Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) erkennen auftretende ventrikuläre Tachykardien. Doch jenseits aller Produktinnovationen gibt es zurzeit zwei Schwachpunkte: mangelhafte Zulassungsverfahren in Europa und fehlende Szenarien bei Palliativpatienten.
Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) werden bei Kammerflimmern aktiv und stoppen Herzrhythmusstörungen durch Kardioversion. Sie registrieren ein gefährliches Ereignis anhand von EKG-Daten. Medizinprodukte früherer Baureihen aktivierten sich jedoch schon bei harmlosem Herzrasen. Derart unerwünschte Ereignisse traten in der älteren MADIT II-Studie immerhin bei acht bis 40 Prozent aller Patienten auf und schädigen im schlimmsten Falle den Herzmuskel. Kardiologen testeten deshalb zwei Grundeinstellungen: ICDs, die bei einer Frequenz von 200 pro Minute mit 2,5-sekündiger Verzögerung ansprangen sowie Geräte, die ab einer Frequenz von 170 bis 199 pro Minute nach 60 Sekunden aktiv wurden. Durch veränderte Programmierung gelang es bereits, die Zahl an Todesfällen mehr als zu halbieren.
Ein weiterer Schwachpunkt: Herzschrittmacher plus ICD arbeiten mit Sensoren, um Muskelaktivitäten zu erfassen und mit entsprechenden Daten die Herzfrequenz zu regulieren. Das Prinzip hat eklatante Schwächen, falls – etwa beim Fahrradfahren – nur Beinmuskeln in Aktion sind, nicht aber Muskeln im Oberkörper. Kardiologen am Marienhospital Herne haben jetzt Medizingeschichte geschrieben. Sie implantierten einem 54-jährigen Patienten das weltweit erste Modell, das sich – neben der Abgabe von Elektroschocks bei Kammerflimmern – an der Atmung orientiert, um die Herzfrequenz speziell bei körperlicher Aktivität zu steuern. Der Betroffene litt an einem niedrigen, unter Belastung nicht ansteigenden Ruhepuls. Ein Atemvolumensensor reguliert jetzt seine Herzfrequenz. Das innovative Medizinprodukt ist nur 9,9 Millimeter dick und bringt weniger als 70 Gramm auf die Waage. Kommerzielle Modelle können bis zu 130 Gramm wiegen. Kollegen des Marienhospitals hoffen, mit dem neuen Medizinprodukt Patienten mehr Lebensqualität und Sicherheit zu geben.
Mit technischen Innovationen allein ist es aber nicht getan – an der Zulassung scheiden sich nach wie vor alle Geister. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) fordert von Herstellern sogenannte „Premarket Approvals“ inklusive klinischer Studien. Jede Änderung von Hardware, Software oder Design ist mit einer Ergänzung der bestehenden Zulassung verbunden, sogenannten “Supplements to Approved Applications“. Benjamin N. Rome aus Boston, Massachusetts, fand heraus, dass Firmen bei 77 kardialen implantierbaren elektronischen Geräten von 1979 bis 2012 genau 5.829 Änderungsanträge gestellt hatten. Klinische Studien sind nicht erneut vorzuweisen, was mitunter zu schweren Zwischenfällen führte: Ende 2007 zog Medtronic alle Sprint Fidelis®-Defibrillator-Elektroden zurück, nachdem es zu Todesfällen gekommen war. Und Ende 2011 formulierten FDA-Vertreter für manche Elektroden der Marke Riata® von St. Jude Medical sogar einen „Class I Recall“. Die Aufsichtsbehörde sprach von einer „Gefahr lebensbedrohlicher Situationen“ durch Funktionsausfälle.
Europa geriet nach dem PIP-Skandal um Brustimplantate zwar unter argen Handlungsdruck und musste neue Verordnungen für Medizinprodukte verabschieden – allen voran bei Hochrisikoprodukten der Klasse III wie ICDs oder Herzschrittmachern. Vorgesehen sind höhere Standards und unangekündigte Kontrollen von Prüfungsinstitutionen. Nach wie vor genügt aber ein CE-Zeichen, um Medizinprodukte zu vermarkten. Auf zentrale Zulassungsverfahren durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA wie bei Arzneimitteln warten Ärzte und Patienten aber nach wie vor vergebens.
Ganz klar, ICDs sollen Patienten langfristig vor kardialen Ereignissen bewahren. US-amerikanische Ärzte raten Kollegen, stärker auf Palliativpatienten zu achten. Deren Vorstellungen sollten rechtzeitig in Erfahrung gebracht werden, heißt es in einem Fachbeitrag. John A. Dodson, New Haven, befragte 95 Patienten mit einem ICD nach ihren Vorstellungen. Drei von vier Befragten könnten sich im Schnitt vorstellen, ihr Gerät bei unheilbaren Erkrankungen inaktivieren zu lassen. Dazu gehören Demenz, eine länger anhaltende Beatmung, eine unheilbare Krankheit oder Bettlägerigkeit. Ansonsten reanimieren entsprechende Geräte Patienten weiterhin und verlängern die Sterbephase qualvoll. Mit zunehmendem Alter der Befragten wurde der Wunsch häufiger geäußert – oftmals in Zusammenhang mit schweren Erkrankungen, seltener bei der Vorstellung dauerhafter Bettlägerigkeit. Eine Umfrage hatte gezeigt, dass entsprechende Situationen in jedem zweiten Hospiz bereits vorgekommen waren. Nur jede zehnte Einrichtung konnte interne Handlungsanweisungen für diese Situation aus der Schublade ziehen. Dieser Aspekt findet auch in Deutschland noch kaum Beachtung.