Das PSA-Screening ist im Rahmen der Prostatakrebs-Vorsorge umstritten. Kritiker der Methode verweisen immer wieder auf eine groß angelegte Studie aus den USA. Wie sich jetzt herausstellte, sind den Wissenschaftlern dabei grobe Fehler unterlaufen.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland und die dritthäufigste Krebstodesursache. Die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr ist lange konstant gestiegen, nimmt seit 2010 jedoch leicht ab. Laut Experten ist dies auf die zunächst zunehmende, dann stagnierende Nutzung des Prostataspezifischen-Antigen-Screenings (PSA) zurückzuführen. Im gesetzlichen Früherkennungsprogramm ist der Test jedoch nicht vorgesehen. Ob die Mortalität durch das Screening sinkt, war bisher umstritten.
Das liegt vor allem an den konträren Ergebnissen zweier groß angelegter Studien. Die European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) kam zu dem Ergebnis, dass ein PSA-Screening die Mortalität um 21 Prozent senken könne. Das Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial (PLCO) aus den USA hingegen konnte keinen Unterschied der Sterberisikos zwischen getesteten und ungetesteten Männern feststellen. Um den Widerspruch aufzuklären, wurden die beiden Studien von Biostatistikern und Epidemiologen reanalysiert. Es stellte sich heraus, dass den Wissenschaftlern der amerikanischen Studie grobe Fehler unterlaufen sind. „Als die Studie in den USA anlief, hatte ein Großteil der Probanden bereits den PSA-Test im Rahmen der üblichen Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Arzt durchgeführt“, erläutert Ruth Etzioni, eine der Hauptautoren der neuen Studie. Dadurch bestand die Vergleichsgruppe der PLCO-Studie nicht aus ungetesteten, sondern aus unkontrolliert getesteten Probanden. Darüber hinaus wurden einige der Männer, die sich in der Screening-Gruppe befanden, gar nicht getestet. Berücksichtigten die Autoren der neuen Studie diese Umstände, reduzierte sich nun auch in der PLCO-Studie die Mortalität. Die Wahrscheinlichkeit an einem Prostatakarzinom zu sterben, verringert sich hier nach einem PSA-Screening um 27 bis 32 Prozent. Wie sich herausstellte, hatte die ERSPC-Studie also tatsächlich recht: Das PSA-Screening kann die Mortalität senken.
Dennoch wird das Screening nicht als grundsätzliche Vorsorgeuntersuchung empfohlen. Das liegt vor allem auch an den Risiken, die das Screening mit sich bringt. Erhöhte Werte des im Blutserum ermittelten PSA können auf ein Prostatakarzinom, aber auch auf benigne Prostatahyperplasie oder Entzündungen hindeuten. Problematisch sind die durch das Screening verursachten Übertherapien. Unnötige Operationen oder Bestrahlungen können zu Inkontinenz oder erektiler Dysfunktion führen. Oft schreitet die Krebserkrankungen auch so langsam voran, dass sie zu Lebzeiten gar keine Beschwerden macht. „Durch das Screening werden im Durchschnitt mehr Männer übertherapiert, als Leben gerettet.“ erklärt Etzioni. Das Ziel jeder Vorsorgemaßnahme müsse auch sein, dass unnötige Behandlungen vermieden werden.
Dr. Andrew J. Vickers vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center ist der Meinung, dass es keinen Zweifel gibt, dass das PSA-Screening das Sterberisiko eindämmt. „Die Debatte sollte nicht mit dem Ziel geführt werden, sich für oder gegen den Test auszusprechen, sondern, wie das Screening optimiert werden kann, sodass es keinen Schaden anrichtet.“ erläutert der Wissenschaftler. „Der PSA-Test selbst kann niemandem schaden oder gar das Leben kosten, sondern nur die daraus resultierenden Fehlbehandlungen. Er kann aber durchaus Leben retten, da eine tödliche Krebserkrankung früher entdeckt und behandelt werden kann.“ Kritiker des PSA-Screenings sind der Ansicht, dass die neue Studie nichts an der Risiko-Nutzen-Kalkulation ändert. „Der potenzielle Schaden, der durch das Screening entstehen kann, sei nach wie vor vorhanden und der Nutzen gering“, meint Dr. Kenneth Lin, Professor und Mitglied der American Academy of Family Physicians. Die ERSPC-Studie selbst gibt an, dass sich 48 Männer einer unnötigen Krebstherapie unterziehen müssten, um einen Todesfall zu verhindern.
Ob eine Empfehlung für das PSA-Screening ausgesprochen werden sollte oder nicht – letztlich sollten Männer stets über die Vor- und Nachteile des Screenings sowie andere Früherkennungsmaßnahmen aufgeklärt werden. Zusätzlich zur S3-Leitlinie Prostatakarzinom hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ein Handbuch veröffentlicht, das Hausärzte bei Einzelfallentscheidungen unterstützen soll. Die Debatte führt jedoch auch vor Augen, wie wichtig das kritische Auseinandersetzen mit den Daten klinischer Studien ist. Ärzte sollten sich bei ihren Empfehlungen immerhin auf qualitativ hochwertige Studien verlassen können.