Chondroblastome und Riesenzelltumoren gefährden durch ihr Wachstum die Stabilität des Knochens bzw. können in seltenen Fällen sogar in die Lunge streuen. Forschern gelang es nun, charakteristische Mutationen für diese Knochentumoren zu identifizieren.
Bei Chondroblastomen sowie Riesenzelltumoren des Knochens handelt es sich grundsätzlich um gutartige Knochentumoren, welche durch ihr Wachstum jedoch weitreichende Folgen nach sich ziehen können. „ Chondroblastome treten bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen im Alter von 10 bis 20 Jahren auf und schädigen das junge Skelett sowie die Knochensubstanz durch ihr übermäßiges Wachstum“, so Dr. Susanne Scheipl, Univ.-Klinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie der Med Uni Graz, derzeit University College London, Cancer Institute. Von Riesenzelltumoren sind vor allem junge Erwachsene im Alter von 20 bis 40 Jahren betroffen, wobei diese Tumoren in seltenen Fällen in die Lunge streuen können. „Beide Tumoren treten selten auf, und da ihre Entstehung bisher ungeklärt ist, gibt es auch keine ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten“, so Susanne Scheipl weiter. Derzeit geschieht die Behandlung beider Tumoren invasiv durch chirurgische Ausräumung und Auffüllung des entstandenen Defekts. Die Gefahr, dass die Tumoren nach der Operation wieder auftreten, ist gegeben, wodurch Patienten oft einen langen Behandlungsweg durchlaufen müssen.
Mittels Gen-Sequenzierungsanalysen ist es nun erstmals gelungen, bei beiden Tumoren charakteristische Erbgutveränderungen zu identifizieren. Diese Mutation gestaltet sich derart, dass die Proteinstruktur im Zellkern von Chondroblastomen und Riesenzelltumoren sich deutlich vom Erbgut anderer – meist bösartiger – Tumoren unterscheidet. „Besonders spektakulär ist die Tatsache, dass diese Genmutation in beinahe 100 % der untersuchten Tumoren festgestellt werden konnte. Damit handelt es sich um eine hochspezifische Erbgutveränderung, welche in unklaren Fällen die deutliche Abgrenzung zu anderen Tumoren erlaubt“, erläutert Susanne Scheipl. Die klare Abgrenzung ist insofern bedeutsam, da bösartige Tumoren eine chirurgisch radikalere Therapie nach sich ziehen. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass das veränderte Gen in Riesenzelltumoren und Chondroblastomen identisch ist und sich nur die Position des mutierten Proteins unterscheidet. Diese Erkenntnis ist für Folgestudien relevant, da die identische Mutation die knorpelige bzw. knöcherne Differenzierung auf unterschiedliche Weise beeinflussen könnte. Der zugrunde liegende Mechanismus ist Gegenstand weiterer Studien. Zusätzlich konnte ebenfalls geklärt werden, dass die Erbgutveränderung auf einen bestimmten Zelltyp innerhalb der Tumoren beschränkt ist – die sogenannten Stromazellen – Zellen, die innerhalb des Tumors für das Wachstum zuständig sind. „Wie die mutierten Zellen die Knochenfresszellen genau aktivieren, wird derzeit noch erforscht“, sagt Susanne Scheipl.
Die aktuellen Forschungsergebnisse sind in weiterer Folge essentiell zur eindeutigen Diagnostik von Tumoren. Bei anderen Tumoren sind derartige Genmutationen sehr selten und bisher nur bei kindlichen Hirntumoren erforscht. „Die erforschte Veränderung im Genom der untersuchten Tumoren verändert tumorauslösende Gene nicht aktiv, sondern beeinflusst die Art und Weise, wie diese Gene „markiert“ und damit von Enzymen abgelesen werden“, erläutert Susanne Scheipl. Der nächste Schritt liegt daher eindeutig in der Entschlüsselung jener körpereigenen Mechanismen, welche von diesen Änderungen in der Genmarkierung betroffen sind bzw. beeinflusst werden. „In Zukunft besteht somit eine reale Chance, therapeutisch gezielt ansetzen zu können, sodass Patienten große Operationen erspart werden können bzw. wird es möglich sein, Eingriffe viel kleiner gestalten zu können sowie das Wiederauftreten dieser Tumoren zu verhindern“, blickt Susanne Scheipl zuversichtlich in die Zukunft. Originalpublikation: Distinct H3F3A and H3F3B driver mutations define chondroblastoma and giant cell tumor of bone Susanne Scheipl et al; Nature Genetics, doi: 10.1038/ng.2814; 2013