Wissenschaftler haben erstmals Hautzellen gezüchtet, die Blut- und Lymphgefäße enthalten. Es ist ihnen gelungen, alle notwendigen Typen von Hautzellen aus menschlichem Hautgewebe zu isolieren und damit einen der Vollhaut ähnlichen Hautersatz herzustellen.
Jährlich verbrennen sich zirka elf Millionen Menschen schwer. Die dabei entstehenden großen und tiefen Wunden heilen nur langsam – es bleiben lebenslange Narben. Um eine solche Vernarbung möglichst zu reduzieren, bedarf es der Transplantation einer funktionsfähigen Vollhaut. Diese kann dem einzelnen Patienten nur in sehr begrenzter Fläche entnommen werden, da der Eingriff wiederum neue Wunden verursacht. Eine Möglichkeit neben der gängigen Hauttransplantation ist, im Labor einen Hautersatz herzustellen, der sich einerseits aus den Zellen des Patienten zusammensetzt und andererseits der natürlichen menschlichen Haut sehr nahe kommt. Bisher enthielten diese komplexen Hautsubstitute noch keine Blut- und Lymphgefäße, keine Pigmentierung, keine Schweißdrüsen oder Haarfollikel und keine Nerven. Zwar stellten die Forscher der „Tissue Biology Research Unit“, der Forschungsabteilung der Chirurgischen Klinik und des Forschungszentrums für das Kind am Kinderspital Zürich, seit einiger Zeit einen aus Oberhaut und Unterhaut bestehenden Hautersatz her, jetzt konnten sie aber ein komplexeres Organ zusammensetzen: „Es ist uns gelungen, alle nötigen Hautzellen aus einer menschlichen Hautprobe zu isolieren und daraus ein der Vollhaut ähnliches Hautsubstitut herzustellen, das erstmals auch Blut- und Lymphgefäße enthält“, sagt Martin Meuli, Leiter der Chirurgischen Klinik am Kinderspital Zürich.
Bei einer Verwundung tritt Gewebsflüssigkeit aus, die sich in einem Hohlraum an der Hautoberfläche ansammelt und die Wundheilung stören kann. Lymphgefäße lassen diese Flüssigkeit wieder abfließen. Mit aus der menschlichen Unterhaut isolierten Lymphgefäßzellen haben die Forscher Lymphkapillaren hergestellt. Zusammen mit den ebenso entwickelten Blutkapillaren ist somit eine schnelle und effiziente Gefäßversorgung des Hautsubstituts gewährleistet. Dies war bisher ein wichtiges ungelöstes Problem in der molekularen Gewebebiologie und in der regenerativen Medizin. Dabei wurden die Wissenschaftler um Ernst Reichmann, Leiter der „Tissue Biology Research Unit“, von drei Befunden überrascht: Die einzelnen Lymphgefäßzellen arrangierten sich im Labor spontan zu Lymphkapillaren mit allen Charakteristika von Lymphkapillaren. In präklinischen Versuchen verbanden sich sowohl die im Labor hergestellten menschlichen Lymphkapillaren als auch die genauso hergestellten Blutkapillaren mit denen der Versuchstiere. Und: „Neu ist, dass die Lymphgefäße Gewebsflüssigkeit sammelten und transportierten, sie waren also funktionell“, erklärt Ernst Reichmann und ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass mit Lymph- und Blutgefäßen versehene Hautsubstitute in Zukunft sowohl die Ansammlung von Gewebsflüssigkeit verhindern, als auch eine rasche Blutversorgung des Transplantats gewährleisten werden.“ Dadurch könne das Einheilen und die organtypische Struktur eines solchen Hautersatzes entscheidend verbessert werden. Eine erste klinische Anwendung dieser komplexen Hautsubstitute ist für das Jahr 2014 vorgesehen, wobei dieser Hautersatz noch keine Blut- und Lymphgefäße enthalten wird, da die Zulassung noch erfolgen muss. Originalpublikation: Bioengineering Dermo-Epidermal Skin Grafts with Blood and Lymphatic Capillaries Ernst Reichmann et al.; Science Translational Medicine, DOI: 10.1126/scitranslmed.3006894; 2014