Der Apothekenmarkt spaltet sich immer stärker auf: Es gibt Gewinner und Verlierer. Zeit, über grundlegende Änderungen bei der Vergütung nachzudenken. Neben packungsbezogenen Honoraren sind Gelder für Dienstleistungen im Gespräch - tatsächlich ein weiteres Standbein für Inhaber?
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat zurzeit viele Baustellen. „Apotheker stehen nicht wirklich im Fokus“, sagt Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, beim Pharmaziekongress in Berlin. In der politischen Großwetterlage sieht er Chancen, „ein paar Schritte in Richtung Weiterentwicklung der Tätigkeitsfelder zu gehen“ – und über neue Möglichkeiten der Honorierung zu sprechen.
Die Zeit ist mehr als reif dafür, wie aktuelle Zahlen zeigen. Laut Dr. Frank Diener, Treuhand Hannover, driften Umsatz, Rohgewinn, Betriebskosten und Betriebsergebnis immer weiter auseinander. „Es gibt in signifikanter Zahl gleichzeitig Gewinner und Verlierer“, so Diener. Ähnliche Tendenzen zeigen sich beim Wert. Inhaber veräußern pro Jahr etwa 600 Apotheken. Sie erzielen bei rund 300 Objekten gute bis hervorragende Erlöse, und 300 Apotheken gelten als unverkäuflich. Auch würden, so Diener weiter, nur noch zwei Drittel aller Apotheken als Einzelbetriebe geführt. Rund 3.000 Inhaber setzten auf Verbünde und decken ein Drittel des Marktes ab. Kollegen brauchen in den nächsten Monaten nicht mit fundamentalen Umbrüchen bei packungsbezogenen Honoraren zu rechnen. Von Notdienstpauschalen erwarten auch niemand große Wunder, mittlerweile liegen alle Zahlen auf dem Tisch.
Die Folge: „Einkommenserwartungen selbständiger und angestellter Apotheker erfüllen sich in einigen Fällen heute nicht mehr“, weiß Friedemann Schmidt. Daraus ergeben sich nicht nur Nachwuchsprobleme für den Berufsstand. „Unsere Autonomie geht immer mehr verloren. In der Verschreibung existiert sie faktisch nicht, und bei der Selbstmedikation sind Patienten häufig vorgeprägt.“ Hinzu kommen neue Konzepte vom ärztlich geforderten Dispensierrecht über Lieferdienste bis hin zu Drohnen eines namhaften Paketdienstleisters. Inhaber, die sich an das Zeitalter vor Versandapotheken zurücksehnten, bezeichnet Schmidt als „Träumer“. Keine Partei mit Ausnahme der Linken hätte ernsthafte Ambitionen, politisch aktiv zu werden. Doch was tun? Honorare, die einzig und allein auf dem Absatz von Präparaten basieren, führen Apotheker langfristig nicht weiter. „Wir könnten uns gesundschrumpfen. Dann lastet noch stärkerer Druck auf noch weniger Schultern“, sagt Schmidt. Ausweitungen des Sortiments, neue Lieferservices oder kleine Geschenke für Kunden führen auch nicht zum Ziel. Der ABDA-Chef sieht aber große Chancen im Medikationsmanagement.
Zum Hintergrund: Momentan sind Apotheker bei Medikamenten entscheidend an der Entwicklung, Zulassung, Qualitätssicherung, Prüfung, Vermarkung und – nicht zu vergessen – an der Beratung beteiligt. Schmidt kritisiert, dieser Prozess höre zu früh auf. Jeder zweite Patient, der Präparate langfristig einnehmen muss, hält sich nicht an Vorgaben. Schlechte Adhärenz führt zu fünf Prozent aller Krankenhauseinweisungen und zu volkswirtschaftlichen Schäden in schwer schätzbarer Größenordnung. Mit Angeboten zum Medikationsmanagement könnten sich Apotheker neu positionieren – pharmazeutisch und betriebswirtschaftlich. Für den ABDA-Chef sind wissensbasierte Dienstleistungen die „zweite Säule zur Ergänzung packungsbezogener Honorare“. Immerhin stehen Kollegen gesetzlich auf festem Boden. In der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) §1a und §3 (4) ist das Medikationsmanagement als apothekerliche, nicht delegierbare Leistung verankert – ein Schutz vor möglichen Konkurrenten im Markt.
Manche Inhaber sind von der Vorstellung, künftig enger mit Ärzten zu kooperieren, jedoch wenig begeistert. Sie berichten schon heute von täglichem Ärger bei Plausibilitätskontrollen laut ApBetrO § 7. Aus dermatologischen Praxen käme lapidar: „Ich will das so, und alles andere interessiert mich nicht.“ Friedemann Schmidt verweist auf das Modellprojekt ARMIN (Arzneimittelinitiative Sachsen Thüringen). Zum 1. April soll hier der Startschuss fallen, mit „klar definierten Kommunikationsprozessen“. Module zum Medikationsmanagement folgen. Probleme liegen eher auf organisatorischer denn auf menschlicher Ebene: „Ärzte sind EDV-technisch teils weit von Apotheken entfernt“, so Schmidt.
Schön und gut, doch müssen Inhaber aus ihrem Zeitaufwand beim Medikationsmanagement auch einen wirtschaftlichen Mehrwert generieren. In der Schweiz ist das schon gelungen. Dort erhalten Apotheker ein Drittel ihrer Vergütung über Dienstleistungen und zwei Drittel über packungsbezogene Honorare. Laut Friedemann Schmidt wirken „persönliche Dienstleistungen dem Trend hin zu immer mehr Größe entgegen“. Auf den Hinweis, gerade kleine Apotheken könnten dies nicht immer bewerkstelligen, erklärt der ABDA-Präsident: „Das Medikationsmanagement ist möglicherweise nicht für alle Apotheken interessant.“ Laut ApBetrO § 20 müsse derzeit nur situativ beraten werden. Ob sich daraus bei der nächsten oder übernächsten Novellierung Verpflichtungen entwickeln, weitere Leistungen anzubieten, ist denkbar.