Forscher zeigten, dass die Bewegungskontrolle der Extremitäten über ein ausgeklügeltes Verbindungsraster zwischen Hirnstamm und Rückenmark reguliert wird. Sie konnten insbesondere nachweisen, dass eine Region im Hirnstamm ganz spezifisch das Zugreifen mit der Hand steuert.
Wenn wir versuchen, mit den Zehen einen kleinen Ball zu greifen, so fällt uns dies unglaublich schwer. Mit der Hand ist diese Bewegung kein Problem. Die motorischen Fähigkeiten der Hände und der Füße unterscheiden sich stark. An der groben Organisation der Nervenzellen hingegen, die diese Unterschiede steuern, war diese Ungleichheit bisher nicht augenscheinlich. Bei beiden, Fuß und Hand, ist das Gehirn mit den Neuronen im Rückenmark verbunden und Motoneuronen steuern die verschiedenen Muskeln an. Wo die Spezialisierung einsetzt, welche verschiedenen Nervennetzwerke diese Unterschiede kontrollieren und wie sie dies tun, war nicht klar. Silvia Arber und ihre Gruppe am Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research und am Biozentrum der Universität Basel haben nun untersucht, welche Nervennetzwerke im Gehirn für die Hand-Fuß-Unterschiede verantwortlich sind.
In einer Studie zeigen die Neurobiologen, dass der Hirnstamm der Maus in viele Bereiche unterteilt werden kann, die via hochspezialisierte Verbindungen im Rückenmark Bewegungen steuern. In diesen Arbeiten kamen modernste Methoden zum Einsatz, die Verbindungen zwischen Neuronen sichtbar machen. Damit konnten die Wissenschaftler das dreidimensionale Verbindungsraster zwischen Hirnstamm und Motoneuronen im Rückenmark aufdecken. Auffallend dabei war, dass Nervenzellen im Hirnstamm, die über das Rückenmark mit den Motoneuronen der Vorderbeine (entsprechen beim Menschen den Armen) verbunden sind, in einigen Fällen in anderen Regionen des Hirnstammes sitzen, als diejenigen der Hinterbeine. In einer Region des Hirnstammes mit der Abkürzung MdV war die Ansteuerung der vorderen Extremitäten besonders augenfällig. Doch es gibt nicht nur einen Unterschied zwischen hinteren und vorderen Extremitäten. Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass die Nervenzellen einer Hirnstammregion Präferenzen für Motoneuronen mit unterschiedlichen Funktionen haben. So waren bestimmte Regionen mit Bizepsmotoneuronen, andere aber mit Trizepsmotoneuronen und wieder andere mit beiden verbunden. „Der Hirnstamm verfügt also über ein Verbindungsraster zu einer Vielzahl von funktionell unterschiedlichen Motoneuronen“, sagt Silvia Arber.
Um die Bedeutung dieses Verbindungsrasters für den Bewegungsablauf zu testen, haben die Forscher Neuronen einer dieser Regionen vertieft analysiert, die Neuronen im MdV. Als Erstes stellten sie fest, dass MdV-Neuronen feinmotorische und nicht grobmotorische Bewegungen steuern. Daraufhin haben sie die Einzelbewegungen eines feinmotorischen Bewegungsablaufs — das zum Munde Führen eines Futterpellets — isoliert studiert. Sie konnten zeigen, dass MdV-Neuronen nur das effektive Zugreifen des Futterpellets steuern, nicht aber das Ausstrecken der Pfote zum Pellet hin und auch nicht das abschließende Zurückziehen zum Mund. „Um zu verstehen, wie Bewegungen zustande kommen und kontrolliert werden, müssen wir wissen, wie die zuständigen Nervennetzwerke aufgebaut sind. Mit dieser Studie konnten wir eine erste Ebene von Verbindungen identifizieren, die eine klar definierte Bewegung lenken“, kommentiert Arber. „Wir nehmen an, dass sich so im Hirnstamm ein feines Raster für die verschiedensten Bewegungsabläufe herauskristallisieren wird.“ Originalpublikation: Brainstem nucleus MdV mediates skilled forelimb motor tasks Maria Soledad Esposito et al.; Nature, doi: 10.1038/nature13023; 2014