Wenn es ernst wird, bekommen Sie kalte Füße? Aufregung schlägt Ihnen auf den Magen? Damit sind Sie nicht alleine. Denn Emotionen lassen sich im Körper verorten. Finnische Wissenschaftler haben die Landkarte der Gefühle veröffentlicht.
Es gibt Redewendungen wie „kalte Füße bekommen“, „Schmetterlinge im Bauch haben“, „Herzschmerz“ und andere. Doch bisher waren es „nur“ Redenwendungen, die ein bestimmtes Gefühl beschreiben. Doch finnische Wissenschaftler haben genauer untersucht, an welchen Stellen im Körper welche Empfindungen auftreten. Dazu befragten die Forscher um Lauri Nummenmaa in fünf Experimenten 700 Personen aus Nordeuropa und Taiwan. Mit Hilfe von emotionsgeladene Wörter, Bilder, Filmsequenzen oder Geschichten wurden Gefühle in den Testpersonen geweckt. Im Anschluss mussten diese auf einer Zeichnung mit einem Körperumriss markieren, in welcher Körperregion Aktivitäten anstiegen oder abgeschwächt waren.
Anschließend erstellten die Wissenschaftler aus den Informationen eine Karte des Körpers, auf der die anregenden und abgeschwächten Empfindungen eingezeichnet waren. Interessanterweise ergab sich für jedes Gefühl ein charakteristisches Bild: Glück durchströmt den ganzen Körper, Wut nur den Oberkörper und die Hände. Depressive Gefühle kühlen den ganzen Körper ab, während Scham einem – sprichwörtlich – die Röte ins Gesicht treibt. So konnten die Wissenschaftler 14 verschiedene Zustände beschreiben, die auf PNAS kürzlich veröffentlicht wurden. Copyright: Image courtesy of Lauri Nummenmaa and the National Academy of Sciences
Beim Vergleich der Karten von Europäern und Taiwanesen zeigte sich, dass die Bilder gleich aussehen. Daraus schließen die Forscher, dass die Körperwahrnehmungen nicht nur kulturübergreifend sind, sondern auch eine biologische Grundlage haben. Möglicherweise halfen die Empfindungen unseren Vorfahren, sich in der Lebensumgebung besser zurechtzufinden und beispielsweise besser zwischen Freund und Feind zu unterscheiden oder auch Krankheiten zu erkennen.
Doch wie kann dieses Wissen für Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister von Nutzen sein? Die finnischen Forscher hoffen, dass die Ergebnisse bei der Diagnostik von seelischen Leiden hilfreich sein können. Ein Arzt, der ein gutes Verständnis dafür hat, wie sich Gefühle im Körper ausdrücken, kann beispielsweise Depressionen oder Angststörungen besser erkennen. Ebenso könnte das Wissen um die Ausprägungen der Gefühle nützlich sein bei Patienten, die die Symptome noch nicht differenziert beschreiben können, wie beispielsweise Kinder. Hier könnte ein Zugang über die Körperempfindungen dazu beitragen, eine Krankheit von einer anderen Seite her zu beleuchten und/oder zu diagnostizieren.
Grundsätzlich ist dieser Ansatz interessant, da offensichtlich über bestimmte Gefühle und Empfindungen auch Körperreaktionen gleichbleibend gesteuert werden können. Damit ließe sich im Rückschluss auch der Stoffwechsel durch gezielte Gefühle beeinflussen. Ganz neu ist der Gedanke zugegebenermaßen nicht – zahlreiche Ratgeber nach dem Motto „Lach dich gesund“ oder „Humor hilft heilen“ schlagen in diese Kerbe. Doch es scheint tatsächlich etwas dran zu sein. Prof. Dr. Achim Peters erklärt in seinem Buch „Das egoistische Gehirn“ warum der Glukosestoffwechsel entgleisen kann und wie es dazu kommt, dass chronischer Stress entweder dick oder depressiv macht. Und Prof. Dr. Tobias Esch erklärt in „Neurobiologie des Glücks“, welche Vorgänge im Gehirn zu „Glück und Unglück“ führen und wie besonders Ärzte und Therapeuten sie beeinflussen können. Gerade Ärzten unterstellt man ja gerne, den schönsten Beruf überhaupt zu haben, weil sie anderen Menschen helfen können. Gleichzeitig deckt sich das nicht mit den Belastungen im Alltag und der Beobachtung, dass auch Ärzte und Therapeuten von Burnout, Depressionen und anderen Überlastungsleiden betroffen sind.
Warum ist es denn eigentlich so schwer, mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein, also glücklich zu sein? Offenbar lernen wir es schon nicht mehr. Schon in der Schule sind der Druck und die Erwartungen so hoch, dass Kinder und Lehrer daran zerbrechen und krank werden. Das „Schulfach Glück“, das an verschiedenen Schulen in Deutschland und Österreich eingeführt wurde, möchte hier ansetzen. Ziel der Initiative ist es, das Wohlbefinden in der Schule (bei Lehrer/innen und Schüler/innen) zu steigern und zu lernen, wie man mit Herausforderungen im Leben besser umgehen kann. Vielleicht sollten wir uns anhand der Karte der Gefühle in Erinnerung rufen, wie angenehm das Kribbeln im Bauch ist, wenn wir glücklich sind und das Gefühl auch im Alltag öfter mal zulassen.