Weltweit leiden etwa 600 Millionen Menschen an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung – Tendenz steigend. Forscher haben jetzt Strategien zur Prävention, Diagnostik beziehungsweise Therapie neu bewertet. Damit gelingt es Ärzten und Apothekern, die Lebensqualität von Patienten deutlich zu verbessern.
Zu den chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD, Chronic Obstructive Pulmonary Diseases) gehören die chronisch-obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem. Seit Jahren raten Apotheker Betroffenen, sich gegen Pneumokokken und gegen Influenza impfen zu lassen. Eine neue Studie aus dem Uniklinikum Barcelona bekräftigt diese Empfehlung. Dazu hat Jordi Adamuz Befunde von rund 1.300 Menschen mit ambulant erworbener Pneumonie ausgewertet. Hinter dem Leiden steckten in 540 Fällen Pneumokokken, und weitere 74 Patienten hatten sich mit Influenza A infiziert. Innerhalb eines Jahres nach ihrer Entlassung starben 7,2 Prozent der Erkrankten an COPD-Exazerbationen, an neuerlichen Pneumonien oder an einer Sepsis. Bei 64 Prozent der Verstorbenen gab es gleich mehrere Risikofaktoren, etwa eine Lungenerkrankung, Krebs, Diabetes oder Demenz. Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren sollten deshalb eine Impfung in Anspruch nehmen, schreibt Jordi Adamuz.
Dann noch ein Blick auf die Pharmakotherapie. Befragungen haben gezeigt, dass sich Leitsymptome wie eine Dyspnoe rasch ändern – abhängig von der Tageszeit, der Wetterlage beziehungsweise der Luftverschmutzung. Besonders häufig leiden Patienten in der Nacht und am frühen Morgen an COPD-Symptomen. Hier hilft die zweimalige Gabe langwirksamer Parasympatholytika, etwa Aclidiniumbromid. Jutta Beier, Wiesbaden, verglich jetzt Tiotropiumbromid (18 Mikrogramm täglich), Aclidiniumbromid (400 Mikrogramm zweimal täglich) und Placebo. Hinsichtlich der morgendlichen Symptomatik profitierten nur Patienten unter Aclidiniumbromid signifikant gegenüber Placebo.
Andere Forschergruppen nahmen COPD-Notfälle unter die Lupe. Immer wieder kommt es zu fatalen Fehleinschätzungen, berichtet Ian G. Stiell, Ottawa. Zusammen mit Kollegen wertete er Daten von 945 Patienten im Alter von durchschnittlich 73 Jahren aus. Alle begaben sich wegen COPD-Exazerbationen in stationäre Behandlung. Bei 74 Patienten (acht Prozent) kam es nach dem Besuch in der Notaufnahme zu akuten Ereignissen wie einer intensivmedizinischen Behandlung, gegebenenfalls mit Intubation, oder einem Herzinfarkt. Manche Patienten verstarben sogar. Besonders fatal: Ärzte hatten 36 Erkrankte nach der Notaufnahme wieder heim geschickt, wo es später zu akuten Ereignissen kam. Deshalb entwickelte Stiell jetzt eine Skala mit null bis 16 Punkten, um COPD-assoziierte Risiken zu quantifizieren. Er bewertete unter anderem Parameter aus der Krankengeschichte, etwa frühere Intubationen oder koronare Bypässe. Wer in der Notaufnahme eine Herzfrequenz von mehr als 110 pro Minute, eine arterielle Sauerstoffsättigung von weniger als 90 Prozent, Anzeichen einer Ischämie oder einen niedrigen Hämoglobinwert hatte, galt ebenfalls als Risikopatient. Anschließend simulierten die Forscher verschiedene Schwellenwerte. Ein Punkt korreliert mit der stationären Aufnahme von rund 58 Prozent aller Patienten, bei zwei Punkten wären es 43, und bei drei Punkten 20 Prozent. In der Praxis bekamen etwa 38 Prozent ein Klinikbett zugewiesen. Betroffene würden schon von einer geringfügig erhöhten Aufnahme über den Score profitieren, so Stiell.
Sollten Notfallpatienten an schwerer Dyspnoe leiden, helfen oft nur noch Opioide. Fachgesellschaften raten jedoch zum vorsichtigen Einsatz. Beispielsweise heißt es in der deutschen COPD-Leitlinie: „Der Einsatz von Morphin kann bei schwerer Dyspnoe zur Linderung beitragen. Wegen bedeutsamer unerwünschter Effekte (u. a. Atemdepression) sollte der Einsatz auf wenige besonders beeinträchtigte Patienten mit schwerer Atemnot und Hyperventilation beschränkt und unter stationären Bedingungen eingeleitet werden.“ Magnus P. Ekström, Lund, hat dazu schwedische Registerdaten ausgewertet. Ihm standen Informationen über rund 2.200 COPD-Patienten, die bereits eine Sauerstofftherapie erhielten, zur Verfügung. Als Medikation kamen Benzodiazepine (24 Prozent), Opioide (23 Prozent) oder beide Pharmaka (neun Prozent) teilweise mit hinzu. Patienten, die nur einen Arzneistoff erhielten, wurden nicht häufiger als ohne Medikation stationär aufgenommen. Wer Benzodiazepine und Opioide zusammen erhielt, befand sich meist schon in einem Klinikum, so dass keine Auswertung möglich war. Bei niedrigen Opioidgaben von zehn Milligramm Morphinäquivalent oder weniger war auch die Mortalität nicht verändert, darüber hinaus allerdings schon (plus 21 Prozent). Benzodiazepine erhöhten die Sterberate bereits bei maximal 3,3 Milligramm Diazepam-Äquivalent um 18 und bei höheren Gaben um 23 Prozent. Beide Arzneistoffe zusammen veränderten die Sterblichkeit um plus 25 Prozent. Als Fazit schreibt Ekström, niedrig dosierte Opioide seien bei COPD relativ sicher. Inwieweit sich die Mortalität darüber hinaus tatsächlich erhöht, können nur kontrollierte Studien zeigen.