Kaum ziehen Regenwolken über Deutschland, füllt sich die Offizin mit Patienten. Einer der vielen Erkältungsviren hat sie erwischt, jetzt ist pharmazeutische Hilfe gefragt. Neue Publikationen zeigen Pluspunkte, aber auch Schattenseiten so mancher Präparate auf.
Winterzeit – Rhinitiszeit: Neben Kopf- und Gliederschmerzen behindern geschwollene Nasenschleimhäute die Atmung. Oft sind Atemwege in Mitleidenschaft gezogen, und Betroffene quälen sich mit starkem Husten. Wissenschaftler haben bei Nasensprays, Pelargonium sidoides und Zinksalzen auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Peter-John Wormald von der University of Adelaide, Australien, nahm jetzt Nasensprays kritisch unter die Lupe. Zwar ging es nicht um typische Pharmaka wie Oxymetazolin oder Xylometazolin. Seine Erkenntnisse lassen sich aber generell auf Applikatoren übertragen. Wormald rekrutierte 25 Probanden, die unter einer chronischen Rhinosinusitis litten und mit Mometason beziehungsweise Fluticason behandelt wurden. Er nahm Abstriche vom Nasenvorhof, vom Nasengang sowie von den Fläschchen selbst. Und siehe da, bei allen Studienteilnehmern fanden Mikrobiologen Staphylokokken im Nasenraum. Auf 18 Sprays ließen sich die Keime ebenfalls nachweisen. Laut Peter-John Wormald kam es in 71 Prozent aller Fälle zu Kreuzkontaminationen. Er befürchtet, Patienten könnten sich ständig durch die korrekte Anwendung ihres Sprays infizieren – eine Tatsache, die bei Adeno- und Rhinoviren auch in Erwägung gezogen werden muss. Als haushaltstaugliche Optionen schlägt Wormald vor, abziehbare Sprayspitzen mit Ethanol oder kochendem Wasser zu reinigen. Kaltes Wasser sowie Geschirrspülmittel zeigten nicht den erwünschten Effekt.
Bei Infekten der Atemwege schwören Patienten häufig auf Präparate mit Auszügen der Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides). Zu Recht, fragten sich jetzt Forscher der Cochrane Collaboration. Sie argumentierten vor allem mit neuen klinischen Studien und aktualisierten eine ältere Metaanalyse. Kurz zuvor war eine Monographie der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zum Einsatz dieser Pflanze veröffentlicht worden. In diversen Online-Datenbanken und Fachmedien fanden Cochrane-Forscher acht randomisierte kontrollierte Doppelblind-Studien, die Pelargonium-sidoides-Präparate mit Placebo oder anderen Therapieoptionen verglichen. Dabei ging es einerseits um den Zeitraum bis zur Beschwerdefreiheit. Andererseits wurde erfasst, inwieweit sich Symptome eines Atemwegsinfekts gebessert hatten. Beispielsweise zeigten drei Arbeiten mit 746 erwachsenen Bronchitis-Patienten, dass es zu einer Linderung der Symptome kam – trotz, wie die Autoren berichten, „widersprüchlicher Ergebnisse“. Ärzte, die insgesamt 819 Kinder mit akuter Bronchitis untersuchten, kamen zu ähnlichen Resultaten. Und bei 103 Erwachsenen verschwanden Sinusitis-Symptome nach drei Wochen vollständig. Aufgrund der geringen Studienzahl gibt es Hinweise, aber keine Beweise, dass flüssige Zubereitungen besser wirken könnten als Extrakte in Tablettenform. Trotzdem spart das Cochrane-Team nicht an Kritik. Sie bewerten die Qualität der Evidenz als „niedrig oder sehr niedrig“, da nur wenige Arbeiten pro Krankheitsbild vorliegen. Auch seien alle Studien „vom gleichen Forschungsunternehmen (dem Hersteller)“ gewesen und „in der gleichen Region (der Ukraine und Russland)“ durchgeführt worden. Zusammenfassend sprechend sie von „begrenzter Evidenz“ für die Wirksamkeit von P. sidoides bei der Behandlung akuter Atemwegsinfekte.
Bei Präparaten mit Zinksalzen scheiden sich ebenfalls die wissenschaftlichen Geister. Was Kunden aus der Werbung kennen und im Handverkauf gerne hätten, muss noch lange nicht wirken. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass auch hier Wissenschaftler der Cochrane Collaboration aktiv waren. Sie untersuchten, ob das Mineral bei gewöhnlichen Erkältungen unter evidenzbasierten Kriterien tatsächlich etwas bringt. Mitte 2013 veröffentlichten sie schließlich ein Update. Insgesamt wurden 18 randomisierte, kontrollierte Studien mit 1.781 Teilnehmern ausgewertet, darunter auch fünf neue Arbeiten. Zinksalze führten tatsächlich zu einer „signifikanten Verringerung der Krankheitsdauer“ um etwa 24 Stunden, falls Patienten mindestens 75 Milligramm pro Tag einnahmen. Prophylaktisch über fünf Monate oder mehr angewendet, erkrankten Menschen seltener an einer Erkältung, und Ärzte mussten nicht so oft Antibiotika verordnen. Speziell bei Kindern fanden Wissenschaftler weniger Absenzen in der Schule. Dem gegenüber standen unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Geschmacksstörungen beziehungsweise Übelkeit. Aufgrund der aktuellen Datenlage können die Autoren momentan jedoch keine Empfehlung hinsichtlich der vorbeugenden Einnahme formulieren. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schlägt für Nahrungsergänzungsmittel als Höchstmenge 2,25 Milligramm pro Tag vor. Als Schwermetall hat Zink eben auch seine Schattenseiten.