Wissenschaftler haben nun neue Mechanismen der Immunregulation in Zellen der Darmschleimhaut aufgedeckt. Die Befunde könnten zukünftig zum tieferen Verständnis der molekularen Mechanismen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beitragen.
Die oberste Zellschicht in der Darmschleimhaut, also Zellen des intestinalen Epithels, standen im Fokus der Forschungsarbeiten. Diese Zellen bilden die Grenzfläche zwischen körpereigenem Gewebe und den Mikroorganismen der Darmflora. Sie sind wichtige Schaltstellen für die Abwehr von Krankheitserregern und gelten als zentrale Akteure im Entzündungsgeschehen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Sie erkennen bestimmte Moleküle (Antigene) und präsentieren diese speziellen Abwehrzellen. Als Auslöser von Darmentzündungen wurden in früheren Studien Lipid-Antigene identifiziert. In der aktuell veröffentlichten Studie gingen die beteiligten Arbeitsgruppen unter anderem der Frage nach, was passiert, wenn die Darm-Epithelzelle nicht in der Lage ist, Lipid-Antigene zu präsentieren. Die Annahme war, dass dadurch die Entzündung lahmgelegt wird. Tatsächlich trat das Gegenteil ein, die Entzündung verschlimmerte sich erheblich. „Offensichtlich geht vom Epithel eine schützende Wirkung aus“, erklärt Studienautor Sebastian Zeißig, Professor an der Klinik für Innere Medizin I der Medizinischen Fakultät, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) sowie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung. Welche Konsequenz die Antigenpräsentation hat, hängt scheinbar von der Art der Zelle ab, die die Antigene präsentiert. „Während Zellen des Knochenmarks über die Präsentation von Lipiden aktiv zur Entzündungsreaktion im Darm beitragen, ist die Präsentation von Lipid-Antigenen in Darm-Epithelzellen mit protektiven Effekten verbunden“, verdeutlicht der Kieler Immunologe. Durch detaillierte Analyse der molekularen Mechanismen erzielten die beteiligten Wissenschaftler einen weiteren wichtigen Befund, der die protektive Rolle der Darmschleimhautzellen bestätigte. „Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass der Botenstoff Interleukin 10 (IL-10), der als Hemmer des Immunsystems gilt, in immunologisch relevanten Mengen auch von intestinalen Epithelzellen freigesetzt werden kann.“ Bisher sei man davon ausgegangen, dass dieser schützende Botenstoff primär aus Zellen des Knochenmarks stammt.
Interessant sind die Forschungsergebnisse aus zwei Gründen, so Zeißig: „Zum einen, weil wir immer mehr verstehen, dass das intestinale Epithel nicht einfach ein ‚Zaun’ ist, der die ‚schmutzige’ Mikrobiota vom ‚sauberen’ Gewebe fernhält.“ Es handele sich hierbei vielmehr um Immunzellen, die aktiv Einfluss nähmen, zum Beispiel auf Entzündungsprozesse, und das in ganz entscheidender Weise. Interessant sei aber auch der zugrundeliegende Mechanismus. „Das Epithel selbst bildet einen regulatorischen Botenstoff (IL 10) und sorgt aktiv dafür, dass, wie in unserer Studie gezeigt, die Versuchstiere überleben.“ Bei Menschen mit der chronischen Darmentzündung Colitis ulcerosa ist das Darmepithel bekanntermaßen geschädigt. Außerdem wurde bei Colitis-Kranken nachgewiesen, dass die Epithelzellen nur sehr eingeschränkt Antigene präsentieren können. „Wir gehen davon aus, dass diese Vorgänge aktiv zum Entzündungsgeschehen beitragen“, so Zeißig, da der durch das Epithel vermittelte schützende Effekt fehle.
Woher die Lipid-Antigene stammen, die präsentiert werden und Immunreaktionen auslösen, ist noch unklar. Möglicherweise präsentiert eine knochenmarksabhängige Zelle andere Fette als eine Epithelzelle und bewirkt damit eine andere Immunreaktion. Darüber möchte Zeißig mehr herausfinden. „Wir wollen uns jetzt der Frage widmen, ob der unterschiedliche Ursprung von Fetten verantwortlich ist für protektive oder krankheitsvermittelnde Effekte.“ Dabei steht auch die Hypothese auf dem Prüfstand, dass aus der Darmflora stammende Fette eher schützende Wirkung entfalten und körpereigene Fette zum Beispiel Entzündungen vorantreiben. Originalpublikation: Protective mucosal immunity mediated by epithelial CD1d and IL-10 Sebastian Zeißig et al.: Nature, doi: 10.1038/nature13150; 2014