Fluggesellschaften entwickeln neue Filter, um ihre Kabinenluft besser zu reinigen. Dieser Aktionismus ist die Reaktion auf verbreitete Medienberichte zu sogenannten Fume Events. Wissenschaftlich bleibt das aerotoxische Syndrom weiterhin umstritten.
„Fume Event - Gift in der Kabinenluft“ oder „Alarm im Flugzeug: Wie giftige Kabinenluft krank macht“: Medien berichten regelmäßig über Gerüche oder Rauch mit möglichen Folgen für die Gesundheit. Experten sind sich aber uneinig, ob das aerotoxische Syndrom – von Einzelfällen abgesehen – tatsächlich existiert.
Mitte 2017 hatte Professor Dr. Hans Drexler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), gegenüber DocCheck erklärt, dass die Existenz des Syndroms aus wissenschaftlicher Sicht nicht gesichert sei. „Mit den Daten, die wir bislang haben, lässt sich der Zusammenhang aber nicht belegen“, sagte der Experte. Er warnt davor, Einzelfälle zu verallgemeinern. Jetzt legt die Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrer Zeitschrift „Public Health Panorama“ nach. Die Erstautorin Susan Michaelis forscht nicht nur an der University of Stirling, sondern tritt auch als Beraterin im Luftfahrtbereich auf. Zusammen mit Kollegen hat sie mehrere Kohorten mit fliegendem Personal ausgewertet. „Es konnte sowohl bei den Symptomen, den Diagnosen und sonstigen Ergebnissen ein klarer Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung in der Arbeitsumgebung hergestellt werden“, schreibt Michaelis. „Die Anerkennung dieser neuen Berufsstörung und ein klares medizinisches Untersuchungsprotokoll sind dringend erforderlich.“ Das letzte Wort ist also noch lange nicht gesprochen. So mancher Airline wird die Luft aber im wahrsten Sinne des Wortes zu dünn.
Easyjet hat nun bekanntgegeben, die Gefahr von Fume oder Smell Events verringern zu wollen. Die britische Fluggesellschaft entwickelt zusammen mit dem US-amerikanischen Unternehmen Pall neue Filter, um die Kabinenluft besser zu reinigen. Keinen Zusammenhang gebe es zu Studien, die sich mit langfristigen Erkrankungen bei Besatzungsmitgliedern aufgrund von Gerüchen und Dämpfen auseinandersetzten, stellt Easyjet klar. Unabhängige medizinische Forschung habe keinen Beweis für einen solchen Zusammenhang erbracht. Vielmehr sei man zu dem Schluss gekommen, dass keine langfristigen Vergiftungserscheinungen zu erwarten seien. „Suggeriert das neue Filtersystem von Easyjet, toxische Kabinenluft sei wirklich ein Problem?“, schreibt The Telegraph dazu. Andere Fluggesellschaften folgen dem britischen Vorbild. Wie Aerotelegraph berichtet, arbeiten deutsche Airlines an ähnlichen Projekten. „Trotz der aktuellen wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass die Luft an Bord unbedenklich ist, testet die Lufthansa Group bereits seit über einem Jahr verschiedene Verfahren, wie spezielle Hepa-/Aktivkohlefilter oder prüft entsprechende Sensorik“, erklärt eine Sprecherin gegenüber dem Magazin. Eurowings, Tuifly, Condor und Air Berlin arbeiten an ähnlichen Projekten.
Dass mehrere Airlines Filtersysteme entwickeln, ist ohne Zweifel gut gemeint. Hier zeigt sich aber einmal mehr, wohin krankhaftes Sparen führen kann. Viele Fluggäste buchen ihre Tickets nur nach dem minimalen Preis. Airlines brauchen ein billiges Fluggerät, und Hersteller versuchen ihrerseits, unnötige Kosten zu vermeiden. Anders lässt es sich nicht erklären, dass fast alle Flugzeugtypen die Zapfluft am Turboverdichter von Turbinen entnehmen. Bei der Boeing 787 haben Ingenieure elektrische Verdichter eingebaut, um auf verunreinigte Zapfluft zu verzichten. Ihre Idee ist an und für sich aber nicht neu. Schon vor Jahrzehnten arbeitete die Douglas Aircraft Company bei ihrer DC-8 mit separaten Lufteinlässen und einem zusätzlichen Kompressor.