Mit zunehmendem Alter bekommt Testosteron eine immer größere Bedeutung: Bei manchen Männern werden Pharmaka zur Substitution verschrieben – je nach Symptomatik und Leidensdruck. In den USA hingegen sprach die FDA nun eine Warnung zur Hormonersatztherapie aus.
Das Alter ist per se keine Krankheit. Von Jahr zu Jahr sinkt der Testosteronspiegel in physiologischem Maße um 0,4 bis 2,0 Prozent – ein völlig normaler Vorgang. Ärzte der European Association of Urology (EAU) definieren in ihrer Leitlinie gleich mehrere Punkte, um von einem Hypogonadismus zu sprechen. Dazu gehören Testosteronspiegel unter 8,0 bis 12,0 nmol/l (230 bis 345 ng/dl) in Kombination mit typischen Symptomen wie Stimmungsschwankungen, nachlassender Libido, Schlafstörungen, Hitzewallungen, niedriger Knochendichte oder starker Zunahme des viszeralen Fettgewebes. Laborwerte allein seien kein Kriterium für Substitutionsbehandlungen, betonen Urologen der EAU.
Erfüllen Männer alle EAU-Kriterien zur Substitution, lohnt ein Behandlungsversuch. Dabei stehen verschiedene Formulierungen zur Verfügung. Testosteronenantat muss alle zwei bis drei Wochen intramuskulär verabreicht werden, während Testosteronundecanoat zehn bis 14 Wochen wirkt. Manche Patienten ziehen Testosteron-Gele zur Anwendung auf den Oberarmen oder dem Bauch vor. Hier erfolgt eine langsame Freisetzung aus der Cutis. Transdermale Pflaster sind ebenfalls erhältlich. Darüber hinaus gibt es eine Testosteron-Lösung zur Anwendung in der Achselhöhle. In manchen Ländern sind zusätzlich Testosteronimplantate oder Skrotalpflaster erhältlich. Männer, die laut EAU-Kriterien eine Testosteronsubstitution erhalten, profitieren deutlich davon. Ihre Stimmungslage verbessert sich rasch, und auch um die Libido ist es wieder besser bestellt. Mittelfristig erhöht sich die Knochendichte. Im Blut sind wieder mehr Erythrozyten zu finden. Und ihr Körper bildet zusätzliche Muskelmasse, gleichzeitig verringert sich das Bauchfettgewebe. Bei Patienten mit Insulinresistenz zeigten sich wünschenswerte Einflüsse auf deren HbA1c-Wert.
Nicht alle Ärzte nehmen es so eng mit den Indikationen. In Amerika boomen Hormonersatztherapien – der Wunsch nach ewiger Jugend, Vitalität und Manneskraft wirkt auch beim Marketing Wunder. Eine Supplementation ist auch in den Staaten eigentlich nur bei niedrigen Testosteronspiegeln zulässig. Jetzt werden Aufsichtsbehörden aktiv. Die US Food and Drug Administration warnt Patienten vor kardiovaskulären Risiken. An wissenschaftlichen Daten mangelt es nicht: Rebecca Vigen, Dallas, veröffentlichte Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie mit 8.709 älteren, multimorbiden Männern. Sie hatten Testosteronspiegel unter 300 ng/dl, als Referenzbereich gelten 300 bis 1200 ng/dl. Davon entschieden sich 1.223 für eine Hormonersatztherapie. Nach drei Jahren hatten in dieser Gruppe 25,7 Prozent aller Patienten kardiovaskuläre Ereignisse erlitten – im Vergleich zu 19,9 Prozent ohne Hormonbehandlung. Zu ähnlichen Resultaten kommt ein amerikanisch-chinesisches Team unter Leitung von Lin Xu und C Mary Schooling. Sie werteten im Rahmen einer Metaanalyse 27 Studien aus. Auch hier zeigten sich höhere kardiovaskuläre Risiken unter Testosteronsupplementation. In Arbeiten, die von Pharmaunternehmen finanziert worden waren, fanden Xu und Schooling keine Hinweise, während sie aus neutralen Veröffentlichungen um den Faktor zwei erhöhte Risiken errechneten. Die gute Nachricht: Betroffene haben älteren Studien zufolge kein höheres Risiko, an Prostatakarzinomen zu erkranken. Ob Rezidive häufiger auftreten, ist wissenschaftlich umstritten.
Zum Hintergrund: Prostatakarzinome sind meist stark testosteronabhängig – eine Chance, pharmakotherapeutisch zu intervenieren. Neben dem kontinuierlichen Androgenentzug ist die intermittierende Androgendeprivation in letzter Zeit eingehend untersucht worden. Tobias Engel Ayer Botrel, Barsilien, hat jetzt eine Metaanalyse mit 13 Studien und rund 6.500 Patienten vorgestellt. Sein Ziel war, beide Strategien zu vergleichen. Patienten litten entweder an lokal fortgeschrittenen, rezidivierten oder an metastasierenden Prostatakarzinomen. Zur Einteilung verwenden Ärzte leitliniengerecht den Gleason-Score. Sie bewerten am schlechtesten differenzierte und am häufigsten vorkommende Tumorgewebe mit ein bis fünf Punkten. Weitere Prognosefaktoren sind die Tumorgröße sowie Lymphknoten- und Fernmetastasen. In Studien erhielten Betroffene Gonadorelin-Analoga wie Goserelin oder Leuprorelin. Endpunkte waren unter anderem das Gesamtüberleben (acht Studien) und das krebsspezifische Überleben (sieben Studien). Beide Strategien des Androgenentzugs unterschieden sich dabei nicht signifikant. Patienten mit intermittierender Behandlung hatten jedoch eine deutlich bessere Lebensqualität. Sie waren sexuell zufriedener und berichteten seltener von Hitzewallungen als die Vergleichsgruppe. Aus medizinischer Sicht spricht viel für das neue Behandlungsregime.