Zwischen Tradition und wirtschaftlicher Rezession versucht Griechenland, verlorenes Terrain wieder wettzumachen. Gesundheitsökonomen kritisieren, es gäbe zu viele Apotheken – zu Recht? Oder wiederholen sie nur Fehler, die andernorts bereits gemacht wurden?
Griechenlands Pharmazeuten haben die Wirtschaftskrise am vollen Leibe gespürt – etliche Inhaber haben Insolvenz angemeldet. Stehen Patienten vor einer geschlossenen Apotheke, müssen sie trotzdem nicht lange suchen, sondern sich nur einmal umdrehen, spotten EU-Beamte. Laut Zahlen der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU) hat Griechenland im europäischen Vergleich die höchste Apothekendichte, auf 100.000 Einwohner kommen 97 Apotheken. Zum Vergleich: In Bulgarien sind es 65 – Platz zwei der europaweiten Liste. Deutschland liegt mit 26 Apotheken im unteren Mittelfeld, und Dänemark hat gerade einmal sechs Apotheken pro 100.000 Einwohner.
Was steckt dahinter? Griechenlands Regierung schützt Apotheker mit einigen Regularien vor unliebsamer Konkurrenz, etwa durch staatlich festgelegte OTC-Preise. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es weder Filialen noch eine Niederlassungsfreiheit. Sogar die Öffnungszeiten werden strenger als bei uns reglementiert. Das Resultat: Laut OECD liegen Margen um bis zu vier Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt.
Mittlerweile hat die berühmt-berüchtigte Troika aus Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank weitreichenden Maßnahmenpakete verabschiedet. Im Rahmen ihres aktuellen Maßnahmenpakets sollen auch OTC-Preise liberalisiert und neue Wege der Abgabe über Supermärkte erprobt werden. Alles in allem könnten dadurch mehr als 11.000 Apotheken für immer ihre Pforten schließen, vermuten Vertreter des Berufsstands. Grund genug, einen 48-stündigen Warnstreik zu initiieren. Kyriakos Theodosiadis, Chef der Panhellenic Pharmaceutical Association (PFS), sagt: „Arzneimittel sind keine Konsumgüter. Wettbewerb und Gesundheit schließen sich aus.“
Ob die neue Strategie aus volkswirtschaftlicher Sicht viel bringt, bezweifeln viele Wissenschaftler. Theoretisch könnte mehr Konkurrenz OTC-Preise zwar in die Tiefe treiben und zu höheren Umsätzen führen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sind Konsolidierungen im Apothekenbereich jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Darüber hinaus konnte Robert Barro von der Harvard University zeigen, dass Programme des Internationalen Währungsfonds sogar negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Weitere Veröffentlichungen bestätigten seine These. Viele Staaten, nicht zuletzt Deutschland, haben versucht, die Zahl öffentlicher Apotheken zu verringern, um Kosten zu sparen – ohne Erfolg. Bleiben noch regionale Faktoren: Zwar sind OTCs in Griechenland teurer, allerdings kaufen Einwohner pro Kopf weniger Medikamente als in anderen EU-Staaten. Auf ihre Gesundheit wirkt sich das OECD-Angaben zufolge nicht negativ aus.