Nach wie vor entlocken Wissenschaftler nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) so manche Überraschung. Die Wirkstoffe haben Potenzial, um maligne Erkrankungen zu vermeiden sowie das Tumorwachstum zu stoppen. Demgegenüber stehen unerwünschte Effekte wie gastrointestinale Blutungen oder Magengeschwüre.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) haben es in sich. Ältere Studien bescheinigen entsprechenden Wirkstoffen, das Risiko einiger Krebsarten zu senken. Besonders gut ist Acetylsalicylsäure (ASS) untersucht worden. Als Zielstruktur des Pharmakons kommt Cyclooxygenase-2 infrage. Dieses Enzym wird in vielen Tumoren überexprimiert, was letztlich zur vermehrten Synthese von Prostaglandin E2 führt, fanden Forscher bereits vor Jahren heraus. Unser Körper reagiert, indem vermehrt Gefäßwachstumsfaktoren wie der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) gebildet werden. Tumore wiederum können ohne Angiogenese nicht wachsen. Jetzt legen Metaanalysen nahe, COX-Inhibitoren wie ASS bei weiteren Indikationen einzusetzen.
Britton Trabert von der Division of Cancer Epidemiology and Genetics, Rockville, hat zusammen mit Kollegen zwölf Fall-Kontroll-Studien unter die Lupe genommen. Sie befragte Frauen hinsichtlich ihrer Schmerzmitteleinnahme. Als Wirkstoffe wurden vor allem ASS, andere NSARs (Diclofenac, Ibuprofen) und Paracetamol genannt. Trabert teilte alle Patientinnen in zwei Gruppen ein, und zwar mit regelmäßiger Medikation (mindestens einmal pro Woche) und gelegentlicher Anwendung. Sie verglich Daten von 7.776 Patientinnen, die an Eierstockkrebs erkrankten, mit 11.843 Kontrollen. Gleichzeitig berücksichtigte das Forscherteam weitere Risikofaktoren wie familiäre Risiken, Geburten, den BMI sowie das Alter. Ein Fazit: Frauen ohne Ovarial-Karzinom hatten deutlich häufiger ASS eingenommen. Über alle Studien hinweg ergab sich ein um neun Prozent niedrigeres Risiko, während Paracetamol keinen Effekt zeigte. Aus sieben Studien ließen sich detaillierte Informationen mit Praxisbezug ableiten. So verringerte eine tägliche Einnahme von ASS das Risiko im Schnitt um 20 Prozent. Erstaunlicherweise zeigten niedrige Dosierungen von unter 100 Milligramm pro Tag den stärksten Effekt (minus 34 Prozent). Andere NSAR wirkten sich erst bei Gaben von über 500 Milligramm pro Tag positiv aus (minus 24 Prozent).
Ein Kritikpunkt: Fall-Kontroll-Studien sind mit Vorsicht zu genießen. Wissenschaftler müssen klären, ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen NSAR und verminderten Krebsrisiken besteht. Möglicherweise befanden sich Frauen, die häufig Schmerzmittel einnahmen, wegen Erkrankungen ohnehin in ärztlicher Behandlung – und ein Tumor wurde als Zufallsbefund im Frühstadium entdeckt. Das könnte erklären, warum niedrige ASS-Dosen, wie sie zur Prävention kardiovaskulärer Risiken eingesetzt werden, besonders positive Auswirkungen hatten. Trotzdem reichen entsprechende Anhaltspunkte aus, um der Sache nachzugehen, schreibt Daliah Tsoref von der Universität Toronto in einem Kommentar. Sinnvoll wären Interventionsstudien mit Patientinnen, die ohnehin ein höheres Risiko tragen, Ovarialkarzinome zu entwickeln. Das könnten beispielsweise Trägerinnen der Mutationen BRCA1 oder BRCA2 sein.
ASS hat aber noch weitere Potenziale, und zwar bei Akustikusneurinomen, sprich Vestibularis-Schwannomen. Hier handelt es sich um gutartige Tumoren, die von Hör- und Gleichgewichtsnerven ausgehen. Sie sind im inneren Gehörgang lokalisiert, seltener im Kleinhirnbrückenwinkel. Konstantina M. Stankovic von der Harvard Medical School fragte sich, inwieweit Betroffene von ASS profitieren. Sie fand 689 Patienten, von denen sich 347 für ein konservatives Management des Tumors entschieden. Ärzte führten bei ihnen regelmäßig MRI-Scans als „Wait and See“-Strategie durch. Von dieser Gruppe nahmen 81 Teilnehmer regelmäßig ASS ein. In 48 Fällen (59 Prozent) wuchsen Tumore nicht mehr weiter. Ohne Medikation blieb die Geschwulst nur bei 112 Patienten (42 Prozent) unverändert.
Mit der Women´s Health Study verfolgten Ärzte ein pharmakologisch abweichendes Konzept: Etwa 20.000 gesunde Frauen über 45 nahmen nur jeden zweiten Tag 100 Milligramm ASS ein. Im Vergleich zur Placebo-Gruppe mit ebenfalls 20.000 Probandinnen verringerte sich das Darmkrebsrisiko über zehn Jahre um 20 Prozent. Ein Follow-up 18 Jahre nach Studienbeginn bestätigte diese Tendenz, wobei Forscher andere Einflüsse berücksichtigten. Beispielsweise führten Ärzte in der jeweiligen Gruppe mit beziehungsweise ohne Arzneistoffgabe nahezu gleich viele Endoskopien durch. Während sich Fälle von Lungen- oder Brustkrebs die Waage hielten, blieb das Darmkrebsrisiko unter ASS signifikant niedriger. Allerdings zahlten Studienteilnehmerinnen einen hohen Preis für ihre Chemoprophylaxe. In der ASS-Gruppe traten zusätzlich 214 Magengeschwüre und 193 gastrointestinale Blutungen auf, und zwar während der aktiven Phase mit regelmäßiger Medikation. Dem gegenüber konnten 53 Krebserkrankungen vermieden werden. Bleibt als Fazit, dass die Autoren zumindest gesunden Frauen ASS nicht zur Prophylaxe von Kolonkarzinomen empfehlen.