Brustkrebs-Patientinnen mit niedrigem Risiko für ein Lokalrezidiv profitieren von einer einmaligen Bestrahlung während der OP. In einer Studie konnten Wissenschaftler zeigen, dass mit dem neuen Verfahren ähnliche Erfolge zu erzielen waren wie mit einer mehrwöchigen Post-OP-Bestrahlung.
Die brusterhaltende Operation ist bei einem lokal begrenzten Mammakarzinom normalerweise die Methode der Wahl. Ärzte entfernen bei den Patientinnen den Tumor und zur Sicherheit einen Randsaum des angrenzenden gesunden Gewebes. Anschließend erhalten die Patientinnen eine Strahlentherapie, um einzelne Tumorzellen zu vernichten, die eventuell nach der Operation in der Brust zurückgeblieben sind. Dabei müssen sich die Frauen über mehrere Wochen täglich einer Bestrahlung unterziehen. Nun zeigt eine Langzeitbeobachtung von Patientinnen, dass eine gezielte einmalige Strahlenbehandlung direkt im Anschluss an die chirurgische Entfernung des Tumors eine Alternative zum bisher üblichen Verfahren sein kann. Im Rahmen der internationalen TARGIT-Studie verglichen Wissenschaftler weltweit in 33 Zentren die beiden strahlentherapeutischen Methoden. Wie Professor Frederik Wenz und seine Kollegen im Fachjournal The Lancet nun berichten, unterschieden sich bei beiden Verfahren Rückfallquote und Sterberate aufgrund von Brustkrebs nur unwesentlich.
Die Ärzte behandelten in den Jahren 2000 bis 2012 insgesamt 3.451 Patientinnen mit Brustkrebs, davon rund 700 in deutschen Kliniken. Alle Studienteilnehmerinnen waren mindestens 45 Jahre alt und litten an einem einzelnen kleinen Mammakarzinom, das noch nicht gestreut hatte. 1.721 zufällig ausgewählte Probandinnen erhielten eine einmalige intraoperative Radiotherapie (IORT), die anderen 1.730 die klassische Bestrahlung der Brust von außen. Die IORT kam 1998 in London erstmals zum Einsatz und ermöglicht dem behandelnden Arzt, das Gewebe, das den Tumor umgeben hat, noch während der Operation mit Hilfe spezieller größenadaptierter Aufsätze 30 bis 45 Minuten lang direkt zu bestrahlen. „Da die Applikation am Tumorbett erfolgt und dabei kein gesundes Gewebe passieren muss, kann diese Strahlentherapie sehr gezielt und hoch dosiert verabreicht werden“, berichtet Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Universitätsmedizin Mannheim. „Außerdem entsteht die Mehrzahl der Rezidive am Ort des ursprünglichen Tumors, sodass es in diesen Fällen wenig sinnvoll ist, die gesamte Brust zu bestrahlen.“ Nebenwirkungen wie Hautrötungen, Verhärtungen und Verzögerungen der Wundheilung, so Wenz, träten nur bei einem sehr kleinen Teil der Patientinnen auf.
In der TARGIT-Studie wollten Wenz und seine Kollegen überprüfen, ob die einmalige Strahlenbehandlung direkt in der betroffenen Brust ebenso wirksam einen Rückfall verhindert wie die übliche mehrwöchige Bestrahlung von außen. Dabei legten die Wissenschaftler zu Beginn der Studie fest, dass beide Methoden dann als gleichwertig betrachtet werden, wenn die Ergebnisse innerhalb von fünf Jahren nach der jeweiligen Behandlung um nicht mehr als 2,5 Prozent abweichen. Das Fünf-Jahres-Risiko für ein Lokalrezidiv betrug bei den Patientinnen 3,3 Prozent, wenn sie mit der IORT behandelt wurden und 1,3 Prozent, wenn sie von außen bestrahlt wurden. Auch beim Sterberisiko unterschieden sich die beiden Gruppen kaum: Es belief sich in der IORT-Gruppe auf 3,9 Prozent und in der Vergleichsgruppe auf 5,3 Prozent. „In der Gesamtstudie sind nur 88 Todesfälle aufgetreten, davon etwas weniger als die Hälfte aufgrund von Brustkrebs“, sagt Wenz. „Die Studie gibt uns Gewissheit, dass wir mit der einmaligen Intraoperativen Strahlenbehandlung im Rahmen der Operation in etwa gleich gute Ergebnisse erzielen wie mit der herkömmlichen Standard-Strahlentherapie, die sich über Wochen hinzieht.“ Dank der erfreulichen Ergebnisse, ist er der Ansicht, dass das neue Verfahren geeigneten, älteren Brustkrebs-Patientinnen im Sinne der Regelversorgung angeboten werden kann.
Wenz geht davon aus, dass sich die IORT schon bald als Standardverfahren bei den über 50-jährigen Brustkrebs-Patientinnen mit einzelnen Tumorherden in frühen Stadien etablieren wird. Auch sei, so der Mediziner, die IORT wahrscheinlich nicht so teuer wie die bisherige Strahlentherapie, da sich die Patientinnen im Anschluss an die Operation nicht über Wochen hinweg täglich in Behandlung begeben müssten und entsprechende Transport- und Beherbergungskosten wegfallen würden. Wenz: „Den Patientinnen kommt die neue Therapieoption sehr entgegen, weil die gesamte lokale Behandlung mit dem Zeitpunkt der Operation abgeschlossen ist.“ Auch andere Experten wie Professor Claus Belka, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikum München, halten die IORT vor allem für ältere Brustkrebs-Patientinnen mit einem niedrigen Lokalrezidiv-Risiko für eine wertvolle Ergänzung: „Wir werden in der nahen Zukunft eine stärkere Differenzierung der strahlentherapeutischen Vorgehensweisen erleben.“ Belka warnt aber vor einer zu verfrühten Euphorie: „Die Zeitersparnis durch das neue Verfahren und die dadurch bedingten Vorteile, sollten nicht dazu führen, dass Ärzte die IORT jetzt undifferenziert bei Brustkrebs anwenden.“