Die ungewöhnlich vielen Fälle von Lungenpest auf Madagaskar beunruhigen die Gesundheitsbehörden. Lungenpest sorgt für besonders häufige Übertragungen von Mensch zu Mensch. Ein Schnelltest könnte zu früheren Diagnosen und damit zu erfolgreicheren Therapien führen.
Pestausbrüche sind nicht ungewöhnlich auf Madagaskar. In der Regenzeit zwischen September bis April erkranken jährlich zwischen 280 und 600 Menschen. Bei 80 bis 95 Prozent aller Fälle handelt es sich um die Beulenpest mit äußerst seltener Übertragung von Mensch zu Mensch. Die Erreger werden meist über Parasiten an den Menschen weitergeben. Die Lungenpest mit einer Ansteckung über Tröpfcheninfektionen tritt erfahrungsgemäß eher selten auf. In diesem Jahr verläuft der Ausbruch aber anders. Ärzte berichten von mehreren Besonderheiten.
Jeden Tag meldet das Gesundheitsministerium auf Madagascar die Zahl der Neuinfizierten. Bis zum 9. Oktober 2017 gab es vor Ort bereits 387 Fälle, obwohl die jährliche Erkrankungswelle eigentlich erst begonnen hat. 45 Infizierte sind gestorben. Damit nicht genug: 277 Betroffene (72 Prozent) leiden an der Lungenpest. Unüblich ist auch, dass in dieser Saison weniger ländliche Gegenden betroffen sind. Ein Großteil aller Patienten kommt aus der madagassischen Hauptstadt Antananarivo. Wie es zu diesen ungewöhnlichen Effekten kommen konnte, lässt sich derzeit nicht sagen. Als Hypothese diskutieren Molekularbiologen, dass sich das Genom des Bakteriums Yersinia pestis verändert hat.
Eine veränderte Virulenz bliebe nicht ohne Folgen: Erkrankte stecken Mitmenschen über Tröpfcheninfektion im Radius von einem Meter an. Die Inkubationszeit liegt bei 24 Stunden. Ohne Therapie sterben 100 Prozent aller Patienten nach drei bis vier Tagen. Wie so oft gilt der internationale Flugverkehr als größte Gefahr. Direktflüge gibt es nach Paris, La Réunion, Mayotte und Südostasien. Die Fluggesellschaft Air Seychelles hat ihre Verbindung zwischen Madagaskar und den Seychellen bereits eingestellt. Jetzt befassen sich die Weltgesundheitsorganisation WHO und das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) detailliert mit Infektionsrisiken. Sie bewerten die Gefahr innerhalb Madagaskars als „hoch“, innerhalb angrenzender Regionen als „moderat“ und darüber hinaus als „niedrig“ beziehungsweise „sehr niedrig“.
Diese Einschätzung tröstet Patienten aufgrund des fulminanten Verlaufs der Pest aber nicht. Das Bakterium reagiert empfindlich auf Aminoglykoside, Fluoroquinolone oder Sulfonamide. Resistenzen treten noch recht selten auf. Um Pestinfektionen schneller nachzuweisen, hat das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) bereits in 2013 einen Schnelltest vorgestellt. Basis sind synthetische Glykoproteine. Sie wirken als Antigene, um Antikörper auf Yersinia pestis in Blutproben mit hoher Selektivität nachzuweisen. Bis zur Marktreife hat es der Test aber noch nicht geschafft. Dafür wäre jetzt höchste Zeit.