Zwischen schlechter Entlohnung und überbordender Bürokratie: DocCheck wollte wissen, warum Jobs in öffentlichen Apotheken derart stark an Attraktivität eingebüßt haben. Jetzt reden die Apotheker – und kritisieren auch so manches schwarze Schaf der Branche.
Wenn Theorie auf Praxis trifft: Wissenschaftler des Instituts für Handelsforschung, Köln, berichteten schon vor einem Jahr, dass Inhaber mancherorts kaum Nachfolger für ihre Apotheke finden. „Das Problem wird uns tatsächlich in zirka zehn Jahren lahm legen“, sagt Brigitte Holtappels, Apothekerin aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt. „Ich bin jetzt 56. Mein Sohn hat zwar Pharmazie studiert, meine zugegeben kleinere Apotheke will er nicht.“ Andere Kollegen haben ebenfalls keine potentiellen Nachfolger, geschweige denn aus der eigenen Familie. Holtappels: „Die wissen auch, was auf sie zukommt: am Wochenende die Buchführung, die Zwangsfortbildung, der Notdienst.“
Einen nicht unwesentlichen Anteil an der „Lustlosigkeit, in deutschen Apotheken zu arbeiten“, haben laut Johannes Thomeczek, Herne, natürlich Rabattverträge: „Obgleich mittlerweile EDV-Systeme gut funktionieren, ist es für jeden im HV Tätigen nervig, wenn nach mehr als sechs Jahren ein harter Kern von Kunden unabhängig vom Alter, vom Geschlecht oder von der ethnischen Herkunft uns unnötige Diskussionen zumutet und uns von der Arbeit abhält.“ Doch der Kampf um jedes Rezept geht weiter. „Leider gab und gibt es einen kollegoiden Bodensatz, der den Leuten alles, was sie möchten, gerade so, als ob es keine Rabattverträge je gab, aushändigt“, moniert Thomeczek. Schwarze Schafe taxieren zwar Rabattarzneimittel, geben jedoch Präparate eines anderen Herstellers ab. Thomeczek spricht von „Brunnenvergiftern im eigenen Hause“ durch „jene Faulpelze, die alles nach Hause nachtragen, buckeln bis zum Abwinken, gratis Zeitungen verteilen, die man selbst bezahlt hat, und Sammelquittungen kostenfrei erstellen.“ Ein Umdenken beginnt vielleicht, sollte die letzte Landapotheke beziehungsweise Vorortapotheke verschwunden sein und es kaum noch Pharmaziestudierende mit Ambitionen für den HV geben.
Immerhin sind entsprechende Probleme bei Regierungsvertretern angekommen. Sie planen, Apotheker stärker in die Versorgung mit einzubeziehen. Zum Vergleich der Status quo: „Wenn ich eine Bilanz der 26 Jahren ziehe, seitdem ich selbst Apothekenleiter bin, frustet es immer mehr, dass man nach einem anspruchsvollen Studium nicht nur lediglich als Erfüllungsgehilfe des Arztes, sondern mittlerweile der Krankenkassen und der häufig wechselnden Gesundheitspolitiker geworden ist“, so Peter Gicklhorn aus Hallstadt bei Bamberg. Möglicherweise erkennen Gesundheitspolitiker zu spät, was sie am Berufsstand haben. Gicklhorn: „Dann werden weniger gut ausgebildeten pharmazeutischen Mitarbeitern immer mehr Teilaufgaben der Apotheker übertragen, um dem Versorgungsauftrag der Bevölkerung mit Medikamenten nachzukommen zu können.“ Eine Möglichkeit: „Wenn die Aufklärungsarbeit der Apothekerkammern ehrlich und umfassend erfolgt, wird es auch weniger frustrierte Studienabbrecher geben.“
Michael Erren, Freiburg, ist eher skeptisch – auch hinsichtlich entsprechender Studien von Prof. Kaapke Projekte. „Wenn die befragten Abiturienten wüssten, was sie erwartet, würden sie noch viel weniger diesen Beruf ergreifen“, vermutet er. Seine Erklärung: „Im Studium werden wir auf hohe Wissenschaft getrimmt, im Alltag der Apotheke sind wir zum Schalterbeamten der Kassen degradiert und auf Hungerlohn gesetzt.“ Was Politiker nicht zerstören, erledigten „skrupellose Kollegen, die ihr Heil im Verramschen suchen, um die anderen platt zu machen“. Thomas Arnet aus Baden-Baden stimmt zu. Für ihn wurden öffentliche Apotheken von „einer angesehenen und geschätzten Institution zu einer überregulierten, bürokratieverseuchten Arzneiabgabestelle degradiert, deren Inhaber aber weiterhin das unternehmerische Risiko zu tragen haben“. Mit jeder Gesundheitsreform verschlechterten sich ökonomische Rahmenbedingungen, verbunden mit „einer zunehmenden Enteignung bezüglich des Firmenwerts einer Apotheke“. Dem gegenüber stehen vergleichsweise niedrige Gehälter von Angestellten. Apothekeninhaber sind in ihrem wirtschaftlichen Erfolg zunehmend packungszahlen- und standortabhängig, zudem extrem stark der Willkür der Politik unterworfen.
„Die Aussicht auf Besserung dieses Zustandes ist eher gering, da wir eine unfähige und wirkungslose Standesvertretung haben, die auch jetzt aktuell lieber über Leitbilder philosophiert, als den gesellschaftlichen Wert und die Aufgaben einer Apotheke vermittelt und deren angemessene Bezahlung einfordert“, kritisiert Thomas Arnet. „Welche Motivation gibt es also für einen Abiturienten, diesen Berufsweg zu gehen?“