Topverdiener mit schlechter Prognose: Chefärzte in Krankenhäusern freuen sich über ein gutes Salär, leiden aber unter einschneidenden Veränderungen ihres Vergütungssystems. Gemessen an Zahlen aus der Wirtschaft bleiben die Honorare auf allen Hierarchieebenen vergleichsweise niedrig.
Über Geld redet man sehr wohl: Für die Untersuchung „Ärzte, Führungskräfte und Spezialisten in Krankenhäusern 2013“ von Kienbaum gewährten 2.904 Kollegen unterschiedlicher Hierarchien aus 123 Kliniken Einblicke in ihr Gehalt. Ähnliche Informationen stehen aus dem letzten Jahr ebenfalls zur Verfügung. Hinzu kamen Daten von 5.562 Praktikanten, die Clevis ausgewertet hat.
Der „Praktikantenspiegel 2013“ bringt es an den Tag: Studierende haben pharmazeutische Hersteller mit dem Prädikat „beste Arbeitgeberqualität“ ausgezeichnet. Viele der Befragten kritisieren jedoch fehlende Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Über die Vergütung beschwert sich niemand – Praktikanten erhalten der Studie zufolge mittlerweile 701 Euro pro Monat. Trotzdem entstehen aus vielen Hospitanzen keine regulären Arbeitsverhältnisse, kritisieren die Autoren der Studie.
Der nächste Karriereschritt: Wie Kienbaum berichtet, zahlt sich ein Doktortitel in Krankenhäusern auch unter wirtschaftlichen Aspekten aus. Leitende Angestellte mit Promotion, beispielsweise Geschäftsführer, bekommen im Jahr etwa 256.000 Euro, während Kollegen in gleicher Position, aber ohne den „Dr.“, lediglich 179.000 Euro für sich verbuchen können. Drei von vier Befragten aus diesem Bereich haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss, und zwölf Prozent dieser Akademiker wurden promoviert. Darüber hinaus spielt die Berufserfahrung eine zentrale Rolle. Abteilungsleiter mit drei bis sechs Jahren Praxis kommen auf 58.000 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Kollegen, die bereits 20 Jahre im Job sind, freuen sich über 79.000 Euro. In den ersten Berufsjahren erhöht sich das Salär relativ rasch, während später nur die jährliche Gehaltsanpassung und die Preissteigerungsrate zum Anstieg beitragen.
Bei Führungskräften in der Klinik kommen leistungsorientierte Entgeltanteile noch mit hinzu – weitaus seltener als in anderen Branchen. Immerhin berichten 78 Prozent der Geschäftsführer und 30 Prozent der nichtärztlichen Führungskräfte, teilweise nach Leistung bezahlt zu werden. Bei Geschäftsführern ist laut Kienbaum von 26.800 Euro im Jahr die Rede, während Kollegen anderer Hierarchieebenen lediglich mit 8.600 Euro rechnen können. Chefärzte erhalten variable Vergütungen von durchschnittlich 130.000 Euro, während es bei Oberärzten nur 14.000 Euro sind. Unter dem Strich kommen Chefärzte auf 278.000 Euro im Jahr – fast 100.000 Euro mehr als Geschäftsführer im Krankenhaussektor. CEOs eines Wirtschaftsunternehmens können knapp das Doppelte, sprich 372.000 Euro, für sich verbuchen. Bereichsleiter direkt unter der Geschäftsführung erzielen immerhin noch 155.000 Euro – sprich 70 Prozent mehr als in Krankenhäusern.
Damit gehören Chefärzte klar zu den Spitzenverdienern in deutschen Kliniken. Trotzdem gibt es einen Wermutstropfen. Wie Kienbaum berichtet, haben sich deren Vertragsstrukturen über die Jahre grundlegend verändert. Rund 50 Prozent profitieren momentan vom Liquidationsrecht als Honorierungsform – vor 15 Jahren waren es noch 92 Prozent. Erhielten 1995 lediglich fünf Prozent leistungsorientierte Boni vom Arbeitgeber, hat mittlerweile jeder zweite Chefarzt entsprechende Vertragsbestandteile und damit auch weniger Geld zur Verfügung. Ganz klar, Klinikunternehmen benötigen Steuerungssysteme, die auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sind und Verantwortungsbereiche von Chefärzten beeinflussen. Einnahmen aus Privatliquidationen gelten zwar als variabel, weil ihre Höhe nicht im Voraus abzusehen ist. Allerdings fließen entsprechende Beträge, so Kienbaum weiter, dem Chefarzt unabhängig von herausragenden Leistungsanstrengungen zu. Boni wiederum stehen in der Kritik, weil sie falsche Anreize schaffen können. Das muss nicht sein, sollten ökonomisch und medizinisch sinnvolle Zielgrößen vereinbart werden. Als Möglichkeiten nennt die Studie unter anderem projektgebundene Meilensteine, Ergebnisse von Patientenbefragungen oder gute Mitarbeiterführung.
Bei Karriere und Einkommen spielt das Geschlecht ebenfalls eine Rolle. Während Frauen in Unternehmen der freien Wirtschaft nur 13 Prozent aller Führungspositionen besetzen, sieht es in Kliniken deutlich besser aus. Rund 34 Prozent aller leitenden Angestellten sind weiblich. Das täuscht auf den ersten Blick über Defizite hinweg – bei Chefärzten und Geschäftsführern gibt es jeweils nur zehn Prozent Frauen. Sie erhalten rund 15 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Hier bestehen nach wie vor eklatante Defizite. Träger werden überlegen müssen, wie sie generell zu gerechten, angemessenen Formen der Entlohnung kommen, um keine Spitzenkräfte an Unternehmen der freien Wirtschaft zu verlieren.