Viele psychiatrische Erkrankungen werden von Gedächtnisstörungen begleitet. Forscher haben nun ein Netzwerk von Genen gefunden, das grundlegende Eigenschaften von Nervenzellen steuert und für Gedächtnis, Hirnaktivität und Schizophrenie eine Rolle spielt.
Sich für eine kurze Zeit Informationen merken zu können , zum Beispiel eine Telefonnummer , ist eine grundlegende Fähigkeit des menschlichen Gehirns. Dieses sogenannte Arbeitsgedächtnis macht uns fähig, die uns umgebende Umwelt zu verstehen. Für die Aufrechterhaltung eines intakten Arbeitsgedächtnisses verwendet das Gehirn viel Energie – bei vielen psychiatrischen Erkrankungen ist es aber gestört. Forscher der Transfakultären Forschungsplattform „Molecular and Cognitive Neurosciences“ (MCN) von Universität Basel und Universitären Psychiatrischen Kliniken beschreiben nun ein Netzwerk von Genen, welches grundlegende Eigenschaften von Nervenzellen steuert und mit Arbeitsgedächtnis, Hirnaktivität und Schizophrenie zusammenhängt.
In der Studie untersuchte Angela Heck die genetischen Grundlagen des Arbeitsgedächtnisses bei über 2800 gesunden jüngeren und älteren Versuchsteilnehmern. Um aus dem gesamten Genom der Probanden biologisch sinnvolle Gen-Gruppen identifizieren zu können, verwendete sie Methoden der Bioinformatik. Bei der Analyse stach eine bestimmte Gen-Gruppe – nämlich jene der spannungsabhängigen Ionenkanäle – deutlich heraus. Gerade diese Moleküle sind für eine grundlegende Eigenschaft von Nervenzellen, die elektrische Erregbarkeit, verantwortlich. Die gleiche Methode wurde bei über 32.000 Patienten mit Schizophrenie und gesunden Probanden angewendet – die Ionenkanäle gehörten auch hier zu den Gen-Gruppen mit den genomweit stärksten Effekten.
In einem weiteren Schritt untersuchte Matthias Fastenrath mit Mitteln der funktionellen Bildgebung die Hirnaktivität von rund 700 gesunden Versuchsteilnehmern, während sie eine Arbeitsgedächtnisaufgabe lösten. Die Gen-Gruppe der Ionenkanäle korrelierte dabei stark mit der Aktivität in zwei unterschiedlichen Hirnregionen im Gross- und Kleinhirn. Aus früheren Studien ist bekannt, dass genau diese beiden Hirnareale zur Aufrechterhaltung eines intakten Arbeitsgedächtnisses beitragen. Moleküle, welche die elektrische Erregbarkeit der Nervenzellen steuern, spielen also für ein intaktes Arbeitsgedächtnis und für die Funktion von definierten Hirnarealen eine wichtige Rolle. Eine Störung dieses Mechanismus könnte auch zur Entwicklung einer Schizophrenie führen. Die Ergebnisse der Studie tragen dazu bei, die molekularen Grundlagen wichtiger Gedächtnisprozesse und psychiatrischer Erkrankungen zu verstehen. Die Ergebnisse bieten eine gute Ausgangslage für die Entwicklung von Medikamenten zur Therapie von Gedächtnisstörungen und psychiatrischen Erkrankungen. Originalpublikation: Converging Genetic and Functional Brain Imaging Evidence Links Neuronal Excitability to Working Memory, Psychiatric Disease, and Brain Activity Angela Heck et al.; Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2014.01.010, 2014