Karies ist die Nummer Eins der weltweit häufigsten chronischen Krankheiten. Seit Jahren arbeiten Forscher erfolglos an einem Impfstoff, um Zahnfäulnis vorzubeugen. Jetzt konnte ein neu entwickeltes Protein im Tierexperiment erfolgreich gegen Karies schützen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht Karies längst als globales Problem. Je nach Gebiet leiden 60 bis 90 Prozent aller Kinder im Schulalter daran. Beim DMFT-Index (Decayed, Missing and Filled Teeth) werden kariöse, fehlende oder gefüllte Zähne summiert. In Europa (WHO-Region EURO) sind statistisch betrachtet 2,5 Zähne bei zwölfjährigen Kindern betroffen, in Amerika (AMRO) sogar 3,5 Zähne. Erwachsene müssen sich Zeit ihres Lebens häufig mehreren Behandlungen unterziehen. Umso wichtiger wäre eine Möglichkeit, ohne viel Aufwand der Zahnfäulnis vorzubeugen.
Wissenschaftlich betrachtet ist die Idee naheliegend. In Plaques befinden sich kariogene Mikroorganismen, die Kohlenhydrate aus unserer Nahrung zu Milchsäure verstoffwechseln. Streptococcus mutans gilt als wichtigster Vertreter. Ein Impfstoff gegen den Keim wäre eine wirksame und kostengünstige Vorbeugung gegen Zahnkaries. Karies bei zwölfjährigen Kindern auf Basis des DMFT-Index. Die Abkürzungen auf der x-Achse entsprechen den WHO-Regionen. © WHO Experimente aus 2012 zeigen, dass dieser Ansatz nicht so leicht umzusetzen ist. Yuzhuang Sun, Forscher an der Chinese Academy of Sciences, hatte rPAC-Protein von Streptococcus mutans mit Flagellin (KF) aus Escherichia coli kombiniert. Sein Ziel war, eine stärkere Immunreaktion zu erzeugen. Gab er Ratten seinen Impfstoff KF-rPAc intranasal, verringerte sich die Rate an Dentalkaries, verglichen mit einer Gruppe ohne Vakzine, um 64,2 Prozent. Das klingt soweit vielversprechend, jedoch kam es zu unerwünschten Reaktionen. Darunter auch Entzündungen im Mundraum.
Jetzt hat Jingyi Yang von der der Chinese Academy of Sciences diesen Impfstoff weiterentwickelt. Yuzhuang Sun und Kollegen bewerten die hohe Immunogenität von Flagellin in früheren Experimenten als Problem. Säugetiere zeigen erfahrungsgemäß eine starke Immunantwort auf das Protein. Deshalb entwickelten sie ein Flagellin-rPAc-Fusionsprotein der zweiten Generation (KFD2-rPAc), indem sie die zentralen Domänen der Immunogenitätsbereiche D2 und D3 von KF durch rPAc ersetzten. Im Vergleich zu KF-rPAc induziert KFD2-rPAc weniger systemische Entzündungsreaktionen bei Mäusen. Gleichzeitig war der Titer rPAc-spezifischer Antikörper gegen S. mutans mit früheren Daten vergleichbar. Weitere Experimente mit Ratten bestätigten die Befunde. Nager wurden durch den nasal applizierbaren Impfstoff erfolgreich gegen Karies geschützt. Ob sich das neue Protein auch für Menschen eignet, ist noch ungewiss. So mancher vielversprechende Kandidat scheiterte bisher auf dem Weg in die klinische Praxis. Schon 1976 präsentierten Wissenschaftler vermeintlich vielversprechende Daten aus Experimenten mit Affen. Patienten warten aber bis heute auf den Schutz per Spritze. Quelle: Second-generation Flagellin-rPAc Fusion Protein, KFD2-rPAc, Shows High Protective Efficacy against Dental Caries with Low Potential Side Effects Jingyi Yanget al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-017-10247-8; 2017