Ob jemand an Asthma erkrankt oder nicht, entscheidet sich vielleicht schon in den ersten Wochen nach der Geburt. Darauf deuten nun aktuelle Studienergebnisse bei Mäusen hin. Demnach trainieren Mikroben in der Lunge das Immunsystem von Neugeborenen.
Lange Zeit galt die Lunge als keimfrei und steril. Erst kürzlich setzte sich die Erkenntnis durch, dass auch unser Atmungsorgan – ähnlich wie der Darm und die Haut – von Bakterien besiedelt ist. Nun haben Forscher um Benjamin Marsland vom Universitätsspital CHUV in Lausanne in Versuchen mit Mäusen nachgewiesen, dass diese Lungenmikroben vor allergischem Asthma schützen. Die Wissenschaftler setzten Mäuse einem Extrakt aus Hausstaubmilben aus. Eben erst geborene Tiere entwickelten eine stark erhöhte allergische Reaktion auf den Extrakt, im Gegensatz zu älteren Mäusen. Der Grund: Die Lungen neugeborener Mäuse sind noch nicht von Mikroben besiedelt, die das Immunsystem verändern und die Mäuse somit weniger anfällig für allergische Reaktionen machen.
Dieser Besiedlungs- und Anpassungsprozess läuft in den ersten zwei Wochen des Mäuselebens ab, haben die Forscher herausgefunden. Denn hielten sie junge Mäuse gänzlich keimfrei, blieben die Tiere lebenslänglich anfällig auf Asthma und reagierten auch später noch mit überschießenden Immunantworten auf die Staubmilben-Allergene. Marsland und sein Team haben bereits Untersuchungen aufgenommen, um herauszufinden, ob auch beim Menschen Lungenmikroben für gesunde Atemwege sorgen. Die Pilotstudien bei Babys in der Schweiz und in Neuseeland deuten auf Parallelen zwischen Mensch und Maus. Weitere Studien müssen jedoch folgen, um potentielle Mechanismen beim Menschen zu identifizieren.
„In der frühen Entwicklung scheint es ein Zeitfenster zu geben, in dem sich entscheidet, ob ein Individuum später im Leben an Asthma erkrankt oder nicht“, sagt Marsland. Bisher hätten Wissenschaftler und Ärzte sich beim Thema Asthma vor allem dem Ablauf der Erkrankung und möglichen unmittelbaren Auslösern gewidmet. „Wahrscheinlich aber müssen wir schon viel früher, bei den Neugeborenen, hinschauen.“ Marsland möchte nun herausfinden, wie groß das Zeitfenster für den Aufbau des Immunsystems im Kindesalter ist. Er hofft, dass das neue Wissen in der Zukunft dabei hilft, Asthma zu verhindern. Vielleicht, indem schwangere Frauen zu vermehrtem Früchte- und Gemüsekonsum angehalten werden. Erst kürzlich hat Marsland nämlich aufgezeigt, dass in diesen Lebensmitteln enthaltene Nahrungsfasern durch Veränderung der mikrobiellen Flora ebenfalls vor allergischem Asthma schützen. Eventuell könnte sich dieser Schutz auf die Neugeborenen übertragen. Originalpublikation: Lung microbiota promotes tolerance to allergens in neonates via PD-L1 Benjamin Marsland et al.; Nature Medicine, doi: 10.1038/nm.3568; 2014