Grüner Tee kann die Wirkung bestimmter Medikamente stark abschwächen. Bei Probanden, die täglich grünen Tee tranken, sank die Menge eines Beta-Blockers im Blut um 85%. Wer Arzneimittel einnimmt, sollte besser auf Leitungswasser zurückgreifen, raten Wissenschaftler.
Grüner Tee wurde in den letzten Jahren als wahres Wundermittel in den Medien gepriesen: Er soll die Blutgefäße schützen, das Gedächtnis fit halten und sogar HIV und Alzheimer abwenden können. Als Grund für umfassende Schutzwirkung des grünen Tees stehen die Catechine im Verdacht. Dabei handelt es sich um polyphenolische Pflanzenmetaboliten aus der Gruppe der Flavanole, die auch in zahlreichen Obst- und Gemüsearten sowie im Wein vorkommen. Nun bekommt der weit verbreitete Aufguss Negativschlagzeilen, denn offenbar kann grüner Tee die Wirkung von Medikamenten beeinflussen. Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg berichten im Fachmagazin „Clinical Pharmacology & Therapeutics“ in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Fukushima, dass grüner Tee die Wirkung des Beta-Blockers Nadolol beträchtlich abschwächt.
Um zu prüfen, wie sich die Inhaltsstoffe von grünem Tee auf die Wirkstoffaufnahme des Beta-Blockers im menschlichen Körper auswirken, ließen die Wissenschaftler zunächst 10 gesunde Probanden über einen Zeitraum von zwei Wochen 700 ml grünen Tee pro Tag trinken. Für den weiteren Flüssigkeitsbedarf stand den Teilnehmern ausschließlich Wasser zur Verfügung. Anschließend nahmen sie einmalig eine 30-Milligramm-Tablette des Betablockers zusammen mit grünem Tee ein. In den zwei folgenden Tagen prüften die Forscher die Konzentration des Wirkstoffs im Blutplasma und kontrollierten außerdem den Blutdruck der Freiwilligen. In einer zweiten Testreihe wurde der grüne Tee dann durch Wasser ersetzt. Das erstaunliche Ergebnis: Nach dem Grünteegenuss lag der Nadololspiegel im Blut der Testpersonen rund 85 Prozent unter dem Vergleichswert. Folglich war auch die blutdrucksenkende Wirkung des Beta-Blockers bei den Probanden in der Grüntee-Testreihe deutlich vermindert. Doch dieser Versuchsansatz lässt einige Fragen offen. „In der aktuellen Studie wurde der Effekt von wiederholtem Grüntee-Konsum auf die Pharmakokinetik von Nadolol untersucht. Es ist daher unklar, welchen Effekt die einmalige Einnahme von grünem Tee mit Nadolol ohne vorherigen Grüntee-Konsum hat. Dies muss untersucht werden“, so Fabian Müller, beteiligter Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg.
„Wir können nicht ausschließen, dass grüner Tee auch die Aufnahme anderer Medikamente hemmt. Dies muss ebenfalls in weiteren Studien untersucht werden“, sagt Fabian Müller, und weiter: „Wir empfehlen, bei Einnahme von Nadolol auf den Konsum grünen Tees zu verzichten, da eine verminderte Wirkung zu erwarten ist.“ Für diese Wirkung machen die Forscher die Catechine im grünen Tee verantwortlich. Wie sie vermuten, beeinflussen diese Moleküle ein Protein in der Darmschleimhaut, das als Arzneistofftransporter bekannt ist: Der Organo-Anion-Transporter OATP1A2 unterstützt normalerweise Medikamente beim Übergang vom Darm ins Blut. Versuche in Nieren-Zellkulturen zeigten, dass OATP1A2, der wenigstens teilweise für die Absorption des Beta-Blockers verantwortlich ist, durch Bestandteile im grünen Tee blockiert werden kann. Ob das auch für Darmzellen zutrifft, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.
In Deutschland spielt der Beta-Blocker Nadolol laut Angaben der Universität Nürnberg zwar kaum eine Rolle, aber dennoch liefert die aktuelle Studie wichtige Hinweise zu möglichen Wechselwirkungen von Medikamenten mit Lebensmitteln. Denn frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Apfel-, Grapefruit- oder Orangensaftgetränke OATP ebenfalls hemmen. Sobald die Pharmakologen geklärt haben, wie lange die Blockade des Transportsystems durch den grünen Tee anhält, wird sich klären, ob die entsprechenden Tabletten nur nicht zusammen mit dem Tee eingenommen werden sollten oder ob generell von dem Konsum des Tees während einer Behandlung mit dem Betablocker abzuraten ist. Bis dahin sollten Medikamente besser mit Wasser eingenommen werden.