Atemaussetzer im Schlaf lassen sich in der Regel gut mit einer Überdruckbeatmung behandeln. Wem die Atemmaske den Schlaf raubt, kann nun auf einen implantierbaren Zungenschrittmacher hoffen.
Atemaussetzer während des Schlafs sind oft verbunden mit kräftigem Schnarchen. Das nervt nicht nur den Bettnachbarn, sondern ist auch gefährlich. Im mittleren Lebensalter sind etwa ein bis zwei Prozent der Frauen und doppelt so viele Männer von einer Schlafapnoe betroffen. Dabei kommt es zu häufigen und länger als zehn Sekunden andauernden Atemstillständen (Apnoen) während des Schlafs. Ursache sind meist verengte Atemwege, zum Beispiel durch eine entsprechende Veranlagung oder Übergewicht. In schweren Fällen treten mehr als 30 Apnoen pro Stunde auf, wodurch der Sauerstoffgehalt im Blut dramatisch absinkt. Das versetzt das Gehirn des Schlafenden in Alarmbereitschaft, wodurch der Schlaf unterbrochen wird. Die kurzfristige Weckreaktion aktiviert die Atmung und schützt den Schläfer so vor dem Ersticken, verhindert aber gleichzeitig tiefe und erholsame Schlafphasen. Aus einem chronischen, unbehandelten Schlafapnoe-Syndrom können Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und die verstärkte Neigung zu Herzinfarkt und Schlaganfall resultieren. Auch die durch die Schlafunterbrechungen ausgelöste Tagschläfrigkeit und die Konzentrationsschwäche sind für die Betroffenen oft äußerst unangenehm.
Als Standard-Therapie gilt eine Überdruckbeatmung (CPAP, Continuous Positive Airway Pressure), mit der jedoch nicht alle Patienten zurechtkommen. Manche stört das Geräusch des Gerätes und die Maske im Gesicht, was sie am Schlafen hindert. Für diese Patienten gibt es nun eine Alternative in Form eines Zungenschrittmachers, der die Atemaussetzer während des Schlafs verhindern soll: „Dabei implantieren wir dem Patienten einen kleinen Schrittmacher, der in der Schlafphase elektrische Impulse an den Zungenmuskel abgibt“, beschreibt Dr. Joachim Maurer, leitender Oberarzt und Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Universitäts-HNO-Klinik Mannheim, das Verfahren. Während der Implantation des Schrittmachers wird eine Sonde des Geräts zwischen den Rippen platziert, die andere mit dem Nerv verbunden, der die Zungenmuskulatur steuert. Ob der Patient atmet, erfasst die Sonde über eine Druckänderung im Brustkorb. Misst die Sonde, dass der Patient einatmet, stimuliert der Schrittmacher den Nervus hypoglossus über elektrische Impulse. Dadurch bewegt sich die Zunge nach vorn und hält den Atemweg offen, damit ein freies Atmen möglich ist. Auch Geräte ohne Sensor in der Brust sind in Erprobung. Sie senden dauerhaft elektrische Impulse an die Zunge. Die Geräte lassen sich abends mit einer Fernbedienung für die geplante Schlafdauer aktivieren und schalten sich morgens wieder ab.
In einer aktuellen Studie hat ein internationales Forscherteam die Wirksamkeit des Zungenschrittmachers mit Sensor im Brustkorb, der sogenannten UpperAirway Stimulation (UAS) getestet. In 15 Kliniken in den USA und sieben in Europa wurde dabei die Wirksamkeit dieses Systems an insgesamt 126 Patienten untersucht. Das Ergebnis: Der Zungenschrittmacher verbessert die obstruktive Schlafapnoe signifikant. Atemaussetzer nahmen um 68 Prozent ab, Sauerstoffabfälle im Blut sogar um 70 Prozent, wie die Forscher berichten. Das bescherte den Patienten einen erholsameren Nachtschlaf und weniger Müdigkeit am Tage. Ihre Lebensqualität verbesserte sich damit deutlich.
Dr. Maurer implantierte das erste Gerät dieser Art vor etwa 4 Jahren. „Sichere Aussagen zur Langzeitverträglichkeit des Schrittmachers lassen sich zwar im Moment noch nicht treffen, aber die befürchteten Überanstrengungs- oder Übermüdungserscheinungen am Zungenmuskel traten bei unseren Patienten bisher nicht auf“, so Maurer. Das System ahme lediglich einen natürlichen Vorgang nach: Bei gesunden Menschen werde der Zungenmuskel im Schlaf, genauso wie im Wachzustand ebenfalls, vor jeder Einatmung stimuliert, um die Atemwege freizuhalten.
Trotz guter Erfolge ist der Zungenschrittmacher nicht Mittel der ersten Wahl, wenn es darum geht, eine Schlafapnoe zu behandeln. „Mehr als die Hälfte unserer Patienten kommt mit der Überdruckbeatmung sehr gut zurecht. Ein weiterer großer Teil profitiert von Zahnschienen, sogenannten Protrusionsschienen, die die Atemwege während des Schlafs frei halten. Auch Kiefer- oder Mandeloperationen können die Beschwerden der Patienten lindern. Die Schrittmachertherapie ist nur für jene Patienten geeignet, die wir bisher nur schlecht versorgen konnten, weil alle anderen Therapieoptionen nicht erfolgversprechend waren“, fasst Maurer zusammen. Diesen Patienten stehen jetzt auch von finanzieller Seite her alle Wege offen: Ende letzten Jahres wurde dem Universitätsklinikum Mannheim als erster Klinik bundesweit die Übernahme der Kosten für die Implantation des Zungenschrittmachers durch die gesetzlichen Krankenkassen genehmigt.