MRSA ist einer der gefürchtesten Krankenhauskeime. Wissenschaftler haben nun einen Nanoimpfstoff entwickelt, mit dem das Immunsystem gegen den gefährlichen Erreger gewappnet werden könnte.
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), der wohl prominenteste Vertreter aller Krankenhauskeime, verursacht weltweit etwa 1,5 Millionen Krankenhausinfektionen pro Jahr – in Deutschland sind es grob 100.000. Wenn der Keim bei geschwächten Patienten eine Blutvergiftung oder eine Lungenentzündung auslöst, enden viele der Infektionen tödlich. In den letzten Jahren wurden MRSA zunehmend auch außerhalb von Krankenhäusern gefunden.
Infektionen mit MRSA werden mit sogenannten Reserveantibiotika behandelt. Da aber auch hier die Gefahr der Resistenzbildung besteht, suchen Wissenschaftler nach alternativen Methoden, um Menschen vor dem Tod durch MRSA zu schützen. Nanoingenieure der University of California in San Diego, USA, haben nun „Nanoschwämme“ entwickelt, die als Impfstoffe gegen das Toxin des gefährlichen Erregers fungieren könnten. Ihre Arbeit wurde in der Dezember-Ausgabe des Fachmagazins „Nature Nanotechnolgy“ veröffentlicht.
Impfungen mit und gegen bakterielle Toxine sind nicht einfach zu entwickeln: Sind die Toxine zu stark, schwächen sie den Empfänger, sind sie zu schwach, ist die Impfung unwirksam. Bei herkömmlichen Ansätzen werden die Toxine durch chemische Veränderungen oder Hitzeeinwirkung derart modifiziert, dass sie den Impfling weitgehend unbeschadet lassen. Der Nachteil ist: Sie verlieren durch diesen Prozess deutlich an Effektivität. Die Wissenschaftler aus Kalifornien haben nun das unveränderte MRSA-Toxin alpha-Hämolysin in Nanopartikel aus PLGA (poly lactic-co-glycolic acid) verpackt und zur Tarnung mit einer Membran roter Blutzellen umgeben. Auf diese Weise bleiben die Toxine ausreichend wirksam, um eine Reaktion des Immunsystems zu bewirken. Studienleiter Liangfang Zhang bezeichnet die Nanopartikel treffend als „Hybrid-biomimetische Membran“.
Die Membran der roten Blutzellen dient nicht nur als Tarnung, sondern saugt zudem alle porenbildenden Toxine, die ihr begegnen, auf wie ein Schwamm. Den Wissenschaftlern war nämlich zunächst gar nicht an der Entwicklung eines Impfstoffes gelegen, als sie die Nanoschwämme entwickelten. Mit den ersten Ausführungen der kleinen Partikel verfolgten sie eher therapeutische Ziele, indem sie bakterielle Toxine im Blutstrom aufsaugen ließen. Weil die kleinen Schwämme ihre Arbeit äußerst effektiv ausführten, kamen die Wissenschaftler auf die Idee, sie auch als Transportmittel bei einer Impfung einzusetzen. So kreierten die Forscher Nanopartikel, die mit dem Virulenzfaktor von S. aureus (alpha-Hämolysin) bestückt waren. Diese Mini-Toxin-Schwämme können einerseits Antikörper aktivieren und andererseits ansonsten tödliche Dosen des Toxins praktisch wegsaugen.
In einem Versuch an Mäusen testeten die Wissenschaftler bereits, ob ihr Impfstoff effektiver ist als der hitzebehandelte Virulenzfaktor. Und in der Tat: Mäuse, die mit dem Nanoimpfstoff behandelt worden waren, hatten mehr Antikörper gegen Hämolysin gebildet. Diese Antikörper banden zudem stärker an das Toxin als die wenigen Antikörper der Mäuse, die mit dem hitzebehandelten Hämolysin geimpft worden waren. Nach einer ersten Injektion mit dem Impfstoff überlebten lediglich 10 Prozent der Mäuse eine S. aureus-Infektion, die zuvor mit dem hitzebehandelten Toxin geimpft worden waren. Bei den Tieren, die mit dem Nanoimpfstoff immunisiert worden waren, waren es immerhin 50 Prozent. Nach zwei weiteren Booster-Impfungen überlebten 100 Prozent der Tiere nach einer Impfung mit dem Nanovakzin. Bei den Mäusen, die das hitzebehandelte Toxin erhalten hatten, waren es 90 Prozent. Bei den komplizierten Hautinfektionen, die ebenfalls von S. aureus verursacht werden können, konnte der Impfstoff bei den Mäusen durch das Toxin verursachte Hautnekrosen verhindern.
Alpha-Hämolysin gehört zu einer Gruppe von Toxinen, die Poren in Zellmembranen bilden und so die Zellen zerstören. Außer von S. aureus werden derartige Toxine auch von anderen bekannten Gesundheitsgefährdern wie E. coli und H. pylori produziert. Auch in tierischen Giften wie Schlangengift kommen sie vor. Der Impfstoff könnte sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch zum Einsatz kommen, schreiben die Studienautoren. Da die Wissenschaftler lediglich mit dem bakteriellen Toxin arbeiten und nicht mit dem gesamten Bakterium, umgehen sie eine Resistenzbildung gegen die wenigen noch verfügbaren Antibiotika gegen MRSA. Die Wissenschaftler können sich außerdem vorstellen, ihren Impfstoff gleich mit mehreren Toxinen zu bestücken – von Toxinen aus S. aureus bis solchen aus Schlangengift ist alles denkbar. Denn dank ihrer Technik ist es nun erstmals möglich, den menschlichen Abwehrzellen offenbar gefahrenlos intakte Toxine zu präsentieren.