Urlauber leiden in Tropenländern häufig an der Reisediarrhö. Forscher zeigten nun, dass die vorbeugende Einnahme eines Antibiotikums Reisende vor unangenehmen Durchfällen schützen kann. Bleibt nur die Frage, ob sich ein solcher Aufwand für eine selbstlimitierende Erkrankung auch lohnt.
Durchfallerkrankungen sind in den Tropen besonders häufig: Bei einem mehrwöchigen Aufenthalt betreffen sie im Durchschnitt jeden zweiten Reisenden. Meist ist der Verlauf der Reisediarrhö kurz und die Beschwerden mild. Jeder zehnte Betroffene leidet jedoch erheblich und ist vorübergehend bettlägerig. Meist sind Bakterien die Ursache der Erkrankung, deutlich seltener Viren und andere einzelligen Mikroben. Allgemeine Hygienemaßnahmen haben oft nicht die erwünschte Schutzwirkung. Forscher des Universitätsklinikum Tübingen haben nun in einer Studie untersucht, ob Reisende sich durch die prophylaktische Einnahme des Antibiotikums Rifaximin vor einer Reisediarrhö besser schützen können. Wie die Wissenschaftler um Professor Peter Kremsner in der Fachzeitschrift „Lancet Infectious Diseases“ berichten, führt die Substanz zu einer Halbierung des Durchfallrisikos bei Aufenthalten in Süd- und Südostasien.
An der randomisierten, doppelblinden Studie nahmen 239 Reisende teil, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Die Probanden waren eine bis vier Wochen in Süd- oder Südostasien unterwegs und mussten ab dem Tag ihrer Abreise bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland alle 12 bis 18 Stunden entweder eine Tablette Rifaximin oder ein Placebopräparat einnehmen. Rifaximin ist ein gut verträgliches Breitbandantibiotikum, das von der Darmschleimhaut nicht resorbiert wird und so ausschließlich im Darmlumen wirkt. Zusätzlich dokumentierten die Studienteilnehmer regelmäßig in einem Reisetagebuch, wie oft es zu Stuhlgängen kam und wie diese aussahen. Traten Beschwerden im Magen-Darm-Trakt auf, mussten die Reisenden alle Symptome detailliert aufschreiben. Primäres Endziel der Studie war die Zeit bis zum Auftreten einer Reisediarrhö, d. h. wenn bei den Probanden drei oder mehr Durchfälle innerhalb 24 Stunden und mindestens ein typisches Symptom wie Fieber, Schmerzen, Krämpfe, Übelkeit, Brechreiz oder Blähungen auftraten.
30 von 122 Teilnehmern der Rifixamin-Gruppe und 48 von 117 Teilnehmern der Placebo-Gruppe erkrankten an einer Reisediarrhö. „Rifaximin schützte die Reisenden zu knapp 50 Prozent und das ohne nennenswerte Nebenwirkungen“, berichtet Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin, Humanparasitologie des Universitätsklinikum Tübingen. „Das ist zufriedenstellend, eigentlich hatten wir eine Schutzwirkung von 70 bis 80 Prozent erwartet.“ Nach Ansicht des Mediziners könnte der Grund dafür sein, dass in Süd- und Südostasien öfters als anderswo Bakterien der Gattung Campylobacter auftreten, gegen die Rifaximin keine so ausgeprägte Wirkung aufweist.
Jedem Tropenurlauber würde Kremsner die vorbeugende Einnahme des Antibiotikums nicht empfehlen: „In fast allen Fällen endet eine Reisediarrhö selbstlimitierend nach wenigen Tagen. Die Krankheit ist unangenehm und kann eine Reise beeinträchtigen, zeigt aber nur sehr selten einen schweren Verlauf.“ Jedoch befürwortet er den Einsatz von Rifaximin bei Kurzzeitreisenden mit einem wichtigen Auftrag wie beispielsweise Politiker oder Manager, für die es wichtig ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht krankheitsbedingt ausfallen. Natürlich, so Kremsner, sollten Tropenreisende ebenfalls die üblichen Hygieneregeln einhalten und potenziell kontaminierte Lebensmittel meiden, doch das funktioniere in der Praxis nur eingeschränkt. Für Reisende, die eine Reisediarrhö möglichst vermeiden wollten, sei Rifaximin momentan die beste Möglichkeit. Die Gefahr von Resistenzbildungen schätzt der Mediziner als gering ein, da nicht nur Reisende das Antibiotikum in großem Umfang einnehmen müssten, sondern auch die Bevölkerung der entsprechenden Reiseländer.
Gegen einen generellen Einsatz bei allen Reisenden spricht auch der relativ hohe Preis des noch bis 2024 patentgeschützten Rifaximin – eine Packung mit Tabletten für vier Tage kostet rund 40 Euro. Die Schutzwirkung von Rifaximin ließe sich, so Kremsner, durch die Kombination mit anderen Antibiotika noch steigern, doch müsse man Kosten, Nutzen und Risiko genau abwägen. „Je mehr unterschiedliche Antibiotika ein Patient einnimmt, desto größer ist die Gefahr von Nebenwirkungen“, findet Kremsner. „Da stellt sich dann die Frage, lohnt sich tatsächlich ein solcher Aufwand für die Reisediarrhö, die nicht mit schweren, weit verbreiteten Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Malaria vergleichbar ist.“