Wissenschaftler haben nun einen neuen Analyse-Ansatz entwickelt, um die genetischen Ursachen angeborener Herzfehler zu untersuchen. Die Berechnung einer Genmutationsfrequenz könnte dabei helfen, schädliche Mutationen von normalen Varianten zu unterscheiden.
Angeborenen Herzfehlern liegt eine Kombination von seltenen Mutationen in verschiedenen Genen zugrunde. Das ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin. Die Forscher entwickelten einen neuen Ansatz, um die genetischen Ursachen angeborener Herzfehler zu untersuchen. Das Herz ist das erste funktionsfähige Organ im Embryo. Seine Entwicklung erfordert die Koordination verschiedener molekularer Prozesse und struktureller Veränderungen. Dabei auftretende Störungen, zum Beispiel durch Mutationen in wichtigen Genen, können zu angeborenen Herzfehlern führen. Die Identifizierung der für diese Fehlbildungen verantwortlichen Gene und Mutationen ist jedoch eine große Herausforderung.
In einer engen Kooperation von Ärzten, Molekularbiologen und Bioinformatikern analysierten die Wissenschaftler um Prof. Dr. Silke Rickert-Sperling, Leiterin der Forschungsgruppe „Kardiovaskuläre Genetik“ am ECRC, erstmalig die polygenetische Ursache eines häufigen und schwerwiegenden Herzfehlers, des sogenannten Morbus Fallot. Dafür suchten sie mit Hilfe einer speziellen Technik, der Hochdurchsatzsequenzierung, nach schädlichen Mutationen in über 1000 Genen und entwickelten einen neuen Ansatz für deren statistische Auswertung. Die Hochdurchsatzsequenzierung dient dem Ablesen der exakten Abfolge der einzelnen Genombausteine. Jede Position wird dabei mehrfach gelesen, um so eine extrem hohe Genauigkeit zu erreichen. Zusätzlich erfassten die Wissenschaftler die Aktivität aller Gene in den Herzmuskelzellen der Patienten und führten Gewebeuntersuchungen durch. Für die Analyse der Mutationen wurde das Konzept der Genmutationsfrequenz (GMF) eingeführt. Hierbei werden alle schädlichen Abweichungen in einem Gen betrachtet und die in einer Patientenkohorte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe häufiger mutierten Gene identifiziert. Bei den Patienten mit Morbus Fallot wurden dabei 16 Gene gefunden, von denen jeweils mehrere in unterschiedlichen Kombinationen pro Patient verändert sind. Die gefundenen Mutationen treten dabei entweder nie oder nur sehr selten in der gesunden Bevölkerung auf.
„Wir sind davon überzeugt, dass das Verständnis der genetischen Ursachen und der unterschiedlichen Langzeitprognosen die Möglichkeit bietet, neue präventive und therapeutische Strategien für Patienten mit Herzfehlern zu entwickeln“, sagt Prof. Rickert-Sperling. „Die Aufklärung extrem heterogener Erkrankungen wie angeborener Herzfehler ist eine wichtige, aber sehr schwierige Aufgabe. Eines von vielen Hindernissen ist die Unterscheidung ursächlicher Mutationen von normalen Varianten. Die Berechnung einer Genmutationsfrequenz (GMF) ist ein neuer innovativer Ansatz, um dieses Problem anzugehen“, betont sie. Originalpublikation: Rare and private variations in neural crest, apoptosis and sarcomere genes define the polygenic background of isolated Tetralogy of Fallot M. Grunert et al.; Human Molecular Genetics, doi: 10.1093/hmg/ddu021; 2014