Forscher haben eine mit dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) assoziierte Genvariante untersucht und herausgefunden, dass diese mit Veränderungen in der frühen Hirnentwicklung einhergeht. Damit kann dem RLS erstmalig eine spezifische Hirnregion für die Entstehung zugeordnet werden.
Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) – gekennzeichnet durch nächtliche Missempfindungen an den Beinen und das ständige Bedürfnis, diese zu bewegen – ist eine komplexe genetisch-neurologische Erkrankung, der sowohl genetische als auch Umweltfaktoren zugrunde liegen. Mit RLS assoziierte Genvarianten sind bereits länger bekannt, wie sie zur Entstehung von RLS beitragen, war bisher jedoch unklar.
Eine RLS-assoziierte Genvariante hat ein Team von Wissenschaftlern am Helmholtz Zentrum München (HMGU) und an der Technischen Universität München sowie am Stanford Center for Sleep Medicine and Sciences nun genauer untersucht. Die genetische Variante in der nicht-kodierenden Region des Gens MEIS1 führt bereits während der embryonalen Entwicklung zu einer reduzierten Genaktivität. MEIS1 spielt unter anderem bei der Entwicklung des zentralen Nervensystems eine wichtige Rolle. Die Wissenschaftler konnten Veränderungen in einer Region im Vorderhirn beobachten, aus der sich später die Basalganglien entwickeln, eine Hirnregion, die Bewegung und Koordination steuert. Damit haben sie erstmalig dem RLS ein klares anatomisches Korrelat im zentralen Nervensystem zugeordnet. „Die RLS-assoziierte MEIS1-Genvariante betrifft ein Protein, das an der Organentwicklung beteiligt ist. Durch die RLS-Mutation wird dieses Protein, der Regulationsfaktor CREB1, verändert gebunden und es kommt daraufhin zu einer reduzierten MEIS1-Genaktivität“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Wurst vom HMGU. In der systemischen Primärscreen-Untersuchung des Tiermodells durch das Institut für Experimentelle Genetik am HMGU unter Leitung von Prof. Dr. Martin Hrabě de Angelis zeigte sich, dass eine reduzierte MEIS1-Expression zu Hyperaktivität führte – ähnlich dem RLS-Bild beim Menschen.
„Die MEIS1-Genvariante führt zu einer veränderten Genaktivität während der Embryonalphase. RLS jedoch tritt eher im höheren Alter auf“, sagt die führende Wissenschaftlerin Prof. Dr. Juliane Winkelmann vom HMGU. „Wir gehen davon aus, dass eine leicht veränderte Entwicklung im Vorderhirn zu einer Prädisposition für das RLS führt, die im Alter – gepaart mit weiteren Faktoren, z.B. aus der Umwelt – zur Manifestation der Erkrankung führen kann.“ In weiteren Untersuchungen wollen die Wissenschaftler die Zellen im Vorderhirn identifizieren, die von der Entwicklungsstörung betroffen sind. Darauf basierend könnten langfristig neue Therapiekonzepte für das weit verbreitete RLS entwickelt werden. Krankheits-assoziierte genetische Varianten sind vielfach bekannt, jedoch ist häufig unklar, wie sie zu Entstehung einer Erkrankung führen. Diese Studie zeigt durch verschiedene in vitro und in vivo Analysen den Pathomechanismus einer häufigen Genvariante auf, die in genomweiten Assoziationsstudien identifiziert wurde. Die Arbeit steht damit exemplarisch für den interdisziplinären Forschungserfolg auf dem Gebiet der Genetik. Originalpublikation: Restless Legs Syndrome-associated intronic common variant in Meis1 alters enhancer function in the developing telencephalon Derek Spieler et al.; Genome Research, doi: 10.1101/gr.166751.113, 2014