Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat entscheidenden Einfluss auf den Leistungskatalog gesetzlicher Krankenversicherungen. Viele Interessenvertreter wollen daher mitspielen. Apotheker haben es bisher nicht geschafft, hier Mitglied zu werden – teilweise aus fadenscheinigen Gründen.
Im G-BA, dem berüchtigten „kleinen Gesetzgeber“, sitzen Vertreter aller vier Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen an einem Tisch: die Kassenärztliche und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband. Patientenvertreter dürfen an Sitzungen teilnehmen respektive Anträge einbringen, sind aber nicht stimmberechtigt. Auch legt die Patientenbeteiligungsverordnung fest, welche Kriterien eine Organisationen zu erfüllen hat, um Vertreter in den G-BA zu entsenden. Momentan sind hier der Deutsche Behindertenrat, die BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiativen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband zu nennen. Das gefällt nicht allen Akteuren.
Schon länger forderte die Deutsche Stiftung Patientenschutz, ebenfalls Vertreter in den G-BA zu entsenden. Das Bundesministerium für Gesundheit lehnte einen entsprechenden Antrag jedoch postwendend ab. Schon formal sei dieser Bescheid mangelhaft, kritisieren Patientenschützer. Das Papier beruhe offenbar auf Textbausteinen, die noch nicht einmal sorgfältig bearbeitet wurden, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Aber auch die inhaltliche Argumentation ist für ihn schwer nachvollziehbar. Beispielsweise heißt es, die Stiftung engagiere sich nicht nur für Patienten, sondern auch für Menschen in wirtschaftlicher Not. „Dieser konstruierte Ablehnungsbescheid des Bundesgesundheitsministeriums ist ein schlechter Versuch, den kritischen Vertretern der Schwerstkranken und Sterbenden den Zutritt zu dem wichtigen Entscheidungsgremium zu verwehren“, erklärt Brysch. Patientenschützer reichten jetzt Klage beim Sozialgericht Düsseldorf ein (Az: S11 KR 331/14). Brysch verweist auf andere Mitglieder im G-BA, etwa Verbraucherzentralen, die ebenfalls nicht nur als Patientenvertretungen aktiv sind.
Neben Patienten würden sich auch Industrievertreter gerne stärker beteiligen – schließlich bestimmt der G-BA auch Richtlinien für den Leistungskatalog gesetzlicher Krankenversicherungen. Und mit Einführung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) kam eine weitere Aufgabe mit hinzu. Zusammen mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) führt der G-BA frühe Nutzenbewertungen gemäß dem Fünften Sozialgesetzbuch, § 35a, durch. Laut Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) brauche es hier „andere Mitwirkungs- und Entscheidungsstrukturen“. Sie moniert, bisher nutze der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen seine „dominante Machtstellung in allen Verfahrensschritten, um die Erstattungsbeträge innovativer Arzneimittel weit unter den europäischen Durchschnitt zu ziehen“.
Wie sieht es bei den Apothekern aus? Im Herbst 2013 sprachen sich Kollegen der Apothekerkammer Nordrhein beim Apothekertag für eine stimmberechtigte Mitgliedschaft aus. Sie argumentierten, Pharmazeuten sollten nicht einzig und allein Ärzten die Entscheidungshoheit zu Arzneimitteln überlassen. Ungeklärt blieb, ob Pharmazeuten überhaupt eine Mitgliedschaft beantragen können. Dazu ein Blick in das SGB V, § 91: „Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss.“ Organisationen der Apothekerschaft kommen aber nicht vor. Jenseits juristischer Fallstricke wurde der Wunsch laut, erst ein Leitbild zu paraphieren und dann über weitere Themen nachzudenken. ABDA-Geschäftsführer Professor Dr. Martin Schulz verwies auf das geltende Recht von Apothekern, Stellungnahmen zu verfassen. Dies sei aus Kapazitätsproblemen nur begrenzt möglich. Er rechne mit zehn weiteren Vollzeitstellen, um Aufgaben als stimmberechtigtes Mitglied im G-BA nachzukommen. Diese Aussagen kritisierten Delegierte teilweise als reine Spekulation, wobei genaue Budgetzahlen im Nebulösen blieben. Letztendlich bekam der Antrag keine Mehrheit – und Konsequenzen folgten auf dem Fuße: Apotheker haben keinen direkten Einfluss auf die Substitutionsausschlussliste mehr.