Aluminium nicht nur in Deos vor. Als dritthäufigstes Element der Erdkruste ist Aluminium natürlicher Bestandteil der pflanzlichen Nahrung des Menschen. Es steckt in Lebensmitteln wie Tee, Kakao, Schokolade, Salat und Gemüsen. Als Farbstoff wird es von der Industrie zu Zucker- und Backwaren oder Kosmetika wie Lippenstift und Lidschatten beigemischt. Sogar in Zahnpasten oder Sonnencremes findet sich das Leichtmetall und über Alutöpfe oder –folien gehen kleine Mengen des Metalls auf Lebensmittel über. Auf diese Weise könnte tatsächlich zu viel von dem Metall in den Körper gelangen. „Die tolerierbare Aufnahmemenge ist wahrscheinlich bei einem Teil der Bevölkerung allein durch Lebensmittel ausgeschöpft“, heißt es beim Bundesinstitut für Risikoforschung, dem BfR. Rechnet man die Belastung durch aluminiumhaltige Deos hinzu, so könnte der Grenzwert zumindest teilweise überschritten werden und sich Aluminium zum Beispiel in der Lunge im Skelettsystem oder dem Gehirn anreichern.
Trotzdem wird auch immer wieder von einem Risiko für Alzheimer berichtet. Forscher fanden das Metall — neben vielen anderen Stoffen — in den Amyloid-Plaques erkrankter Gehirne. Aber ist es damit auch an der Entstehung beteiligt? Die Experten des SCCF wiegeln auch hier mangels eindeutiger Ergebnisse ab. Zu einem ähnlichen Schluss kam zuvor das Bundesinstitut für Risikobewertung. Im Februar diesen Jahres schrieben sie in einer Stellungnahme: „Verschiedene epidemiologische Studien, die einen Zusammenhang zwischen der Aluminiumaufnahme (...) und der Alzheimer-Krankheit zu belegen versuchen, lassen aufgrund der inkonsistenten Datenlage keine wissenschaftliche Beweisführung zu.“ Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch, forderte die Regierung nun auf, die Sicherheit von Kosmetika besser zu garantieren: „Verbraucherinnen und Verbraucher müssen über mögliche Gesundheitsgefahren informiert werden.“ Die Bundesregierung will sich mit dem Thema auseinandersetzen. Auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag antwortete das Bundesverbraucherministerium, dass man gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen erörtern wolle. Auch eine zusätzliche Kennzeichnung für betroffene Kosmetika werde zu prüfen sein. Was man jetzt benötigt, sind gute Studien, die frei von Interessenskonflikten herausfinden, ob und wie Aluminium in kosmetischen Produkten die Gesundheit schädigen kann. Wissenschaftler müssen herausfinden, welche Grenzwerte für die verschiedenen Aluminiumverbindungen vernünftig sind und wie Verbraucher eine erhöhte Aufnahme vermeiden können. Wer solange auf Deos mit Aluminium verzichten möchte, hat schon jetzt eine große Auswahl zur Verfügung. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe genügt. Einige Hersteller werben schon auf der Verpackung damit, auf Aluminium zu verzichten.